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NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Landtag

© Federico Gambarini/dpa

Corona-Gipfel in Wahlkampfzeiten: Duell der Nickeligkeiten

Beim Corona-Gipfel bleiben diesmal große Kontroversen aus. Dafür liefern sich zwei Kanzlerkandidaten ein verdecktes Fingerhakeln.

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Armin Laschet steht im Düsseldorfer Landtag hinterm Rednerpult und redet über Menschen in Not.

Am Dienstagfrüh geht es aber ausnahmsweise nicht um die Opfer der Flutkatastrophe. Der Ministerpräsident meint Leute wie die Friseurin, die in einem Video schildert, dass bei ihr von den Corona-Hilfen noch kein Cent angekommen sei. Das ändere nichts an den Schlussfolgerungen für den Kampf gegen die Pandemie, sagt der Christdemokrat. Aber Gespür für das Ausmaß der Belastungen, das müsse man bewahren.

Die Rede ist gewissermaßen das Vorspiel für die Bühne, auf der Laschet an diesem Tag aus der Ferne reüssieren will. In Berlin tagt nach längerer Pause wieder einmal der Corona-Gipfel bei der Kanzlerin. Der NRW-Chef wird später virtuell dazugeschaltet.

Es geht um die Corona-Strategie im Herbst. Eine vierte Welle zeichnet sich ab, ihr Ausmaß und ihre Folgen sind aber schwerer abzuschätzen.

Das liegt am Impfen, auch wenn die Kampagne lahmt, und an der Delta-Variante, von der man bisher vor allem weiß, dass sie ansteckender ist als ihre Vorgänger.

Hoffen auf die Wahlkampf-Wende

Für Laschet geht es freilich noch um mehr. Der Tag soll möglichst eine Wende in seinem Kanzlerkandidaten-Wahlkampf einleiten.

Der ist bekanntlich nicht mehr gut verlaufen, seit sich sein Lachanfall im Flutgebiet mit jedem Tag mehr zur Charakterstudie auswuchs, schon weil er selbst wenig Anlass für andere, bessere Eindrücke bot. Die Zweifel an seiner Kanzlerfähigkeit erreichen in den Umfragen langsam ein bedrohliches Ausmaß.

Wegradieren lässt sich der Eindruck nicht mehr.

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Aber ein Ministerpräsident, der ein 30-Milliarden-Euro-Paket an Aufbauhilfe für die Katastrophengebiete präsentieren kann, ist doch schon mal ein erfreulicherer Anblick. Der Gipfel wird die enorme Summe später ohne Debatte durchwinken. Alle Länder beteiligen sich daran, egal ob betroffen oder nicht.

Und dann ist da noch Laschets Corona-Vorschlag, den seine Leute als großen 5-Punkte-Plan verkaufen, Wahlkampf ist auch die Zeit der Spin Doktoren. Den Plan hat der Kanzlerkandidat tags zuvor im CDU-Präsidium vorgestellt, auf Nachfrage wird klar: es gibt kein Papier, er hat mündlich ein paar Vorschläge vorgetragen, fünf an der Zahl. Die Vorschläge werden, das schon vorweg, im Großen und Ganzen von der Runde gebilligt.

Der Eindruck, den sie sich davon versprechen im Laschet-Lager, ist unschwer zu erkennen: Ein Kandidat, dem alle folgen, kann so ganz falsch ja wohl doch nicht sein.

Laschet präsentiert den Plan in der Corona-Sondersitzung im Landtag denn auch gleich noch mal.

"Laschet wirft sich hinter den Zug"

Aus dem Lager eines anderen Kanzlerkandidaten kommt prompt Widerspruch. „Peinlich“ sei das, ätzen sie im Olaf-Scholz-Lager. Laschet verkünde da als seine eigene Idee, worauf sich in Wahrheit Union und SPD in Sachen mehr Impfdruck und Ende der kostenlosen Corona-Tests ab Oktober vorher schon intern geeinigt hätten.

Es ist wie immer“, ätzt ein Gipfelteilnehmer der Sozialdemokraten. „Laschet wirft sich hinter den Zug.“

Nun muss man dazu wissen, dass Scholz den Wahlkampf am liebsten ganz auf die Frage beschränken würde, ob er selbst oder Laschet eher das Zeug zum Kanzler hat.

Die Grüne Annalena Baerbock kommt in dieser Kalkulation schon lange nicht mehr vor. Sie gilt im SPD-Wahlkampfteam als irreparabel beschädigt.

Scholz setzt darauf, die SPD vor die Grünen zu bugsieren und am Ende den FDP-Chef Christian Lindner in eine Ampel-Koalition.

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) habe den fertigen Beschlussentwurf extra zurückgehalten, damit sein Parteifreund ihn als eigenen Plan verkünden könne, wird auf SPD-Seite gestreut.

Die CDU hatte zuvor verbreiten lassen, Braun habe im CDU-Präsidium die Laschet-Ausführungen besonders begrüßt - entsprechen sie doch seinen eigenen Vorstellungen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)

© Thomas Imo/imago images/photothek

Abgesehen von solchen Kabalen hinter den Kulissen sind sich die Kandidaten Laschet und Scholz inhaltlich allerdings ziemlich einig.

Beide plädieren für einen gemeinsamen Impfappell vom Corona-Gipfel. Beide wollen Corona-Tests ab Oktober kostenpflichtig für alle machen, die sich nicht impfen lassen wollen.

Beide sind auch gegen die Idee, diesen Ungeimpften das Leben zusätzlich schwer zu machen, indem man sie aus Kneipen und Kinos ausschließt. Der Bayer Markus Söder verficht das in der Runde noch einmal.

Doch nur Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) hatte sich vorher ähnlich geäußert. Und Hamburgs Regierender Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), als Arzt seit jeher im Lager der Vorsichtigen um Merkel und Söder, hatte ins Gespräch gebracht, wenigstens nur die nicht so fehleranfälligen, aber teureren PCR-Tests als Ersatz für den Impfpass anzuerkennen.

Doch die Mehrheit der Länderchefs wollte es beim schlichten 3G belassen – Geimpfte, Genesene und Getestete, egal ob PCR oder Schnelltest, sind gleich zu behandeln.

Es klingt also nach einer kurzen Runde, als die Gipfelteilnehmer sich kurz nach Mittag trifft – Merkel und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) als amtierender Länderkoordinator wieder leibhaftig im Kanzleramt, Söder als derzeitiger Sprecher der Union im Nebenraum, der Rest am Bildschirm.

Doch man verheddert sich wieder.

Scholz wie Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stoßen auf Widerstand mit dem Ansinnen, ab dem 23. August eine generelle Testpflicht für Ungeimpfte etwa beim Besuch von Krankenhäusern, Kneipen oder Gottesdiensten einzuführen. Mehrere Ministerpräsidenten bestehen darauf, dass die Verschärfung erst ab einer höheren Inzidenz gilt.

Testpflicht für Innenräume ab welcher Inzidenz?

"Wir bekommen eine Pandemie der Ungeimpften“, wirft Söder ein. Laschet referiert die unterschiedlichen Vorschläge: Testpflicht ab Inzidenz null oder 35 oder erst ab 50? Merkel wendet ein, null gehe nicht, wegen der Gerichte. Die Runde folgt schließlich einem Textvorschlag von Kanzleramtschef Braun: Testpflicht für Ungeimpfte in Innenräumen, aber die Landkreise dürfen bis zu einer Inzidenz von 35 darauf verzichten.

Bleibt also noch die Grundsatzfrage, ob diese Inzidenz der neuen Infektionen pro Woche und 100 000 Einwohnern überhaupt der Leitwert für Entscheidungen bleiben soll - oder ob auch die Impfquote und die Auslastung von Krankenhäusern und Intensivbetten stärker berücksichtigt werden soll; derzeit sind nur noch 455 Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt. Irgendwie sind alle dafür, die Formel zu ergänzen, das hatte auch Laschet gefordert, aber hier kann er nicht liefern. Söder wird hinterher zu Recht sagen, dass noch niemand eine eingängige „Glücksformel“ gefunden habe.

Der Beschluss empfiehlt, alle relevanten Indikatoren zu „berücksichtigen“. Das lässt allen Spielraum.

Söder warnt übrigens auch noch davor, den Kampf gegen die Pandemie dem Wahlkampf unterzuordnen: „Wir haben heut einiges beschlossen, aber es wird auf Wiedervorlage kommen.“ Spätestens nach dem 26. September.

An wen sich das konkret richtet, sagt er nicht. Aber Laschet würde vermutlich darauf bestehen, dass er gar nichts unterordne. Er nimmt halt nur die Gelegenheit wahr.

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