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Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach in Singapur mit dem chinesischen Verteidigungsminister General Li Shangfu (rechts).

© dpa/Britta Pedersen

Update

Ex-Piloten der Bundeswehr bilden in China aus: Pistorius fordert von Peking „unverzüglichen“ Stopp der Praxis

China hat indirekt Berichte bestätigt, dass pensionierte deutsche Offiziere im Land ihr Wissen vermitteln. Der Verteidigungsminister ermahnt nun seinen chinesischen Kollegen.

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Es ist ein überaus brisanter Vorgang für die Bundeswehr und die Nato – und China dementiert ihn nicht: Ehemalige Kampfpiloten aus Deutschland bilden offenbar seit Jahren in China Kampfjetbesatzungen aus. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat nun seinen chinesischen Amtskollegen Li Shangfu aufgefordert, das Ausbildungsprogramm mit Beteiligung ehemaliger deutscher Kampfpiloten zu stoppen.

„Ich habe deutlich gemacht, dass ich erwarte, dass diese Praxis unverzüglich beendet wird und habe ihm klargemacht, dass er sicherlich nicht amüsiert wäre, wenn ich das meinerseits probieren würde“, sagte Pistorius einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge am Samstag in Singapur nach einem Treffen mit dem chinesischen General. Dieser habe sehr verhalten reagiert. „Er hat es nicht bestritten, hat aber die Bedeutung relativiert aus seiner Perspektive“, sagte Pistorius.

Zuvor hatten der „Spiegel“ und das ZDF auf Grundlage gemeinsamer Recherchen berichtet, dass mindestens eine Handvoll früherer deutscher Luftwaffen-Offiziere als Trainer in China beschäftigt seien. Ihre Bezahlung lief demnach offenbar in mehreren Fällen über Briefkastenfirmen.

Wir haben die Sorge, dass Soldatinnen und Soldaten nach ihrer Beschäftigung für den deutschen Staat in Beschäftigungsverhältnisse geraten können, in denen sie Staatsgeheimnisse verraten.

Konstantin von Notz, Vorsitzender des Bundestags-Kontrollgremium zur Überwachung der Nachrichtendienste (PKGr)

Zudem sollen den Berichten zufolge einige von ihnen für das Unternehmen eines enttarnten chinesischen Spions arbeiten. Mehrere Piloten ließen Anfragen demnach unbeantwortet oder waren nicht erreichbar. Ein Flieger wies die Vorwürfe zurück.

Drei Männer, die die Medien nach eigenen Angaben ausfindig machten konnten, gründeten den Angaben zufolge nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr Beratungsfirmen auf den Seychellen. So stehe es in den „Panama Papers“ – einem Datenleak aus einer Anwaltskanzlei – spezialisiert auf Steuerspartricks und Briefkastenfirmen. Die „Panama Papers“ wurden einst der „Süddeutschen Zeitung“ zugespielt und liegen jetzt auch dem ZDF vor, so der Sender.

Über die Beratungsfirmen der Piloten im Steuerparadies flossen wohl großzügige Gehälter, so die Medien. Ein Motiv für einen Job in China hätten die ehemaligen Bundeswehr-Offiziere, heißt es in dem Bericht weiter: Kampfpiloten der Bundeswehr beenden normalerweise mit 41 Jahren ihre Karriere im Jet. Die Reflexe lassen nach, die Sehkraft schwindet.

Wer sich dann in den Ruhestand verabschiede, erhalte etwa 50 Prozent des letzten Gehalts als Pension. Viele Ex-Piloten der Luftwaffe heuerten deshalb bei privaten Flugschulen an, so der Sender und das Magazin.

In den Berichten heißt es, es gebe sogar Hinweise, wo die deutschen Piloten chinesische Kampfflieger trainiert haben könnten: Einer sei den Melderegistern zufolge aus Rostock nach Quiqihar gezogen, in eine Großstadt im Nordosten Chinas.

Ein Pilot soll in einer Großstadt im Nordosten Chinas wohnen

Dort befinde sich ein wichtiger Stützpunkt der chinesischen Luftwaffe. Sie habe dort Kampfflugzeuge vom Typ Jian-11 stationiert. Auf Anfragen habe der Pilot nicht reagiert.

Der einzige Pilot, der auf Anfragen reagierte habe, ließ dem Bericht zufolge über einen PR-Berater mitteilen, er habe bei den Pilotentrainings keine Geheimnisse verraten. Die Trainings seien „nicht klassifizierte Verfahren und die Methoden stammen entweder aus offenen Quellen oder von den Kunden selbst“. Er zahle in China Steuern. Außerdem habe ihm die Bundeswehr 2013 die Ausbildung von Piloten im Ausland erlaubt.

Nicht zuletzt wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bereitet dem Westen das aggressive Verhalten Chinas gegenüber Taiwan zunehmend Sorgen. Zuletzt im April übte das chinesische Militär die Eroberung des Inselstaates Taiwan, den China als Teil seines Territoriums ansieht.

Alle Überschreitungen werden geahndet. Das ist völlig eindeutig.

Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD)

Pistorius kündigte bereits am Freitag eine Untersuchung an. Jeder Einzelfall müsse geprüft werden, sagte der Verteidigungsminister in Singapur der Nachrichtenagentur dpa zufolge. „Das werden wir konsequent machen und alle Überschreitungen werden geahndet. Das ist völlig eindeutig.“

Soldaten dürften nach Beendigung ihrer Dienstzeit auch andere Tätigkeiten übernehmen, aber im Rahmen der Gesetze und ihrer Verpflichtung. Pistorius: „Es gibt klare Regeln im Soldatengesetz darüber, was ein Soldat, was eine Soldatin nach Beendigung seiner Dienstzeit, ihrer Dienstzeit tun darf und was nicht und was er anzuzeigen hat. Es gibt auch klare Regeln über Verschwiegenheitsverpflichtungen und vieles andere mehr.

„Wenn genau in einer solchen Situation der chinesische Staat Geld in die Hand nimmt, um ausländische Fachkräfte anzuwerben, die auch gleichzeitig Geheimnisträger, auch von Nato-Informationen, sind, muss man enorm alarmiert sein“, sagte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz, der Vorsitzender des Kontrollgremiums des Bundestags für die Nachrichtendienste (PKGr) ist.

Ein Kampfflugzeug des Ostkommandos der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA) hebt im August 2022 während gemeinsamer Kampfübungen um die Insel Taiwan ab.
Ein Kampfflugzeug des Ostkommandos der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA) hebt im August 2022 während gemeinsamer Kampfübungen um die Insel Taiwan ab.

© picture alliance/dpa/Xinhua

Deutsche Sicherheitsbehörden halten es für sehr wahrscheinlich, dass die Piloten in China militärisches Fachwissen verraten, geheime Einsatztaktiken der Bundeswehr und der Nato weitergegeben und sogar Angriffsszenarien geübt haben könnten, die für eine Attacke Chinas auf Taiwan hilfreich wären, heißt es in den Berichten.

Das Verteidigungsministerium bestätigte dem Bericht zufolge, „dass China über externe Agenturen versucht, ehemalige Nato-Piloten als Ausbilder anzuwerben“. Dies betreffe auch „ehemalige deutsche Bundeswehrpiloten“. Man sehe dabei „die große Gefahr, dass nicht nur eine fliegerische Grundbefähigung vermittelt wird, sondern auch relevante Taktiken, Techniken und Verfahrensabläufe offenkundig werden“.

Folglich habe der Militärische Abschirmdienst (MAD) intensive Ermittlungen aufgenommen, um Details über die Tätigkeit der deutschen Piloten in Erfahrung zu bringen, heißt es in den Berichten weiter. Der MAD „kooperiert im Rahmen seiner Ermittlungen hierzu eng mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst sowie internationalen Zusammenarbeitspartnern“, zitieren das Magazin und der Sender das Ministerium weiter.

Der Militärische Abschirmdienst ist wegen China aktiv

Das PKGr habe sich ebenfalls bereits mit den Piloten befasst, heißt es in den Berichten weiter. Die Abgeordneten befürchten, „dass dienstlich erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse autoritären Regimen oder kriminellen Organisationen zur Verfügung gestellt werden“.

Der Grüne Konstantin von Notz, spricht den Berichten zufolge von einem „ungeheuerlichen, empörenden und problematischen Vorgang“, der „ein enormes Sicherheitsrisiko“ darstelle, wenn er sich bestätigte. „Wir haben die Sorge, dass Soldatinnen und Soldaten nach ihrer Beschäftigung für den deutschen Staat in Beschäftigungsverhältnisse geraten können, in denen sie Staatsgeheimnisse verraten.“

Der MAD habe inzwischen eine Informationskampagne gestartet, um zu verhindern, dass weitere Ex-Piloten in die Volksrepublik abwandern, heißt es weiter. Der Dienst spricht dazu Flieger an, die kurz vor der Pensionierung stehen: Geheimnisverrat sei eine Straftat und könne schwerwiegende Konsequenzen haben, so die Botschaft. Das Verteidigungsministerium unterstrich auf Anfrage, man werde in Zukunft „auch aktiv die weitere Anwerbung von Piloten“ verhindern.

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