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Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi verkündet die Leitzinssenkung auf null.

© Reuters

Europäische Zentralbank: Die Verzweiflungstat des Mario Draghi

Die Leitzinssenkung auf Null zeigt vor allem die Verzweiflung von Notenbankchef Mario Draghi. Sparer werden darunter leiden. Ein Kommentar.

Von Carla Neuhaus

Mario Draghi gibt nicht auf. Dabei ist sein Zauber längst verflogen. Noch vor drei Jahren reichten drei Worte des Notenbankchefs („Whatever it takes“), und schon waren alle beruhigt. Heute pumpt Draghi Milliarden in den Markt – und nichts passiert. Die Wirkung seiner Geldpolitik verpufft.

Obwohl er seit einem Jahr massiv Anleihen aufkauft und die Länder mit Geld geradezu überschwemmt, kommt die Wirtschaft der Euro-Zone nicht in Schwung. Die Preise, die die EZB eigentlich stabil halten soll, fallen. Dass er nun den Leitzins auf null senkt, erstmals, zeigt vor allem, wie verzweifelt Draghi ist. Er nimmt sich damit den letzten Spielraum, der ihm noch geblieben war. Und er geht eine riskante Wette ein. Dass die Wirtschaft anspringt und die Preise wieder steigen, ist nicht gesagt; dass die Sparer leiden werden, dagegen schon.

Was Draghi mit seiner lockeren Geldpolitik befördert, ist eine massive Umverteilung: von Nord nach Süd, von Sparern zu Schuldnern. Die Schuldenstaaten des Südens sanieren sich auf Kosten unserer Zukunft. Die Leidtragenden sind dabei alle, die Geld für später zurücklegen. Die sich absichern wollen, um auch im Alter ihren Lebensstandard halten zu können.

Sie werden schon heute kaum noch mit Zinsen belohnt – schon bald werden sie wohl draufzahlen müssen. Ein Minuszins aufs Ersparte ist mit der EZB-Entscheidung von Donnerstag noch wahrscheinlicher geworden. Zumal Banker und Politiker sich darauf längst vorbereitet haben. So verlangen Geldinstitute schon jetzt von Großkunden einen Strafzins, wenn sie Geld horten. Technisch ist ein Minus vorm Habenzins kein Problem mehr. Auch das Bundesfinanzministerium hat vorgesorgt und bereits verkündet: Verbraucher können Minuszinsen nicht von der Steuer absetzen.

Damit ist die nächste Krise absehbar. Wie sollen Verbraucher verstehen, warum sie noch Geld fürs Alter zurücklegen sollen, wenn man sie dafür bestraft? Doch das ist fatal. Viele Menschen wird es in die Altersarmut führen. Schließlich sinkt das Rentenniveau aufgrund des demografischen Wandels in den nächsten Jahren drastisch ab. Auf den Staat können die Rentner von morgen sich deshalb nicht mehr verlassen. Sie sind auf eine private und betriebliche Altersvorsorge angewiesen. Deren Systeme sehen einen Minuszins aber nicht vor. Diese Dynamik führt ins Chaos.

Können Lebensversicherer und Pensionskassen ihre Gelder nicht mehr rentabel anlegen, bekommen sie massive Probleme. Immerhin leiden sie schon jetzt enorm darunter, dass sie in normalen Zeiten ihren Kunden hohe Rentenzahlungen zugesagt haben. Wie sie die noch leisten sollen, wenn die Banken tatsächlich den Schalter auf Minuszinsen umlegen, ist allerdings ein Rätsel. Und das ist nur ein Teil des Problems. Ob Bausparkassen, gemeinnützige Stiftungen, Krankenkassen oder die gesetzliche Rentenversicherung, sie alle sind darauf angewiesen, Geld gegen Zinsen anlegen zu können. Geht das nicht mehr, müssen sie die Kosten an die Verbraucher weitergeben. Ein Teufelskreis.

Durchbrechen kann ihn nur die Politik. Mit weiterhin konsequenten Reformen im Süden Europas. Mit mehr staatlichen Investitionen etwa in Infrastruktur oder Bildung. Und mit einem klaren Bekenntnis, zu dem Draghi schon einmal den Mut hatte: „Whatever it takes“ – was immer nötig ist, um die Sparer zu retten.

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