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Über den Wolken: Windräder auf dem Hunsrück.

© dpa

Energiepolitik: Stromkunden entlasten, Klimaverschmutzer belasten

Je mehr Strom durch erneuerbare Energien produziert wird, desto teurer wird er für den normalen Verbraucher. Es müsste umgekehrt sein. Ein Gastbeitrag von SPD-Politiker Matthias Miersch.

Deutschland im Jahr 2018: Es ist bislang das wärmste und niederschlagsärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor über 130 Jahren. Dürre, heftige Gewitter, zerstörerische Stürme und Überflutungen - extreme Wetterereignisse häufen sich, und für alle wird spürbar, der Klimawandel hat längst begonnen.

2019 muss für uns das Jahr sein, in dem wir gemeinsam die Energie- und Klimapolitik in den Vordergrund rücken. Das übergeordnete Ziel: Wir wollen bis 2050 in Deutschland treibhausgasneutral produzieren und leben. Das heißt ganz konkret: Wir müssen uns von den Energieträgern Kohle, Erdöl und Erdgas verabschieden. Es gilt jetzt in der verbleibenden Zeit, den Ausstieg wirtschaftlich erfolgreich und ohne Strukturbrüche zu gestalten.

Erste wichtige klimapolitische Schritte haben wir bereits auf den Weg gebracht. Der Kohleausstieg: Es wird von der Politik zu Recht erwartet, nicht über die Köpfe der Menschen hinweg zu entscheiden und alle betroffenen gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen. Deshalb haben wir alle an einen Tisch gesetzt und die Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung gegründet. Sie soll der Politik einen konkreten Ausstiegspfad einschließlich eines Ausstiegsdatums vorschlagen. Ziel ist es, den Ausstieg aus der Kohle so zu gestalten, dass die dort lebenden und arbeitenden Menschen eine Perspektive haben.

Das Klimaschutzgesetz kommt bis Ende 2019, und das sind keine lapidaren Vereinbarungen

Nächstes Beispiel: Die Windkraft und Photovoltaik. Zusammen mit Stephan Weil habe ich schon in den Koalitionsverhandlungen darauf bestanden, den Ausbau der Erneuerbaren Energien mit Sonderausschreibungen erheblich zu fördern. Nach langen und zähen Verhandlungen mit der Union in den letzten Wochen konnten wir endlich einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Mit den Sonderausschreibungen kann im kommenden Jahr begonnen werden.

Was kommt noch? Bis Ende 2019 erarbeiten wir ein Klimaschutzgesetz. Damit einigen wir uns auf klare gesetzliche Regeln, um zunächst die Klimaziele für 2030 verlässlich zu erreichen. Es geht hier keinesfalls um lapidare Vereinbarungen. Wenn Deutschland die Klimaziele verfehlt, müssen wir mit bis zu 60 Milliarden Euro anderen EU-Mitgliedsstaaten Emissionsquoten abkaufen. Diese 60 Milliarden Euro sollten nicht ins Ausland abfließen, sondern bei uns für Investitionen in den Klimaschutz genutzt werden.

Mit dem Gesetz machen wir das Erreichen der Klimaziele erstmals gesetzlich verbindlich. Jeder Minister ist in seinem Bereich gefordert. Insbesondere im Verkehrs- und Gebäudebereich stehen wir vor großen Herausforderungen. Und Wirtschaftsminister Altmaier muss endlich konkrete Vorschläge machen, wie er den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent erhöhen will. Gegenwärtig ist die Förderung der Fotovoltaik auf 52 Gigawatt gedeckelt. Dieser Deckel ist absurd und gehört abgeschafft.

Schon jetzt arbeiten 330 000 Menschen im Bereich der Erneuerbaren Energien

Außerdem müssen wir aufhören, in erster Linie die Stromkunden mit den Kosten der Energiewende zu belasten. Den Vorschlag von Umweltministerin Svenja Schulze, eine CO2-Bepreisung einzuführen, unterstütze ich ausdrücklich. Sie wäre der richtige Hebel für eine gerechtere Verteilung der Energiewendekosten. Heute ist es so: Je mehr Strom durch erneuerbare Energien produziert wird, desto teurer wird der Strom für den normalen Verbraucher. Dabei muss es umgekehrt sein: Es bezahlt, wer klimaschädliches CO2 emittiert. Es ist deshalb an der Zeit, im Energiebereich das System aus Abgaben, Umlagen und Steuern insgesamt auf den Prüfstand zu stellen und an die Erfordernisse der Energiewende anzupassen. Dabei geht es nicht um zusätzliche Einnahmen des Staates, sondern um eine Entlastung der Stromkunden.

Viel Arbeit liegt vor uns. Ich bin überzeugt, dass sie sich lohnt. Wir Sozialdemokraten denken Klima und Arbeit zusammen. Schon jetzt arbeiten 330 000 Menschen im Bereich der Erneuerbaren Energien. Wir brauchen ein staatliches Milliardeninvestitionsprogramm für die ökologisch-soziale Transformation. Dann kriegen wir beides hin: gesellschaftlichen und ökologischen Fortschritt.

- Matthias Miersch ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied in den Ausschüssen für „Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit“ sowie für „Wirtschaft und Energie“

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