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Handlungsdruck: CDU-Parteichef Armin Laschet.

© Federico Gambarini/dpa

Die Union im Superwahljahr unter Druck: Vermasselt die Masken-Affäre Laschet das Kanzleramt?

Die Führungen von CDU und CSU versuchen den Schaden einzudämmen, doch die Masken-Affäre könnte die Union Vertrauen kosten. CDU-Chef Armin Laschet muss bangen.

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Die Affäre trifft die Union zu einem Zeitpunkt, da schlechte Nachrichten maximal schädliche Wirkung entfalten können. Denn am kommenden Sonntag werden in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg die Landtage neu gewählt.

Am vergangenen Freitag war bekannt geworden, dass nach dem CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein auch dessen Mannheimer CDU-Kollege Nikolas Löbel in fragwürdige Provisionsgeschäfte im Zusammenhang mit Corona-Masken verwickelt sein soll.

Die Führungen von CDU und CSU versuchten den Schaden schnell einzudämmen. Das ganze Wochenende über „glühten die Telefondrähte“ zwischen Landesverbänden, Parteispitze und Fraktion, wie Fraktionschef Ralph Brinkhaus am Sonntag in der ARD erklärte.

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Ein schlechter Start ins Wahljahr kann die Union Vertrauen kosten und ihr noch bei der Bundestagswahl Ende September massiv schaden. Für den neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet kann der Umgang mit der Krise auch zum Testfall für seine Führungsfähigkeit werden. Denn die Kanzlerkandidatenfrage in der Union ist ungeklärt.

Wenn Laschet Schwäche zeigt, könnte das jene Parteifreunde ermutigen, die lieber den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) im Bundestagswahlkampf als Spitzenmann hätte. Aber auch Söder musste reagieren.

Sinkende Umfragewerte

Schon vor der jüngsten Provisionsaffäre sind die Umfragewerte der CDU im Bund deutlich zurückgegangen – ein Trend, den die neuen Nachrichten verstetigen könnte. Schon sehen sich manche Beobachter an das Jahr 1999 erinnert, in dem sich die Partei nach der Spendenaffäre um Helmut Kohl von ihrem langjährigen Vorsitzenden und Kanzler abnabelte und Angela Merkels Aufstieg begann.

Könnte der CDU ausgerechnet im Jahr ihres Abschieds vom Kanzleramt nach 16 Jahren ein ähnlich tiefer Vertrauensverlust wie damals drohen?

Der Druck auf beide Abgeordnete war offenbar groß – oder beide zeigten sich plötzlich einsichtig. Am Montagnachmittag jedenfalls wurde bekannt, dass der Mannheimer CDU-Abgeordnete Löbel nicht nur sein Mandat niederlegt, sondern auch aus der CDU austritt.

Er hatte am Freitag zugegeben, dass eine Firma, die er betreibt, Provisionen in Höhe von etwa 250.000 Euro für die Vermittlung von Kaufverträgen über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim kassiert hat – also in der Region seines Wahlkreises.

Schrittweise raus

Löbel hatte darauf zunächst auf seine Mitgliedschaft im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags verzichtet. Doch Laschet und die baden-württembergische CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann forderten schon am Samstag die Niederlegung des Mandats, nachdem Löbel seinen Austritt aus der CDU/CSU-Fraktion angekündigt hatte.

So glaubte sich auch Nüßlein aus der Affäre ziehen zu können. Am Sonntag verbreitete seine Anwaltskanzlei eine Erklärung, in der der CSU-Politiker „öffentliche Vorverurteilung“ beklagte und die Erwartung aussprach, „dass der derzeit gegen mich gerichtete Anfangsverdacht strafbarer Handlungen noch während meiner Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag widerlegt werden wird“. Aber am Montag verlangte Söder den sofortigen Rückzug aus dem Parlament – und auch, dass Nüßlein und Löbel die Provisionen für einen guten Zweck spenden sollten.

Nüßlein soll über seine Firma Tectum Holding einen hessischen Maskenhersteller an mehrere Bundesministerien vermittelt und dafür mehr als 600 000 Euro in Rechnung gestellt haben. Eine Umsatzsteuervoranmeldung soll er dafür nicht eingereicht haben, weshalb ein Anfangsverdacht wegen Steuerhinterziehung besteht – der Bundestag hatte daher Nüßleins Immunität aufgehoben. Am späten Montagnachmittag wurde bekannt, dass Nüßlein aus der CSU ausgetreten ist.

Die Affäre Amthor

Lobbyismus und Geschäftstätigkeit parallel, aber auch in Verbindung zum Mandat sind nichts Neues in der Unions-Fraktion. Im vorigen Jahr musste der junge Abgeordnete Philipp Amthor auf seine Kandidatur als CDU- Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern verzichten, nachdem publik geworden war, dass er für das US-Unternehmen Augustus Intelligence Lobbyarbeit gemacht hat.

Das Start-up ist im Bereich der künstlichen Intelligenz tätig, zu den Aktionären gehört der frühere Bundesverteidigungsminister und CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg, der mittlerweile in den USA eine Beratungsfirma betreibt. Amthor hatte sich bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für die Firma eingesetzt und nach dem Publikwerden gesagt, kein Gehalt von Augustus Intelligence bezogen zu haben.

Dann kam allerdings auf, dass ihm Reisen bezahlt und zudem Aktienoptionen übertragen worden waren, angeblich mit einem Wert von etwa 250.000 Dollar. Die Amthor-Affäre brachte neuen Schwung in das Verfahren für ein Lobbyregisters, die Koalition verständigte sich erst vor einigen Tagen auf dessen Einführung. Amthor wurde trotz seiner Verwicklung am Samstag von der CDU in Mecklenburg- Vorpommern zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt.

Susanne Eisenmann und Christian Baldauf begriffen schnell, worauf es ankam. Die CDU-Spitzenkandidaten in Baden- Württemberg und Rheinland-Pfalz müssen fürchten, dass eine sich hinziehende Berichterstattung über Löbel und auch Nüßlein ihnen die letzte Wahlkampfwoche verhageln könnte. So forderten sie zügig den Rücktritt Löbels.

Für das Ziel der Christdemokraten, die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) abzulösen, ist die Affäre Gift, wie Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen bestätigt.

Wahlkampf im Südwesten

Viele Menschen reagieren empört darauf, dass sich Unionsvertreter ausgerechnet in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg offenbar die Taschen vollstopften. Schaden, so sagen Vertreter verschiedener Parteien, entstehe damit für die ganze Politik.

Befürchtet wird vor allem ein Vertrauensverlust. Für die CDU aber dürfte der Verlust von Zuspruch trotz aller Distanzierungsversuche am größten sein, denn die politischen Gegner erinnern gern an den Parteispendenskandal Kohls und an weitere Fälle dubioser Geschäftemacherei durch Unionsvertreter.

Noch im vergangenen Jahr hatte die CDU darauf hoffen können, in Stuttgart oder Mainz nach den Landtagswahlen wieder den Ministerpräsidenten zu stellen. Schon vor der jüngsten Zuspitzung der Affäre schien dieses Ziel in weite Ferne gerückt zu sein. Laut Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel sackte die CDU in beiden Ländern zuletzt um je vier Prozentpunkte ab – auf 24 Prozent in Baden-Württemberg und auf 29 Prozent in Rheinland-Pfalz. Kretschmann und Dreyer sind beliebte Ministerpräsidenten, die in ihren Ländern weit mehr Prozentpunkte holen können als ihre jeweiligen Parteien im Bundesdurchschnitt.

Kein guter Start für Laschet

Im Moment ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass CDU-Chef Laschet am kommenden Sonntagabend vor die Kameras treten und nach den ersten Landtagswahlen seiner Amtszeit das Verfehlen der CDU-Ziele erklären muss.

Es wäre kein gelungener Auftakt des Superwahljahres 2021. Laschet hat vorsichtshalber schon darauf hingewiesen, dass er in seiner kurzen Amtszeit nicht dafür verantwortlich sein könne, wie die beiden Wahlen ausgehen. Und sogar parteiinterne Kritiker stimmen ihm in dieser Hinsicht zu.

2017 war es SPD-Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz, der mit drei verlorenen Landtagswahlen (im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen) ins Jahr der Bundestagswahl startete. Auch er war noch nicht lange im Amt, musste dann trotzdem die Bürde des Verlierers tragen. Damals allerdings ging die SPD-Herrschaft in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu Ende. Der CDU, die in Stuttgart und Mainz keinen Ministerpräsidenten stellt, droht diesmal nur das Verfehlen ihrer Wahlziele.

Die K-Frage

Eisenmann ist keine Laschet-Anhängerin, sondern war im parteiinternen Wahlkampf eine Anhängerin von Friedrich Merz in der Frage des Parteivorsitzes – und in der Frage der Kanzlerkandidatur sprach sie sich für Söder aus.

Noch hat die Union nicht entschieden, wen sie als Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken will. Söder hat erklärt, das CDU-Abschneiden im Südwesten habe keine Auswirkung auf diese sensible Frage. Die Anhänger einer Kandidatur des Bayern aber müssen sich daran nicht orientieren.

In den Tage nach möglichen Wahlniederlagen der CDU in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg jedenfalls könnten sich Gegner einer Kanzlerkandidatur Laschets ermutigt fühlen, eine Klärung in ihrem Sinne herbeizuführen.

Das schlechteste Ergebnis aus CDU-Sicht wäre eine Bestätigung der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP in Rheinland-Pfalz und eine weitere Ampelkoalition in Baden-Württemberg. Denn bei den Südwest-Grünen gibt es starke Bestrebungen, die CDU als Koalitionspartner auszutauschen. SPD und FDP, so heißt es, seien zu einem Regierungsbündnis gerne bereit.

Die CDU-Spitze in Berlin fürchtet eine solche Entwicklung. Sie würde als Signal für die Bundestagswahlen angesehen, heißt es. Laschet hat mehrfach gewarnt, dass die anderen Parteien nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel alles tun würden, um die CDU im Bund aus der Regierung zu drängen.

Den Ansprüchen von SPD, FDP und Grünen dagegen könnte eine weitere Ampel in einem Bundesland Auftrieb geben, weil es ihre Koalitionsoptionen und Machtperspektiven im Bund erweitert. Vor allem für SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der im Gegensatz zur SPD- Führung kein Freund einer Linksregierung im Bund ist, wäre das ein Ansporn.

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