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Im Iran nahmen viele Menschen Abschied von Oberst Chodai.

© Atta Kenare/AFP

Nach dem Attentat auf einen Offizier in Teheran: Droht eine neue Runde im Schattenkrieg zwischen dem Iran und Israel?

Vor einigen Tagen starb ein Oberst der Revolutionsgarden in Teheran durch ein Attentat. Nun droht der Iran den „Zionisten“ mit Rache. Israel ist alarmiert.

Die Wut ist groß. Ebenso wie der Wunsch nach Rache. Aber noch größer dürfte der Unmut über die eigene Unzulänglichkeit sein. Denn die iranischen Sicherheitsdienste haben ein Debakel erlebt. Sie konnten nicht verhindern, dass ein Killerkommando mitten in der Hauptstadt Teheran zuschlagen und einen hochrangigen Offizier der Revolutionsgarden töten konnte. Mit fünf Schüssen ermordeten zwei Motorradfahrer Oberst Sajjad Chodai in seinem Auto und entkamen unerkannt.

Für die „terroristische Tat“ machte die Eliteeinheit des schiitischen Gottesstaats „Elemente mit Verbindungen zur globalen Arroganz“ verantwortlich – gemeint sind damit die USA und ihre Verbündeten, allen voran Israel als Erzfeind. In der Tat trägt das Attentat die Handschrift des Mossad. Irans Präsident Ebrahim Raisi kündigte denn auch umgehend Vergeltung an.

Seitdem sind einige Tage vergangen - und es scheint, dass es Teherans Führung mit der Rache ernst meint. In Israel zumindest sind die Sicherheitsbehörden alarmiert und raten Bürgern des jüdischen Staats davon ab, zum Beispiel in die Türkei zu reisen. Es gebe ernstzunehmende und konkrete Hinweise darauf, dass der Iran versuchen könnte, Israelis im Ausland anzugreifen, heißt es.

Die Warnungen kommen nicht von ungefähr. Den „Zionisten“ wird inzwischen sogar in verstörender Offenheit gedroht. Erst vor kurzem publizierte die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Fars Details über fünf Israelis, die im Visier der Islamischen Republik seien. Diese stünden samt Familien und Freunden unter strenger Beobachtung. Dazu gab es Fotos der Männer, versehen mit dem Wort „Wanted“.

Der Iran, hier Präsident Raisi (l.) bei einem Besuch der Nuklearanlage in Buschehr, hat mittlerweile deutlich mehr Uran angereichert, als es das Atomabkommen erlaubt.
Der Iran, hier Präsident Raisi (l.) bei einem Besuch der Nuklearanlage in Buschehr, hat mittlerweile deutlich mehr Uran angereichert, als es das Atomabkommen erlaubt.

© AFP/Iran Presidency

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Experten schließen nicht aus, dass nun eine neue Runde im Schattenkrieg zwischen beiden Ländern bevorstehen könnte. Denn das Mullah-Regime kann den Mord in Teheran nicht unbeantwortet lassen – die Blamage wiegt zu schwer. Schließlich wurden mit dem Attentat die Schwächen des Sicherheitsapparats bloßgelegt: Er ist offenkundig nicht in der Lage, Anschläge ausländischer Agenten auf dem eigenen Staatsgebiet zu verhindern. Sogar führende Mitglieder der Streitkräfte sind ihres Lebens nicht sicher.

Warum wurde Oberst Chodai getötet?

In israelischen Medien und internationalen Denkfabriken wird viel darüber spekuliert, warum gerade Oberst Chodai getötet wurde. So ist davon die Rede, dass der Offizier der Quds-Brigaden – die Spezialeinheit der Revolutionsgarden für Auslandseinsätze - Drohnenangriffe koordiniert habe. Einige Wochen vor Chodais Tod soll ein umbenanntes Fluggerät in den Luftraum des jüdischen Staats eingedrungen sein.

Premier Naftali Bennett ist ein erklärter Gegner der Mullahs in Teheran. Israel fühlt sich existenziell vom Iran bedroht.
Premier Naftali Bennett ist ein erklärter Gegner der Mullahs in Teheran. Israel fühlt sich existenziell vom Iran bedroht.

© Gil Cohen-Magen/AFP

Immer wieder wird in Analysen zudem betont, Chodai sei als generelle Gefahr für Israelis und Juden weltweit betrachtet worden. Demnach gehörte der 50-Jährige der Einheit 840 an und soll für Entführungen und Anschläge zuständig gewesen sein. Allein das dürfte ihn aus Jerusalems Sicht zum legitimen Ziel gemacht haben.

Im Nahen Osten gehörte vermutlich vor allem Syrien zu seinen Operationsgebieten. Dort hat der Kommandeur der Zeitung „Jerusalem Post“ zufolge unter anderem den Waffenschmuggel organisiert. Genau das versucht Israel immer wieder, mit Luftschlägen zu unterbinden. Damit soll vor allem die Aufrüstung der libanesischen Terrormiliz Hisbollah verhindert werden.

Eine Botschaft Richtung Teheran

Sollte Israel tatsächlich für Chodais Tod verantwortlich sein, könnte der Anschlag für einen Kurswechsel, zumindest aber für eine neue Komponente im Schattenkrieg stehen. Bislang zielten die meisten Geheimaktionen des jüdischen Staats darauf ab, Irans Atomprogramm zu sabotieren – sei es durch Cyberangriffe, Attacken auf Nuklearanlagen oder das Ausschalten von führenden Wissenschaftlern.

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Besonders viel Aufsehen erregte im November 2020 die Ermordung des Kernphysikers Mohsen Fakhrizadeh, der als eine Art Vater des iranischen Nuklearprogramms galt. Er starb auf einer Landstraße nahe der Hauptstadt, vermutlich durch eine ferngesteuerte Waffe.

Vom Tod des Offiziers Chodai geht nach Einschätzung von Beobachtern nun eine weitere Botschaft Richtung Teheran: Das Streben der Islamischen Republik nach Hegemonie im Nahen Osten bleibt nicht ohne Reaktion - und der Kampf dagegen kann jederzeit tief in den Iran getragen werden.

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