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Allgegenwärtig: Edward Snowden bei einer Liveschaltung während der Verleihung des Henri-Nannen-Preises für Journalisten in Hamburg.

© dpa

Ein Jahr nach ersten NSA-Enthüllungen: Edward Snowden hofft auf Brücke nach Deutschland

Seit genau einem Jahr steht Edward Snowden als Whistleblower im Fokus, Ende Juli läuft seine Aufenthaltsgenehmigung in Russland aus. Neben einer Rückkehr in die USA ist offenbar auch Deutschland eine Option.

Von Julia Prosinger

Ein Jahr, nachdem sich der frühere NSA-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in Hongkong offenbarte, hoffen seine amerikanischen Anwälte auf eine Begnadigung. „Amnestie ist kein schmutziges Wort“, sagte Ben Wizner von der Menschenrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) dem Tagesspiegel in New York.

Er wünsche sich zumindest, dass die amerikanische Regierung Snowden eine Brücke in ein Drittland baue, sagte Wizner. Das könne unter Umständen auch Deutschland sein. Ende Juli läuft Snowdens Aufenthaltsgenehmigung in Russland aus. Zwar halten sowohl Wizner als auch Snowdens deutscher Anwalt Wolfgang Kaleck die Chancen auf einen verlängerten Aufenthaltstitel in Moskau für hoch – Snowden betonte jedoch vergangene Woche in seinem ersten Interview im amerikanischen Fernsehen, dass er am liebsten „nach Hause“ kommen würde. Allerdings nur, wenn ihn dort ein faires Verfahren erwarte.

Lebenslange Isolationshaft bei Rückkehr in die USA?

Nach der gegenwärtigen Rechtslage hält Wizner eine Rückkehr Snowdens in die USA für unwahrscheinlich. Dem Espionage Act aus dem Jahr 1917 zufolge würde er in diesem Falle für den Rest seines Lebens in Isolationshaft gesperrt, ohne jegliche Chance, auf Kaution freizukommen. Wizner fordert daher eine Reform des bei amerikanischen Juristen ohnehin umstrittenen Gesetzes. „Wenn etwas von Anfang an illegal ist, kann es doch nicht strafbar sein, das zu enthüllen“, sagte Wizner. Für die urprüngliche Haltung der Obama-Administration zeigt er dennoch Verständnis: „Ich glaube nicht, dass es einen Präsidenten gibt, der Chelsea Manning oder Edward Snowden nicht vor Gericht gestellt hätte.“

„Die USA haben ein Problem“, sagte Wizner weiter. „Wenn sie ihn hier strafverfolgen, würde sich die Öffentlichkeit weltweit wehren.“ Wizner fügte an: „Das wäre so, als würde man Mandela vor Gericht stellen.“ Und er fragte: „Welche Lösung will die US-Regierung: Ist es ihr lieber, wenn Snowden in Russland bleibt, oder könnte sie einen Weg finden, Snowden heimzuholen, ohne exzessive Strafe, damit er zu den notwendigen Reformen beitragen kann?“

Ströbele fordert Hilfe von Generalbundesanwalt Range

In Deutschland setzt der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele unterdessen auf Unterstützung durch den Generalbundesanwalt Harald Range, der helfen solle, den Whistleblower zur Befragung durch den Untersuchungsausschuss des Bundestages nach Deutschland zu holen. Snowden könne in Moskau nicht uneingeschränkt aussagen, sagte Ströbele am Samstag im Inforadio des RBB. Wenn der Generalbundesanwalt es ernst meine mit den Ermittlungen in der Abhöraffäre um das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dann habe er mehr Möglichkeiten als der Bundestag-Untersuchungsausschuss, sagte Ströbele.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte zum Jahrestag der NSA-Affäre dem Tagesspiegel, er hoffe, dass Ermittlungen dem Verhältnis zu den USA nicht schaden: „Ich setze eher darauf, dass auch in Washington verstanden wird, wie wenig Verständnis die deutsche Öffentlichkeit dafür aufbringt, wenn die Telefonkommunikation enger Partner, auch von Regierungsmitgliedern, abgefangen wird.“ Die Freundschaft mit den USA müsse auch Meinungsunterschiede aushalten.

Steinmeier sieht unterschiedliche Vorstellungen der Amerikaner und der Deutschen bei der richtigen Balance zwischen Freiheit und Sicherheit im Internet-Zeitalter. Ende Juni sollen viele Amerikaner zu einem transatlantischen Cyber-Dialog nach Berlin kommen, darunter wohl auch John Podesta, Bill Clintons ehemaliger Stabschef im Weißen Haus, der Präsident Barack Obama beim Umgang mit „Big Data“ und dem Schutz der Privatsphäre berät.

In New York arbeitet ein Team für Edward Snowden. Freunde, Unterstützer, Anwälte. Und er selbst ist immer dabei im 19. Stock: Von Moskau aus steuert Snowden einen Roboter mit Kamera. Julia Prosinger war eine Woche dort. Lesen Sie im gedruckten Tagesspiegel am Sonntag oder in unserem E-Paper, wie die Tagesspiegel-Reporterin den Whistleblower in einer ganz besonderen Situation erlebte.

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