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Am Samstag hatte nach Australien auch Kanada seine Grenzen für Reisende aus den von der Ebola-Epidemie betroffenen Ländern geschlossen.

© AFP

Update

Beauftragter der Bundesregierung: "Ebola isolieren, nicht die Ebola-Länder"

Der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner, warnt vor falsch verstandenen Schutzmaßnahmen und weist auf die Folgen der Krankheit im Umgang der Menschen hin: Es sei schwer, menschliche Regungen wie Umarmung oder Händeschütteln zu unterdrücken.

Der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner, hat vor einer Abschottung gegenüber den von Ebola betroffenen Ländern gewarnt. „Das Wichtigste ist: Wir müssen Ebola isolieren und nicht die Ebola-Länder“, sagte Lindner dem Tagesspiegel am Sonntag. Man dürfe die Krisenländer „nicht durch unnötige Isolierung noch stärker belasten“. Zwar müsse die weitere Verbreitung des Ebola-Virus’ „mit allen Mitteln“ verhindert werden. „Aber wir müssen gleichzeitig auch dafür sorgen, dass staatliche Strukturen erhalten und gestützt oder auch aufgebaut werden“, erklärte der Beauftragte. Man dürfe nicht zulassen, dass die Staaten „ins Chaos abgleiten“. Die Lage in den drei Ländern Guinea, Liberia und Sierra-Leone sei ohnehin „kritisch“.

"Enorme psychische Belastung"

Lindner wies auch auf die enorme Belastung der Psyche der Menschen in den von der Epidemie betroffenen Ländern hin. „Das ist ja das Teuflische an diesem Virus, dass es bei den nobelsten Gefühlen des Menschen ansetzt: Zuneigung, Zuwendung, Liebe, Fürsorge“, sagte Lindner. Es sei sehr schwer für die Menschen in den Krisenländern, „menschliche Regungen wie Umarmungen oder Händeschütteln zu unterdrücken“. Noch schwieriger werde es, wenn Menschen Erkrankte in ihrer Nähe hätten. „Stellen Sie sich vor, Ihr eigenes Kind wird von Männern in Schutzanzügen abgeholt, es ruft nach Ihnen, doch Sie dürfen es aber nicht einmal mehr berühren“, sagte der Diplomat. Er habe bei seinen Besuchen in Westafrika mit Müttern gesprochen. „Die haben mir gesagt, sie wären lieber mit ihrem Kind gestorben, als es wegzugeben“, sagte Lindner.

Walter Lindner, Ebola-Beauftragter der Bundesregierung, in seinem Büro im Auswärtigen Amt.
Walter Lindner, Ebola-Beauftragter der Bundesregierung, in seinem Büro im Auswärtigen Amt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte diese Woche deutschen Ebola-Helfern versprochen, „alles“ für sie zu tun, sollten sie sich dort anstecken. „Falls sie sich infizieren sollten, haben sie Rechtssicherheit, und sie haben Anspruch und eine Garantie auf einen Rücktransport“, sagte sie am Rande des Besuchs des haitianischen Präsidenten Michel Joseph Martelly. „Für uns ist wichtig, dass wir denen, die helfen, auch Sicherheit geben.“ Vor dem Hintergrund der zugesagten Hilfe hat die Bundesregierung die Beschaffung von Flugzeugen für die Verlegung hochinfektiöser Patienten in Auftrag gegeben. Bisher gibt es nur in den USA zwei Spezialflugzeuge.

Haiti hat untersagt, dass dort Ebola-Helfer angeworben werden und Beschränkungen für Reisende aus drei betroffenen Ländern erlassen. Martelly verteidigte dies damit, dass Haiti mit seinen schwachen Institutionen bereits Probleme habe, den Menschen zu vermitteln, wie sie sich vor Cholera schützen können. Die Cholera, vermutlich durch UN-Truppen eingeschleppt, hat in Haiti tausende Tote gefordert.

Laut WHO ist die Zahl der Fälle inzwischen auf mehr als 13.500 gestiegen

Grünen-Parteichef Cem Özdemir forderte eine stärkere Rolle Deutschlands bei der Bekämpfung der Seuche. „Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt muss da mehr leisten“, sagte der Grünen- Chef der „Neuen Westfälischen“. Er wünsche sich, dass Deutschland die Vereinten Nationen stärker unterstütze. „Ein UN-Botschafter mit Kabinettsrang wäre ein gutes Signal“, schlug Özdemir vor.

Nach Australien stellt auch Kanada vorübergehend keine Visa für Reisende aus den von der Ebola-Epidemie betroffenen Ländern aus. Diese Maßnahme sei nötig, um die kanadischen Bürger zu schützen, teilte die Regierung in Ottawa am Freitag (Ortszeit) mit. In dem nordamerikanischen Land ist bislang kein Ebola-Fall bekannt. Zu Wochenbeginn hatte Australien seine Grenzen für Menschen aus den Ebola-Gebieten in Sierra Leone, Liberia und Guinea geschlossen. UN-Ebola-Koordinator David Navarro hatte zuvor einige Staaten für ihre Quarantäneregeln bei der Rückkehr von Ärzten und Krankenschwestern kritisiert. „Wir möchten nicht, dass sie sich in ihrer Heimat nach der Rückkehr nicht willkommen fühlen.“

Laut neuen Daten der Weltgesundheitsorganisation ist die Zahl der Ebola-Fälle in Westafrika auf mehr als 13 500 gestiegen – fast 5000 Menschen seien durch das Virus gestorben. mit dpa

Das vollständige Interview mit Walter Lindner ist im gedruckten "Tagesspiegel am Sonntag" zu lesen.

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