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Viele Flüchtlinge in Tovarnik sind erschöpft, der Ton wird rauer, die Forderung ist immer dieselbe: "Wir wollen nach Deutschland."

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Update

Flüchtlinge in Kroatien: Doch kein Durchreisekorridor nach Westeuropa

Die Situation in Kroatien spitzt sich zu – und vor allem Syrer befürchten, dass andere Flüchtlinge die Lage ausnutzen. Ein Bericht aus Tovarnik.

"We want to go! We want to go!" Hinter der Reihe der kroatischen Polizisten, die die Menge zurückhalten, stehen Flüchtlinge, die ihre Hände im Rhythmus in die Luft heben und fordern, sofort durchgelassen zu werden. Tausende von ihnen sind am Donnerstag in der kroatischen Grenzstadt Tovarnik hinter der serbischen Grenze gestrandet. Mittlerweile hat sich unter den Flüchtlingen, die aus Griechenland und Mazedonien nach Serbien kommen, herumgesprochen, dass die ungarische Grenze dicht ist und sie diese nicht mehr passieren können.

Am Nachmittag kippt die Ungeduld in Aggression. Einige Flüchtlinge durchbrechen die Absperrungen der Polizei. Viele laufen ins Dorf hinein. Manche beginnen aus dem slawonischen Grenzort Richtung Zagreb zu gehen.

Auch der kroatische Innenminister Ranko Ostojic kommt nach Tovarnik. Nachdem die kroatische Regierung zuvor davon gesprochen hatte, einen Korridor für die Flüchtlinge Richtung Slowenien einzurichten, ist nun alles anders. Ostojic verkündet, dass sich Kroatien an die Schengen-Regeln halten werde und dass es solche Korridore nicht geben werde, solange der EU-Ministerrat nichts gegenteiliges beschließt.

Die bisher aufgenommenen Flüchtlinge würden in Erstaufnahmezentren untergebracht, die Kapazitäten seien aber bereits erschöpft. Sollten Flüchtlinge bereits nach Slowenien gekommen sein, würden sie wieder in Kroatien aufgenommen. "Wir können keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen", so Ostojic. Die Flüchtlinge könnten sich aber in den Regstirierungstzentren rund um Zagreb melden.

Der sozialdemokratische Premier Kroatiens, Zoran Milanovic, beteuerte am Donnerstag beim Besuch des österreichischen Kanzlers Werner Faymann in Zagreb, dass Kroatien sich nicht wie Ungarn verhalten werde: "Wir werden konstruktiv und kooperativ sein, aber unsere Ressourcen sind begrenzt." Auch Österreichs Kapazitäten seien begrenzt, fügte Milanovic hinzu, allerdings sei Österreich "größer und sehr reich". Außerdem sei Kroatien nur ein Transitland, die Flüchtlinge wollten weiterziehen. Damit schließt sich Kroatien der Position von Ungarn und Serbien an, deren Hauptziel es ist, dass die Flüchtlinge schnell in die reicheren EU-Staaten durchreisen.

Die kroatische Regierung hat Vorratslager eingerichtet, Container als Unterkünfte stehen bereit. In den nächsten Tagen werden 20.000 Flüchtlinge erwartet. Die Situation in Tovarnik ist angespannt. Viele Flüchtlinge sind erschöpft, der Ton wird rauer, die Forderung ist immer dieselbe: "Wir wollen nach Deutschland." Der Syrer Abdullah S., ein Computerfachmann aus Aleppo, sagt, dass die meisten Leute hier aus dem Irak stammen würden, aber nun seien auch Iraner dabei und viele aus Zentralasien. „Woher kommt ihr?“, fragt sein Freund Baruk ein paar junge Männer, die sich anstellen, um in den Bus zu kommen. "Aus Afghanistan", antworten sie. "Das sind Lügner", sagt Baruk, "die kommen wahrscheinlich aus Turkmenistan, jedenfalls verstehen die Türkisch. Das sind keine Afghanen."

Besonders die Menschen aus Syrien machen sich Sorgen, dass die Lage von anderen "ausgenutzt" wird, die sich den Kriegsflüchtlingen anschließen. "Sie werden sehen, jetzt kommen auch die Ägypter, die Jemeniten, die Leute aus Zentralasien. Sie alle werden nach Deutschland gehen. Die meisten Iraker hier haben überhaupt keinen Grund zur Flucht. Man muss das aufhalten, sonst werden es immer mehr", sagt Abdullah S.

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