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Bürgerforum im Ewerk in Mitte: Michael Müller versucht mit einer Rede, die anwesenden Teilnehmer für die Olympia-Bewerbung zu begeistern.

© Gregor Fischer/dpa/picture alliance

Bilanz zum Regierenden Bürgermeister von Berlin: Ende des Trainings für Michael Müller

Vor Michael Müller stehen die großen Aufgaben BER und Olympia – da darf man sich nicht klein machen. Überraschend ist dennoch, wie schnell Empfindsamkeit Empfindlichkeit gewichen ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Nun ist er noch keine 100 Tage im Amt, aber die Herausforderungen wachsen. Michael Müller, der Regierende, erfährt täglich mehr, was Helmut Kohl, der deutsche Rekordhalter im Regieren, mal so beschrieb: „Wenn du da oben bist, dann geht es dir wie dem Wetterhahn auf dem Kirchturm – jeder Wind weht dich an.“ Ja, das kann man wohl sagen. Und Berlin ist ganz schön stürmisch.

Zwei Stichworte sind allein schon geeignet, Wind zu machen: BER und Olympia. Von lokalen Problemen wie, sagen wir, der Verkehrslenkung abgesehen. Der BER, der Flughafen, der sich nur zu einem entwickelt, zum Fluchhafen, ist längst nicht mehr das Problem des Klaus Wowereit, sondern inzwischen das des Michael Müller. Und all die Jahre des Quasi-Trainings für das höchste Amt, die Jahre als SPD-Chef, SPD-Fraktionschef, SPD-Multisenator für Stadtentwicklung, zu der das Bauen gehört, haben Müller gewiss nicht vorbereitet auf das, was los ist, wenn auf dem BER nichts los ist. Oder der Teufel: Aufsichtsrat, Geschäftsführung, Gesellschafter, alles Baustellen. Da kann man sich durchaus auch verirren.

Der Zauber des Anfangs

Erst recht, wenn der, mit dem man sich durchschlagen will, wenn sich der Kollege Regierender von Brandenburg gewissermaßen vom Acker macht. Und statt selbst die Sache in die Hand zu nehmen den Fall delegiert. Was aus Gründen des politischen Selbstschutzes nachvollziehbar ist, nicht aber nach den Grundsätzen der politischen Führung. Und weil sich Dietmar Woidke nicht die Finger schmutzig machen will, will es Michael Müller – der anfangs ganz anders, richtig klang – auch nicht mehr. Schade.

Aber das war der Anfang, dem bekanntlich immer ein Zauber innewohnt. Bis er verfliegt. Nicht dass Müller das nicht wüsste, dazu ist er zu sehr Profi. Überraschend ist dennoch, wie schnell Empfindsamkeit Empfindlichkeit gewichen ist – zu schnell. Dünnhäutig nennen ihn auch die, die ihn mögen. Und das sind ja nicht wenige. Bloß darf das politische Entscheidungen nicht diktieren.

Hamburg ist großes Karo

Womit wir beim Thema Olympia wären. Müller muss, wenn er das will, wirklich will, ein großes Projekt stemmen. Geradezu klassisch: für die Polis in der Agora um Gefolgschaft werben. Nicht einfach, das. Schon gar, wenn auf der anderen Seite einer steht, der seine Leute zusammenhat, die ihm den Wind machen, in dem er segelt: Olaf Scholz, der Hamburg regiert. Und wie. Unangefochten. Wer gegen Scholz bestehen will, der darf sich nicht an Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten aufhalten. Oder anders: Hamburg ist großes Karo. Da hilft kein kleines oder eines, das noch kleiner wird.

Beim Großen überzeugen, darum geht es jetzt. Noch sind die 100 Tage nicht erreicht. Noch ist alles möglich. Auch bei Olympia, auch beim BER. Müller kann das Ruder herumreißen. Wie? Zur Politik gehört Kritikfähigkeit – mitsamt der Fähigkeit zur Selbstkritik. „Eine freimütige Selbstkritik entwaffnet jede fremde“, wusste ein früherer Senator. Der war allerdings ein Römer.

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