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Donald Trump, wie wir ihn kennen. Nutzt sich seine Attitüde bald ab?

© Kevin Lamarque, Reuters

Nach den US-Kongresswahlen: Donald Trump - ein Betriebsunfall der Geschichte?

Donald Trump hat nie eine Mehrheit gehabt. Die Midterms haben ihm erneut seine Grenzen gezeigt. Es könnte sein, dass es von nun an bergab geht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Bis zu seiner Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wurde Donald Trump nicht ohne Hybris unterschätzt. Der sei ein Maulheld, Grobian, Angeber, Lügner, Rassist und Egozentriker. Keine Chance, dass er gewinnt. Seit seiner Wahl hingegen wird Trump zunehmend überschätzt. Er hat die Republikaner hinter sich versammelt, zwei konservative Verfassungsrichter durchgeboxt, die Wirtschaft angekurbelt, die Steuern gesenkt, die Arbeitslosigkeit minimiert – kurzum: ein toller Kerl. Es scheint sich da um eine Art Kompensationsdrang zu handeln. Diejenigen, die ihn einst für zu leicht befanden, knien jetzt vor ihm nieder.

Der Moderator und Stand-up-Comedian Bill Maher hat für die Reaktionen auf Trump eine hübsche Analogie gefunden. Dazu muss man kurz den Plot aus dem Walt-Disney-Film „Gus“ aus dem Jahre 1976 erzählen. „Gus“ ist ein Esel, der Football spielen - oder besser gesagt „Field Goals“ schießen kann. Selbst aus großer Distanz kickt der Esel das Ei über die Latte. Also wird er von seinem Team, den „California Atoms“, aufgestellt, gemeinsam schaffen sie es bis in den Super Bowl. Natürlich protestieren die gegnerischen Mannschaften lauthals gegen den Einsatz von „Gus“. Doch nirgendwo steht geschrieben, dass die Spieler einer Football-Mannschaft Menschen sein müssen.

„Gus“ ist ein unglaubliches Phänomen, der Esel verstößt aber gegen keine Regel. Trump ist wie „Gus“, und seine Widersacher verhalten sich ihm gegenüber, wütend und empört, wie die gegnerischen Teams der „California Atoms“. Nur nützt ihnen der Protest alleine nichts. Sie müssen schon besser spielen, wenn sie gewinnen wollen.

Eine „blaue Welle“ gab es nicht

Nach den Midterms, den vergangenen Kongresswahlen, waren sich die meisten Kommentatoren einig: Das Ergebnis ist ein Patt. Die Demokraten gewinnen die Mehrheit im Repräsentantenhaus, solche Zugewinne der Opposition sind normal, die Republikaner wiederum können ihre Mehrheit im Senat ausbauen. Eine „blaue Welle“, die die Macht der Republikaner unter sich begräbt, gab es nicht. Das Resultat als Anfang vom Ende des Trumpismus zu werten, sei auf jeden Fall verfrüht.

In dieser Bewertung schwingt Vorsicht mit, aber auch Verzagtheit. Woher kommt der Kleinmut? Eine Erklärung könnte jenes große Maß an Verachtung sein, das die Kritiker Trumps diesem entgegenbringen. Gemessen an der Größe dieser Verachtung ist der Mehrheitswechsel im Repräsentantenhaus viel zu klein ausgefallen. Eigentlich hätten die Demokraten mindestens dreihundert Sitze verdient gehabt, denken Trumps Kritiker insgeheim, plus eine Mehrheit im Senat. Alles darunter wirkt auf sie wie ein Sieg Trumps.

Dabei lässt sich, nüchtern betrachtet, das Ergebnis der Midterms durchaus als Sieg der Demokraten interpretieren. Gerade weil Trump mit einer Intensität Wahlkampf betrieben hatte wie kaum ein Präsident vor ihm, gerade weil die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit niedrig ist, zwei konservative Verfassungsrichter vom Senat bestätigt wurden, gerade weil er viele seiner Versprechen gehalten hat – Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran, Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, Aufkündigung des Klimaschutz- und INF-Vertrages -, gerade weil Trump  folglich mit einer imposanten Leistungsbilanz antrat, jedenfalls aus Sicht seiner Anhänger, wiegt die Schlappe seiner Partei in den Wahlen zum Repräsentantenhaus doppelt schwer.

Hillary Clinton bekam 2,8 Millionen Stimmen mehr

Trump hatte diese Wahlen zum Referendum über seine Politik gemacht. Doch selbst bei den Wahlen zum Senat haben die Demokraten rund neun Millionen Stimmen mehr bekommen als die Republikaner. Dass sich dies nicht auf die Zahl der Sitze auswirkte, resultiert aus den Besonderheiten des amerikanischen Wahlsystems. Trump hatte nie eine Mehrheit der Amerikaner auf seiner Seite. Bei seiner Wahl zum Präsidenten bekam Hillary Clinton 2,8 Millionen Stimmen mehr. Seitdem überwiegen in den Umfragen konstant Trumps negative Popularitätswerte. Die Midterms wiederum haben gezeigt, dass er seine Wählerschaft zwar weiterhin mobilisieren, nicht aber ausbauen kann. Den Demokraten dagegen gelang es, in großer Zahl besonders Frauen, Erstwähler und Minderheiten an die Urnen zu bekommen.

Ist Trump womöglich ein Betriebsunfall in der amerikanischen Geschichte? Ex-CIA-Direktor John Brennan nennt ihn eine „temporary aberration“, eine vorübergehende Abweichung von der Norm. War die Wahl Trumps ein letztes Aufbäumen der weißen, verheirateten, männlichen Kirchgänger - jener Gruppe also, die sich einst als Rückgrat Amerikas verstand, aber zahlenmäßig immer stärker an Bedeutung und Macht verliert? Zwischen 2000 und 2010 stieg die Zahl der „Asian Americans“ um 43 Prozent, der „African Americans“ um 12 Prozent, der Latinos um 43 Prozent – und die der Weißen um 5 Prozent. Außerdem lässt die Kirchenbindung nach. Vor vierzig Jahren charakterisierten sich sieben Prozent der Amerikaner als „Nones“, also keiner Glaubensgemeinschaft zugehörig, heute sind es bereits zwanzig Prozent. „Nones“ sind überwiegend jung, sozial und liberal. Nur wenige machen bei Wahlen ihr Kreuz bei den Republikanern.

Trump bleibt Trump. Arrogant, wütend, provozierend, Ängste schürend. Aber sein Image fesselt ihn auch. Sollte er sich ändern, verlöre er an Glaubwürdigkeit, Authentizität und Charisma. Also wird er weiter Handelsstreitigkeiten vom Zaun brechen, gegen Migranten und Muslime wettern, Minister entlassen, die Presse beschimpfen und versuchen, die Demokraten zu radikalisieren. Seine Anhänger verehren ihn dafür. Doch womöglich nutzt sich die rebellische Attitüde ab. Seine Wahlversprechen hat er zum großen Teil gehalten. Was bleibt ihm künftig anderes als die Wiederholung des Immergleichen?

Es ist falsch, Trump zu unterschätzen. Und es ist falsch, ihn zu überschätzen. Die Midterms haben gezeigt, dass man Trump nicht abschreiben darf, dass es ihm aber trotz bester Ausgangslage nicht gelingt, eine Mehrheit der Amerikaner für sich einzunehmen. Nicht ausgeschlossen, dass man beim Rückblick auf die Kongresswahlen über den Präsidenten einst sagen wird: Von nun an ging’s bergab.

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