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Rentnerdemo in Deutschland. Treten ältere Menschen vornehmlich für ihre eigenen Interessen ein?

© dpa/Stephanie Pilick

Ende der Rente mit 63?: Heil will von Expertenvorschlag nichts wissen

Ein Wissenschaftlerbeirat der Regierung verlangt Einschnitte beim früheren Rentenbezug. Der Sozialminister will dagegen keine Änderung beim Eintrittsalter.

Soll die Rente mit 63 wieder abgeschafft werden? Ein Brief des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium hat für Aufregung gesorgt – denn dort wird diese Forderung erhoben. Und zwar ausdrücklich mit Bezug auf die anstehenden Koalitionsgespräche für das geplante Rentenpaket.

Das Gremium – es besteht weitgehend aus Ökonomen – fordert Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf, mehrere Punkte in diese Gespräche einzubringen. Der politisch wohl brisanteste ist das Ende oder zumindest die Beschränkung der vorgezogenen Rente schon mit 63 Jahren.

Bei Sozialminister Hubertus Heil (SPD) kommt das allerdings nicht gut an. Laut einer Sprecherin des Ministeriums sind Änderungen des Renteneintrittsalters „kein Bestandteil der rentenpolitischen Vorhaben der derzeitigen Regierungskoalition“. Heil würde also wohl, sollten von FDP oder Grünen solche Forderungen unterstützt werden, ein entsprechendes Veto einlegen.

Möglich nach 35 Beitragsjahren

Der für die gesetzliche Rentenversicherung zuständige Sozialminister hält Rentenkürzungen für Menschen mit vielen Beitragsjahren für leistungsfeindlich und unfair – und ein Ende der Rente mit 63 träfe jene, die mindestens 35 Jahre Beiträge gezahlt und Ansprüche gesammelt haben.

Unterstützung erhält Heil von seiner Parteifreundin Tanja Machalet, rentenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: „Bei der Rente geht es vor allem um den Respekt gegenüber der erbrachten Lebensleistung“, sagt sie. Bei allen Diskussionen über das Renteneintrittsalter müsse es in erster Linie darum gehen, dafür zu sorgen, dass Menschen das reguläre Renteneintrittsalter überhaupt erreichen. „Dazu braucht es gute und gesunde Arbeitsbedingungen nach dem Postulat ‘Prävention vor Reha vor Rente’“, so Machalet.

In dem Brief des Beirats wird darauf hingewiesen, dass schon jetzt die Mehrheit der Renteneintritte vor dem regulären Eintrittsalter erfolgt, das in den kommenden Jahren auf 67 Jahre steigt. Jede dritte Rentenphase beginnt demnach mittlerweile mit 63. „Entgegen landläufiger Vorstellung“, so das Schreiben, werde die Rente mit 63 „überwiegend von gut ausgebildeten, überdurchschnittlich verdienenden und gesünderen Menschen in Anspruch genommen“.

Der frühe Renteneintritt ist attraktiv

Damit ist der Hintergrund der Forderung klar: Es geht um den Fachkräftemangel. Ähnlich wie der Ökonomen-Beirat plädieren auch die Arbeitgeberverbände schon länger für eine Änderung der Regeln für den Zugang zur Rente mit 63. Im Mai hatte auch CDU-Vize Jens Spahn deren Ende gefordert – und deren Ersatz durch eine „bessere Erwerbsminderungsrente“. In diese Richtung zielt auch der Beirat: Ein früherer Renteneintritt solle allenfalls denen zugestanden werden, „die gesundheitlich und/oder einkommensmäßig weniger privilegiert sind“.

Die schwarz-rote Koalition hat den früheren Renteneintritt zuletzt attraktiver gemacht, indem sie zum 1. Januar 2023 die Zuverdienstgrenze aufgehoben hat. Seither können Frührentner unbegrenzt hinzuverdienen und auch eine feste Arbeit annehmen oder fortführen. Zudem ist es weiterhin möglich, durch Zusatzbeiträge den Rentenabschlag, der mit einem vorzeitigen Renteneintritt verbunden ist, ganz oder teilweise auszugleichen.

Eine späte Rente bedeutet für viele Beschäftigte einen frühen Tod.

Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, lehnt die Forderung strikt ab.

Vorsichtig äußerte sich der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben. „Wir erkennen, dass wir die Kenntnisse und Erfahrungen älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin benötigen – auch nach ihrem 63. oder 67. Geburtstag“, sagte er dem Tagesspiegel. „Daher ist es unsere Aufgabe, sie zu motivieren, länger zu arbeiten. Entscheidend ist dafür, die Arbeitsbedingungen weiter zu flexibilisieren und auf die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker einzugehen.“

Der DGB ist dagegen

Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, hält wenig vom „Lied vom drohenden Kollaps der Rentenversicherung“. Sie sagte dem Tagesspiegel: „Eine späte Rente bedeutet für viele Beschäftigte einen frühen Tod. Wer Jahrzehnte lang hart arbeitet, hat eine deutlich geringere Chance, gesund ein hohes Lebensalter zu erreichen.“ Das gelte vor allem für belastende Tätigkeiten. „Dazu muss sich bekennen, wer Forderungen nach einem höheren Rentenalter immer wieder in den Raum stellt.“

Zwei weitere Forderungen stellt der Beirat in seinem Schreiben auf. Zum einen plädiert er dafür, das geplante Mindestsicherungsniveau bei der Rente nicht auf alle Einkommensgruppen anzuwenden – weil es sonst nicht finanzierbar sei.

Zum anderen hat er Bedenken bei der vor allem von der FDP gewünschten kapitalgedeckten Altersvorsorge, vormals „Aktienrente“ genannt, neuerdings „Generationenkapital“. Hier schlägt der Beirat vor, das bestehende System der Betriebsrenten zu stärken, statt über viele Jahre hinweg einen öffentlichen Fonds aufzubauen.

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