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Der britische Premier Boris Johnson.

© REUTERS

Leerlauf bei Post-Brexit-Verhandlungen: Ein „No Deal 2.0“ wäre für Großbritannien verheerend

Die Gespräche über die Beziehungen zwischen London und Brüssel kommen nicht voran. Der britische Premier Johnson betreibt ein gefährliches Spiel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Der britische Premier Boris Johnson hat eine desaströse Woche hinter sich. In Großbritannien hat ein  Skandal um die Uni-Zulassung von Schulabsolventen, bei der die Noten vorübergehend allein anhand eines nicht auf Chancengerechtigkeit ausgerichteten Computerprogramms ermittelt wurden, die Kompetenz der Regierung wieder einmal  in Frage gestellt. Johnson musste sich darauf konzentrieren, die Gemüter von Tausenden Eltern und Schülern auf der Insel wieder zu beruhigen.

Für den Brexit und dessen Folgen blieb da in Johnsons Terminkalender nicht mehr viel Platz – und dies, obwohl in dieser Woche erneut die Verhandler der EU und Großbritanniens in Brüssel versucht haben, einem Abkommen über ihre künftigen Handelsbeziehungen einen Schritt näher zu kommen. Doch auch die siebte Gesprächsrunde brachte keinen Fortschritt. Frustriert stellte der EU-Chefverhandler Michel Barnier fest, es habe beim Austausch mit seinem britischen Gegenüber David Frost zum Teil eher Rück- als Fortschritte gegeben.

Die EU will kein „Singapur an der Themse“

Je länger sich die Verhandlungen im Kreis drehen, umso deutlicher zeigt sich, dass Johnson keine echte Vorstellung von den künftigen Beziehungen zur EU hat. Bei der Unterhauswahl im vergangenen Dezember setzte er alles daran, die Weichen für den EU-Austritt Großbritanniens zu stellen. Das ist ihm gelungen.

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Doch nun stellt sich bei den Post-Brexit-Verhandlungen  eine Vielzahl von komplizierten Fragen –  von der Anerkennung europäischer Umweltstandards über das Wettbewerbsrecht bis zu einem Ausgleich der Interessen der europaweit verflochtenen Fischereiindustrie. Doch von derlei Details will Johnson erst einmal nichts wissen. Er spielt auf Zeit und setzt darauf, dass die EU am Ende im Streit um die künftigen Wettbewerbsregeln nachgibt und ein dereguliertes „Singapur an der Themse“ akzeptiert.

Doch der britische Premier sollte sich nicht täuschen. Der Wille der EU, vor Ende des Jahres zu einem Verhandlungsabschluss zu kommen, ist nicht unbegrenzt. Die Folgen eines „No Deal 2.0“ dürften dann zum Ablauf der Übergangsfrist vor allem in Großbritannien zu spüren sein, das  Corona-bedingt ohnehin schon mit dem schwersten Wirtschaftseinbruch in ganz Europa zu kämpfen hat.

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