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Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron verschärft seinen Kurs in der Einwanderungspolitik.

© Ludovic Marin/AFP

Frankreichs Präsident Macron: Eine Dosis Populismus gegen die Populisten

Schon jetzt wirft die nächste Präsidentschaftswahl für Frankreichs Staatschef Macron ihre Schatten voraus. Das zeigt sich in der Einwanderungspolitik.

Vor einem Monat schlugen mehr als 100 Flüchtlinge aus dem Sudan, Afghanistan, Nigeria, Georgien und dem Maghreb in Paris mitten im beliebten Parc de la Villette ihre Zelte auf. Die öffentlichkeitswirksame Aktion in dem Park, in dem sich zahlreiche Kultureinrichtungen befinden, hatte vor allem ein Ziel: Die Migranten wollten damit ihrer Forderung nach einer festen Bleibe Nachdruck verleihen. Es dauerte kaum eine Woche, bis die Zeltstadt wieder geräumt wurde. Die Flüchtlinge, deren Asylanträge in zahlreichen Fällen zuvor abgelehnt worden waren, wurden mit Bussen in Notunterkünfte gebracht.

Es geht um Flüchtlinge wie die Frauen, Männer und Kinder im Parc de la Villette, die Emmanuel Macron in dieser Woche in einem Interview mit dem Radiosender „Europe 1“ im Auge hatte. „Frankreich kann nicht die ganze Welt aufnehmen, wenn es eine gute Aufnahme bieten will“, sagte Frankreichs Staatschef. Der Satz spiegelt Macrons Credo bei der Einwanderungspolitik wider: Flüchtlinge, die einen Anspruch auf Asyl haben, sollen schneller und besser mithilfe von Sprachkursen und einer Unterstützung bei der Jobsuche integriert werden. Illegale Migranten sollen hingegen schneller abgeschoben werden.

Es ist kein Zufall, dass Macron die Einwanderungspolitik in diesen Tagen wieder stärker in den Vordergrund rückt. In der zweiten Hälfte seiner fünfjährigen Amtszeit, die demnächst beginnt, will er keinesfalls seiner Erzrivalin Marine Le Pen das Feld überlassen. 2022, bei der nächsten Präsidentschaftswahl, könnte es zu einer Neuauflage des Duells zwischen Macron und Le Pen, der Chefin des rechtsextremen Rassemblement National (RN), kommen. Vor allem beim Thema der Migration will sich der Präsident dabei keine Blöße geben.

„Wir sind einfach nur zu lax"

Einen Vorgeschmack lieferte der Staatschef bereits in der vergangenen Woche. Vor Abgeordneten der Regierungsmehrheit und Kabinettsmitgliedern sagte er mit Blick auf die Migrationspolitik: „Wenn wir vorgeben, humanistisch zu sein, sind wir gelegentlich einfach nur zu lax.“ Macron steht offensichtlich immer noch unter dem Eindruck der Gelbwesten-Proteste, die vor allem von den sozial Benachteiligten abseits der großen Metropolen getragen waren. Denn bei einer Regierungsklausur Anfang September hatte er auch erklärt, dass Kriminalitätsbekämpfung, Einbrüche oder die illegale Einwanderung sehr wohl ein Thema für die Menschen in sozialen Brennpunkten darstellten. Gutsituierte Bürger würden davon nichts mitbekommen, hatte Macron hinzugefügt.

Damit griff er einen Gedanken des Pariser Geographen Christophe Guilluy auf, der bereits vor dem Beginn der Gelbwesten-Proteste erklärt hatte, dass Geringverdiener von Einwanderung ganz anders betroffen seien, weil sie im Zweifelsfall nicht einfach aus ihrem angestammten Viertel wegziehen können. „Wer über ein Monatseinkommen von 1000 Euro verfügt, für den ist Multikulturalismus nicht dasselbe wie für jemanden, der 5000 oder 10.000 Euro verdient“, so Guilluy. Der Sozialanalyst steht den Sozialisten nahe. Kritiker werfen ihm allerdings vor, mit seinen Äußerungen das Geschäft der Rechtsextremen zu betreiben.

In Macrons Umfeld ist man überzeugt: Populisten verschwinden nicht wieder

Im Umkreis von Macron ist man indes überzeugt, dass die Tage, in denen die westlichen Demokratien von den Volksparteien alter Prägung dominiert wurden, unwiederbringlich gezählt sind. Nach der Lesart der Macron-Vertrauten ist im digitalen Zeitalter nicht damit zu rechnen, dass Populisten vom Schlag des US-Präsidenten Donald Trump oder der RN-Chefin Marine Le Pen irgendwann wieder von der Bühne verschwinden. Mit anderen Worten: Der Anti-Populist Macron, der beim Präsidentschaftswahlkampf 2017 Marine Le Pen aus dem Feld geschlagen hatte, nutzt für seine Zwecke selbst eine Dosis Populismus.

Denn in der Sache hat sich die Lage seit der Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 wieder beruhigt. Macron selbst gab vor den Abgeordneten der eigenen Regierungsfraktion zu: „Der Flüchtlingsstrom nach Europa war niemals so niedrig.“ Tatsächlich registrierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex in den ersten acht Monaten dieses Jahres 68.700 Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kamen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Rückgang um 26 Prozent. Sorgen bereitet Macron allerdings die Tatsache, dass entgegen diesem Trend die Zahl der in Frankreich gestellten Asylanträge beständig steigt. Nach Angaben der französischen Asyl- und Migrationsbehörde (OFPRA) wurden im vergangenen Jahr 123.625 Asylanträge gestellt. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg um 23 Prozent. Vor allem die Zahl der Asylbewerber aus Afghanistan, Georgien, Mali und Guinea hat zugenommen.

Zickzack-Kurs des Präsidenten

Macrons Linie in der Einwanderungspolitik gleicht einem Zickzack-Kurs. Im Wahlkampf hatte er noch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Aufnahme von Flüchtlingen im großen Stil in den Jahren 2015 und 2016 gelobt. Zwei Monate nach seiner Wahl zum Präsidenten forderte er dann in einer Rede in Orléans, dass die Asylverfahren einerseits beschleunigt, Migranten ohne Asylanspruch aber rascher abgeschoben werden müssten.

Nachdem es um das Thema in Frankreich zwei Jahre lang relativ still war, knüpft der Staatschef nun wieder an seine Forderungen von Orléans an. Demnächst soll nach seinem Willen in der Nationalversammlung eine große Debatte zur Einwanderung stattfinden. Welche Punkte ihm dabei besonders wichtig sind, hat Macron im Interview mit dem Sender „Europe 1“ bereits vorab deutlich gemacht: eine „effizientere“ Abschiebung nicht asylberechtigter Migranten, die Ausarbeitung gemeinsamer Standards bei der Gewährung von Asyl in der EU und eine Überarbeitung des so genannten Dublin-Systems, das in der Europäischen Union vor allem den Mittelmeer-Anrainern die Hauptlast in der Migrationspolitik aufbürdet.

Streit um kostenlose Gesundheitsversorgung

Brisant sind schließlich Macrons Überlegungen zum Leistungskatalog der kostenlosen Gesundheitsversorgung, den illegale Migranten in Frankreich in Anspruch nehmen können. Zwar will sich der Staatschef die Argumentation des Rassemblement National und der konservativen Republikaner, der zufolge der staatliche Leistungskatalog zum Magneten für illegale Migration nach Frankreich geworden sei, nicht zu Eigen machen. Dennoch müsse man aber den Leistungskatalog für illegale Migranten „evaluieren“, so Macron.

Kommunalwahlen im März

Spätestens im März wird sich zeigen, was die Wähler vom verschärften Kurs des Staatschefs in der Einwanderungspolitik halten. Dann stehen in Frankreich Kommunalwahlen an – und ein weiteres Aufeinandertreffen zwischen Macrons Partei „La République en Marche“ und dem „Rassemblement National“.

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