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Die Gaspreise gehen den Verbrauchern an den Geldbeutel.

© IMAGO/STAR-MEDIA

„Enteignung der Bevölkerung“: Scharfe Kritik an Gasumlage für profitable Unternehmen

Auch profitable Unternehmen sollen die Gasumlage weitergeben dürfen. Die Opposition wittert einen Skandal, die Grüne Jugend droht der Ampel mit Protesten.

Der Sprecherin des Wirtschaftsministerium ist das Unbehagen anzumerken. In der Bundespressekonferenz wird sie am Montag zu Details der umstrittenen Gasumlage befragt. Ob es sein könne, dass Verbraucher damit die Gewinne von Unternehmen absichern, will ein Journalist wissen. „Ein Unternehmen braucht eine gewisse Gewinnspanne, um weiter agieren zu können“, sagt die Sprecherin schmallippig.

Schon seit Wochen gibt es Vorbehalte gegen die Gasumlage, die von der Bundesregierung mittels Verordnung für eineinhalb Jahre angeordnet wurde. Sie soll die Unternehmen stützen, die wegen dem Ausfall russischer Gas-Lieferungen nun den Rohstoff teuer auf dem Weltmarkt einkaufen, ihn aber zu alten Konditionen auf dem deutschen Markt weiterverkaufen müssen.

Die Differenz, für manche Unternehmen hohe Millionenbeträge jeden Tag, sollen die Gas-Verbraucher zahlen mit einem Aufschlag von erst einmal 2,4 Cent pro Kilowattstunde. An welche Unternehmen genau die Umlage geht, war lange unklar gewesen. Doch nachdem am Montag die Namen der zwölf berechtigten Firmen bekannt wurden, ist nun auch ersichtlich, dass auch Unternehmen die Umlage an ihre Kunden weitergeben dürfen, die zuletzt schon satte Gewinne gemacht haben.

So hat beispielsweise der österreichische Energiekonzern OMV allein im ersten Halbjahr einen Gewinn von 5,6 Milliarden Euro gemacht – deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum. Auch der Energiekonzern Gunvor darf die Umlage an seine Kunden weitergeben – trotz einer Halbjahresbilanz mit einem Gewinn von rund zwei Milliarden Euro.

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Begründet hatte das Wirtschaftsministerium die Gasumlage eigentlich anders: „um Insolvenzen von Gashändlern und Dominoeffekte in der Lieferkette der Energiewirtschaft zu verhindern“, hatte es in einer Erklärung des Ministeriums geheißen. Tatsächlich scheint es dabei aber vor allem um zwei Unternehmen zu gehen: Uniper und SEFE, das bis vor kurzem noch als Gazprom Germania agierte.

Beide Firmen haben in der Vergangenheit vor allem mit Russland Geschäfte gemacht und sind daher in Schieflage geraten. Uniper, bei dem der Bund unlängst mit 30 Prozent einstieg, hat im ersten Halbjahr einen Verlust von rund zwölf Milliarden Euro gemacht. SEFE steht aktuell unter Treuhand der Bundesnetzagentur. Gehen die beiden Unternehmen in die Knie, würde die Gas-Versorgung in Deutschland wohl zusammenbrechen.

Ein Steinkohlekraftwerk von Uniper in Scholven.

© picture alliance/dpa

Doch von der Gasumlage können nun auch Unternehmen profitieren, die sich breiter aufgestellt haben und ihre Verluste aus dem Russland-Geschäft anderswo bereits kompensieren. Für das Wirtschaftsministerium akzeptabel: „Wir stehen auf dem Standpunkt, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss, um sich breiter aufzustellen und sich auch letztlich unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu machen“, sagte die Sprecherin.

Für die Opposition ein Skandal: „Wenn es bei der Gasumlage völlig egal ist, ob Unternehmen Gewinne machen oder notleidend sind, dann handelt es sich faktisch um Enteignung der Bevölkerung“, sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch dem Tagesspiegel. Die Gasumlage sollte für profitable Unternehmen gesperrt werden, fordert er. Auch der energiepolitische Sprecher der Union, Jens Spahn, übte Kritik: „Selbst der Bundeskanzler und der Finanzminister scheinen bei der Chaosumlage den Durchblick verloren zu haben.“

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Doch der Unmut wird auch in den eigenen Reihen laut. „Die Gasumlage war von Anfang an eine schlechte Idee“, sagte die Sprecherin der Grünen Jugend, Sarah Lee Heinrich, dem Tagesspiegel. Die unabhängige Jugendorganisation der Grünen, aber auch Teile von Union und Linken, hatten sich in der Vergangenheit für einen Energiepreisdeckel ausgesprochen. „Das ist weiterhin der beste Weg, um durch den Winter zu kommen“, sagte Heinrich.

Das Konzept sieht vor, dass ein Gas-Grundbedarf für die Haushalte definiert wird, der zum alten Marktpreis bezahlt wird. Der Verbrauch, der über dem Grundbedarf liegt, müsste dann zu den deutlich höheren Marktpreisen bezahlt werden. Das Modell war auch von Ökonomen eingebracht worden, da es sowohl eine soziale Komponente, als auch einen Sparanreiz über die Preise verfolgt.

Finanzieren müssten die Mehrkosten für den Gas-Grundbedarf der Bundeshaushalt, forderte die Sprecherin der Grünen Jugend. „Es ist vollkommen unverständlich, warum die Regierung einerseits mal eben mit einem Fingerschnippen 100 Milliarden für das Militär locker machen kann, dann aber andererseits sagt, dass für die Menschen kaum Geld da sei“, sagte Heinrich, die die Koalition in der Verantwortung sieht.

„Eine Regierung muss zuallererst für die vielen Menschen da sein, die nicht wissen, wie sie durch den Winter kommen sollen – da setzt die Ampel mit der Gasumlage aber gerade völlig falsche Prioritäten“, kritisierte Heinrich, die Verständnis für einen möglichen heißen Herbst mit Demonstrationen äußerte. „Die Belastungen durch die Energiekrise sind Zündstoff für unsere Demokratie. Wenn die Ampel es nicht von sich aus schafft, ein echtes Entlastungspaket zu schnüren, dann wird es Zeit, den Druck zu organisieren, auch auf der Straße.“

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