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Gebannt verfolgen viele Russen - wie hier in Moskau - den Umtauschkurs des Rubel.

© Sergei Karpukhin/Reuters

Russland: Der Rubel legt zu: Ein unglaubliches Comeback

Lange Zeit war er als Währung abgeschrieben. Nun legte der Rubel trotz der Sanktionen gegen Russland seit Januar um 31 Prozent gegenüber dem Euro zu. Und selbst westliche Kenner der Materie trauen ihm noch mehr zu.

Die eher zierliche Zentralbankchefin Elvira Nabiullina wuchs förmlich um ein paar Zentimeter, als sie vor laufender Kamera des russischen Staatsfernsehens über die Entwicklung der Wechselkurse referierte. Kannte der Rubel seit Mitte letzten Jahres nur noch eine Tendenz – steil abwärts –, hat sich der Wind trotz anhaltend niedriger Ölpreise und westlicher Sanktionen seit ein paar Wochen um 180 Grad gedreht. Allein gegenüber dem Dollar, in Russland nach wie vor heimliche Leitwährung, hat der Rubel seit Jahresbeginn um 16 Prozent an Wert gewonnen, beim Euro sind es sogar stolze 31 Prozent. Richtig in Fahrt kam der „Holz-Chip“, wie selbst Patrioten die Landeswährung gern schmähen, in den letzten sieben Börsentagen. Sollten akute Brandherde wie die Ukraine-Krise und ein neuerlicher Absturz der Ölpreise nicht für neue Turbulenzen sorgen, werde die gute Stimmung, die inzwischen auch auf die Wertentwicklung russischer Unternehmen durchschlug, weiter anhalten, glauben selbst westliche Kenner der Materie.

Seit Ende Januar legte der RTS Leitindex um 35 Prozent zu. Renditen für Staatsanleihen mit 30-jähriger Laufzeit dagegen haben sich im gleichen Zeitraum fast halbiert. Obwohl internationale Ranking-Agenturen wie Moody's oder Standard & Poor's sie kurz zuvor als hoch spekulativ auf Ramschniveau herabgestuft hatten. Rentenfonds und andere konservative Anleger stimmten mit den Füßen ab. Und heizten damit die ohnehin dramatische Kapitalflucht weiter an. Viele kehren jetzt zurück.

Das letzte Mal berappelte sich der Rubel mit vergleichbarer Dynamik nach dem Banken- und Finanzcrash 1998, bei dem Russland nur knapp an einem Staatsbankrott vorbeischrammte. Nur gut ein Jahr später setzten Oligarchen den politisch wie gesundheitlich schwer angeschlagenen Boris Jelzin aufs Altenteil und für ihn Wladimir Putin ein, danach ging es voran. Auch mit Währung und Wirtschaft. Die Erfolgsstory werde sich jetzt wiederholen, glaubt Zentralbankchefin Nabiullina. Die Zentralbank habe im Wesentlichen alles richtig gemacht. Dennoch erklären sogar Teile der Ministerriege, darunter Russlands oberster Kassenwart Anton Siluanow, die Währungshüter hätten auf dem Höhepunkt der Krise im Herbst 2014 nicht agiert, sondern nur reagiert. Weltweit hätten Spekulanten gegen den Rubel wetten können.

Und die von den Zockern ausgehenden Gefahren sind keineswegs gebannt. Auch die Wiederauferstehung des Rubels geht aus Sicht mancher Experten auf ihr Konto. Sie hatten, als der Dollar 60 Rubel kostete, auf dessen weiteren Kursverfall gesetzt und auf apokalyptische Szenarien, die offensichtlich überzogen waren. Womöglich hatten sie auch den Einfluss der Politik auf die Ökonomie unterschätzt. Putin, der nach wie vor Zustimmungsraten von über 80 Prozent einfährt, hatte die Nation gewarnt, ihre Rubelkonten zu plündern und den Notgroschen in „vermeintlich härtere Währungen“ umzutauschen. Auch hält sich bei den Menschen der Frust über die Folgen westlicher Sanktionen und russischer Gegensanktionen in Grenzen, wie Umfragen immer wieder zeigen. Das Vertrauen in Putin habe sich in Vertrauen in den Rubel konvertiert, glauben Analysten.

Die Kehrseite der Medaille: Jetzt, wo der Dollar nur noch 51 Rubel kostet, müssen Zocker sich mit Russlands Währung eindecken. Deren Kurs steigt daher weiter. Das böse Erwachen könnte eine reine Zeitfrage sein. Denn die Wirtschaftslage ist alles andere als rosig.

Allein für dieses Jahr befürchten sogar staatsnahe russische Experten ein Schrumpfen der Wirtschaft um 4,6 Prozent. Licht am Ende des Tunnels sehen Zentralbankchefin Nabiullina und Wirtschaftsminister Alexei Uljukajew frühestens 2017. Vorausgesetzt, der Ölpreis steigt bis dahin auch signifikant.

Nun will Moskau russischen Unternehmen, denen durch die Sanktionen der Zugang zu westlichen Finanzmärkten weitestgehend versperrt ist, mit neuen Darlehen helfen. Doch kritische Experten warnen: Die neue Kreditlinie würde die ohnehin geringe Bereitschaft der Eliten zu Strukturreformen senken, mit denen Russland sich vom Rohstoffexporteur zur Hightech-Nation mausern soll.

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