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Jeder zweite ehrenamtliche Feuerwehrangehörige hat in einer Umfrage von Übergriffen bei Einsätzen in den vergangenen beiden Jahren berichtet.

© picture alliance/dpa/Carsten Koall

„Ein massives Problem“: Hälfte der freiwilligen Feuerwehrleute erlebt Gewalt im Einsatz

Nicht nur an Silvester: Gewalt gehört für Ehrenamtliche, die den allergrößten Teil der Kräfte stellen, zum Alltag. Dies zeigt eine Umfrage. Kritik gibt es an Polizei und Justiz.

Es sind erschreckende Zahlen: Jeder zweite ehrenamtliche Feuerwehrangehörige hat in einer Umfrage von Übergriffen bei Einsätzen in den vergangenen beiden Jahren berichtet. Meist geht es um Beschimpfungen und Bedrohungen, in manchen Fällen auch um tätliche Angriffe durch Menschen am Einsatzort, wie der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) am Donnerstag in Berlin mitteilten.

„Es handelt sich demnach um ein massives Problem.“ Mehr als 60 Prozent der Befragten hätten die meist unerwarteten Vorfälle als belastend empfunden. An der ersten bundesweiten Online-Umfrage dieser Art beteiligten sich den Angaben zufolge über 6.500 Feuerwehrleute

DFV-Präsident Karl-Heinz Banse erklärte, solche Übergriffe gebe es vor allem in Großstädten bereits seit vielen Jahren und nicht nur an Silvester. Neu seien aber das Ausmaß und die Form der Taten. Banse vermutet, dass die Bereitschaft dazu durch die Möglichkeit verstärkt werde, sie in den Sozialen Medien zu präsentieren.

Feuerwehrmitglieder sind bei ihrer freiwilligen Tätigkeit viel zu häufig psychischer Belastung durch Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt.

Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes

Von knapp 1,4 Millionen Feuerwehrleuten waren 2021 lediglich knapp 36.000 in Berufsfeuerwehren tätig. Der Präsident des Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse, sagte: „Feuerwehrmitglieder sind bei ihrer freiwilligen Tätigkeit viel zu häufig psychischer Belastung durch Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt.“ Banse weiter: „Die Zahl erlebter Gewaltvorfälle gegen Einsatzkräfte ist zu hoch – und mittlerweile trauriger Alltag.“

Er kritisierte eine mangelnde Bereitschaft der Justiz, solche Taten zu ahnden.  Rund drei Viertel der von Gewalt Betroffenen hätten angegeben, intern darüber informiert zu haben. Viele Feuerwehrleute erstatteten keine Anzeige bei der Polizei, weil sie nicht glaubten, dass ihr Anliegen ernst genommen werde.

Angriffe auf Einsatzkräfte seien aber auch Angriffe auf den Staat, betonte er. Skeptisch äußerte sich Banse zu Vorschlägen, die private Verwendung von Feuerwerkskörpern an Silvester generell zu untersagen. „Ein solches Verbot ist nur sehr schwer umsetzbar.“ Sinnvoller sei es, Menschen dazu zu bringen, ihre Feuerwerkskörper an zentralen Orten zu zünden.

Der Leiter des DFV-Fachausschusses Sozialwesen, Thomas Wittschurky, betonte, die Übergriffe gingen nach Erkenntnissen aus der Umfrage von Menschen „quer durch alle Schichten“ aus, nicht nur etwa von Migranten. Es seien meist Einzelpersonen, nur in wenigen Fällen seien dabei Alkohol oder weitere Drogen im Spiel.

Banse äußerte die Sorge, dass junge Einsatzkräfte angesichts dieser Entwicklung „die Motivation verlieren“ könnten. Derzeit engagierten sich rund 330.000 Jungen und Mädchen ehrenamtlich bei der Feuerwehr mit steigender Tendenz. Banse kündigte an, dass der DFV im kommenden Jahr eine weitere Umfrage unter Mitgliedern der Berufsfeuerwehr plane.

Gewaltakte gegen Einsatzkräfte seien kein normales Phänomen, das hingenommen werden müsse und könne, betonte der Hauptgeschäftsführer der Gesetzlichen Unfallversicherung, Stefan Hussy. „Sie demotivieren und frustrieren die Betroffenen. Das schadet dem Ehrenamt und damit letztlich der gesamten Gesellschaft“, sagte er bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin. Feuerwehrverband und Unfallversicherung appellierten „an alle Teile der Gesellschaft, Gewalt entschieden entgegenzutreten“.

Hussy erklärte, mit einer Kampagne unter dem Motto „#GewaltAngehen“ wolle der DGUV unter anderem an Schulen für mehr Respekt gegenüber Einsatzkräften werben. Der Schutz der Einsatzkräfte sei ein wichtiges Anliegen der Unfallversicherung. (dpa, AFP, KNA)

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