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Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Blick in ein Wahllokal im Dorf Kosmach

© Reuters/Kacper Pempel

Update

Präsidentenwahl in der Ukraine: Ein Spaßmacher gegen Oligarch und Gasprinzessin

44 Kandidaten wollen das Präsidentenamt der Ukraine. Nur drei haben jedoch wirklich Chancen. Die Entscheidung dürfte erst eine Stichwahl bringen.

Unter großen Sicherheitsvorkehrungen ist die Präsidentenwahl in der nach Westen strebenden Ukraine angelaufen. Die Wahlleitung in Kiew sprach von einem weitgehend störungsfreien Start der Abstimmung in den rund 30.000 Wahllokalen. Zehntausende Einsatzkräfte im ganzen Land sorgten bei schönen Frühlingswetter für einen ruhigen Ablauf. Die Beteiligung entwickelte sich rege. Bis 15.00 Uhr Ortszeit hätten landesweit rund 45 Prozent der Wähler abgestimmt, teilte die Wahlleitung mit.

Erste Angaben zu Nachwahlbefragungen werden unmittelbar nach Schließung der Wahllokale ab 19.00 Uhr MESZ erwartet.

Rund 30 Millionen Ukrainer sind wahlberechtigt, unter den insgesamt 39 Kandidaten ihr Staatsoberhaupt zu bestimmen. Noch nie in der Geschichte des osteuropäischen Landes gab es so viele Kandidaten. Der überlange Stimmzettel von 80 Zentimetern bereitet vielen Wählern jedoch Probleme. Vor allem ältere Menschen kämpften mit dem Wahlzettel, bis er in der Urne landete, berichtete ein dpa-Reporter.

Spannend wird sein, wie der politische Quereinsteiger, Schauspieler und Komiker Wladimir Selenski bei der Wahl in dem kriegsgebeutelten Land abschneiden wird. In Umfragen hat der 41-Jährige seit Wochen einen deutlichen Vorsprung auf Amtsinhaber Petro Poroschenko und Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Den 36 weiteren Bewerbern werden keine Chancen eingeräumt. Eine Stichwahl unter den zwei Stimmenstärksten soll in wenigen Wochen stattfinden, wenn keiner der Kandidaten die eindeutige Mehrheit für sich beanspruchen kann.

Die drei Favoriten im Überblick:

Wladimir Selenski.

© Ukrinform,dpa

Wolodymir Selenski

Der 41-jährige wäre nicht der erste Schauspieler, dem eine Karriere als Politiker gelingt. Aber es ist schon außergewöhnlich, dass jemand versucht, direkt aus der Fiktion in die Wirklichkeit zu springen. Selenski liegt in den Umfragen vorn, seit er im Januar seine Ambitionen auf das Präsidentenamt bekanntgab. Das zeigt, wie tief in der Ukraine die Enttäuschung über die politischen Eliten ist. Und Selenski unternimmt alles, um sich von ihnen abzugrenzen. So gibt es auch keine traditionelle Wahlkampagne.

Der "Nominierungsparteitag" fand bei Pizza und Dosen-Cola in Selenskis TV-Studio statt. Die Sympathisanten verständigen sich über die sozialen Netzwerke. Sein Ziel sei die Entmachtung der Oligarchen und damit die Vollendung der Maidan-Revolution, gibt Selenski an. Doch nicht nur seine Widersacher sagen, dies sei ein Fake. Hinter dem Kandidaten stehe vielmehr der Oligarch Igor Kolomoiski, dem auch der TV-Sender gehöre, in dem Selenskis Serie produziert wird. Kolomoiski ist ein erbitterter Widersacher des gegenwärtigen Präsidenten Petro Poroschenko. Die Umfragen zeigen, dass vor allem die Jungen, vor allem die Erstwähler, Selenski wählen. Das ist seine Stärke und Schwäche zugleich, meinen die Soziologen. Diese Gruppe lasse sich leicht zum Protest mobiliseren, aber sie sei unbeständig in ihrer Aktivität. Ob es Selenski gelinge, die Jugend für zwei Wahlgänge zu mobilisieren, bezweifeln viele.

Petro Poroschenko.

© Efrem Lukatsky, dpa

Petro Poroschenko

Noch vor wenigen Wochen galt der ukrainische Präsident als der sichere Verlierer der Wahl. Zu viele Versprechen hat er in den letzten fünf Jahren nicht eingehalten oder durch den russischen Krieg gegen die Ukraine nicht einhalten können. Vor allem hat er in den Augen vieler das wichtigste Ziel der Maidan-Revolution verraten: Die Demonstranten waren im Winter 2013/14 angetreten, die Macht der ukrainischen Oligarchen zu brechen und den Weg in die EU freizumachen. Der Oligarch Poroschenko hatte damals versprochen, sich von seinem Schokoladen-Imperium zu trennen, doch Taten folgten nie. Auch keiner der anderen Oligarchen hat etwas von seiner Macht verloren - wenn er nicht auf pro-russischer Seite steht. Auch von der EU ist die Ukraine heute eher weiter entfernt als vor fünf Jahren. Das ist inzwischen aber in den Hintergrund getreten. Poroschenko hat sein Thema gefunden und er legt in den Umfragen kontinuierlich zu. Der Präsident inszeniert sich als Super-Patriot. Seine größten Kontrahenten seien nicht die anderen Kandidaten, sagte er dieser Tage, sein größter Kontrahent heiße Wladimir Putin. Das ist im Vergleich zur Präsidentenwahl eine Wende um 180 Grad. Damals hatte Poroschenko war Poroschenko mit der Ankündigung aufgetreten, er werde eine Verständigung mit Putin suchen. Jetzt spielt er konsequent die anti-russische Karte und hat damit sichtbar Erfolg.

Julia Timoschenko.

© Janos Nemes,dpa

Julia Timoschenko

Die "Gasprinzessin", die Heldin der Revolution in Orange von 2004/2005, die unter der Präsidentschaft von Viktor Janukowitsch lange im Gefängnis saß, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Lange hat sie in den Umfragen mit großem Abstand vorn gelegen, doch jetzt sieht es so aus, als würde sie nicht einmal den zweiten Wahlgang erreichen. Kritiker meinen, sie selbst trage dafür die Schuld. Sie habe ihren Wahlkampf viel zu früh begonnen - schon Ende letzten Jahres und sie habe nicht die richtigen Themen gefunden. Timoschenko versprach beispielsweise, die Gaspreise für die Bevölkerung zu halbieren. Sie allein sei in der Lage, sich mit Russland darüber zu verständigen. Auch das ist eine Kehrtwende. Vor fünf Jahren war Timoschenko die Superpatriotin. Jetzt ist ihre Position beinahe schon pro-russisch. Auf jeden Fall ist sie anti-europäisch: Timoschenko wirft der EU vor, ihre Hilfsversprechen für die Ukraine nicht einzulösen. Nicht ganz zu Unrecht - aber die Kritik an Brüssel bringt ihr keine Stimmen. Ebensowenig Zugkraft hat die Forderung nach einer Verfassungsreform, die einen Wandel der Ukraine von der Präsidial-Demokratie zu einem Land mit einer starken Regierung vorsieht. Das interessiert die Wähler nicht. Was ein spezielles Licht auf diese Wahl wirft: Timoschenko soll offensichtlich auch durch Tricks um ihre Chancen gebracht werden. Unmittelbar neben ihr auf dem Wahlzettel steht ein gewisser Juri Timoschenko, den eigentlich niemand kennt. Aber sowohl der Anfangsbuchstabe des Vornamens und der Familienname können leicht zu Verwechslungen bei denen führen, die einfach mal schnell ihr Kreuz machen. Juli Timoschenko hat vorsorglich schon einmal angekündigt, sie werde auf Wahlfälschung klagen, wenn sie den zweiten Wahlgang nicht erreiche.

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