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Der Außenminister von Russland, Sergej Lawrow (l-r), der Außenminister der USA, John Kerry, und der UN-Syrien-Sondergesandte Staffan de Mistura sprechen am 12.02.2016 in München (Bayern) nach der Syrien-Konferenz während einer Pressekonferenz. Die Konferenz soll den festgefahrenen Friedensprozess in Syrien wieder in Gang bringen.

© Sven Hoppe/dpa

Vereinbarung über Feuerpause: Die Suche nach Frieden in Syrien

In Syrien soll es schon bald eine Feuerpause geben. Welche Folgen könnte die Vereinbarung von München haben? Fragen und Antworten zum Thema.

Am Tag nach der Syrien-Vereinbarung haben Außenpolitiker aus den USA und Europa mit einer Mischung aus Skepsis und Erleichterung reagiert. Erleichterung, weil überhaupt eine Einigung erzielt werden konnte, nachdem zuvor Syrien-Gespräche in Genf gescheitert waren. Die „New York Times“ nannte das einen „Hoffnungsschimmer“. Zugleich äußerten westliche Regierungsvertreter erhebliche Zweifel, ob die vereinbarte Waffenruhe tatsächlich eintritt und dann hält. US-Außenminister John Kerry sagte, der „wahre Test“ sei, „ob alle die Verpflichtungen einhalten“. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte: „Der Beweis muss jetzt angetreten werden.“

Wie sind die Verhandlungen gelaufen?

Die Kräfteverhältnisse konnte man auch an der Körpersprache der Außenminister Sergej Lawrow und Kerry ablesen. Der Russe trat resolut und selbstbewusst auf, der Amerikaner zurückhaltend. Beide bemühten sich darum, kooperativ zu erscheinen und den Streit der vergangenen Wochen über die russischen Militäraktionen und deren Auswirkungen auf die Diplomatie zu überspielen. Die USA werfen Russland vor, mit Luftangriffen zur Unterstützung der syrischen Bodenoffensive auf die Stadt Aleppo eine militärische Entscheidung zu erzwingen. Das Ziel sei, Fakten zu schaffen, um ihre eigene Verhandlungsposition und die ihres Schützlings, des syrischen Machthabers Baschar al Assad, gegenüber den Oppositionsgruppen zu verbessern.

Hat die Vereinbarung eine Chance auf Umsetzung?

Westliche Außenpolitik-Experten sind skeptisch. Erstens soll die Waffenruhe nicht sofort, sondern erst in einigen Tagen beginnen. Das lasse Zeit für Verzögerungen. Zweitens sei der Kampf gegen Kämpfer des „Islamischen Staats“ und gegen „Terroristen“ von der Waffenruhe ausgenommen. Das ermögliche den syrischen Regierungstruppen wie auch dem russischen Militär die Ausrede, ihre Militäraktionen als Abwehr angeblicher Terroristen darzustellen. Drittens erinnern mehrere Fachleute an das russische Vorgehen im Ukrainekrieg vor den Vereinbarungen von Minsk. Auch damals drangen die Russen auf eine mehrtägige Frist vor Eintreten der Waffenruhe. Die prorussischen Separatisten nutzten diese Zeit, um strategisch wichtige Punkte wie den Eisenbahnknoten Debalzewe zu erobern, und setzten diese Kämpfe dort, wo die Ziele nicht erreicht waren, auch nach der Frist für die Waffenruhe fort. Dieses Muster erwarten die Skeptiker nun auch in Syrien.

Die Regimegegner begrüßen die Einigung grundsätzlich. Aber es gibt auch dort große Vorbehalte, ob sie tatsächlich umgesetzt wird. „Wir wollen Taten und nicht nur Worte“, sagt der Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees der Opposition, Salem Muslit. Viele Menschen in der umkämpften Stadt Aleppo glauben ohnehin nicht an eine Waffenruhe.

Und Assad? Noch gibt es keine offizielle Stellungnahme. Vermutlich wird das Regime nur zähneknirschend einer Feuerpause zustimmen. Denn in den vergangenen Wochen und Tagen hat sich der Krieg zu seinen Gunsten entwickelt. Kein Wunder also, dass er am Freitag die Welt durch ein Interview mit der Nachrichtenagentur AFP wissen ließ, er sei fest entschlossen, ganz Syrien zurückzuerobern. „Es ist nicht logisch zu sagen, dass es einen Teil unseres Landes gibt, auf den wir verzichten.“

Werden Saudi-Arabien, die Türkei und der Iran mitziehen?

Es ist schon mal ein Fortschritt, dass diese Staaten die Verpflichtung von München mit verhandelt haben. Denn sie unterstützen zum Teil massiv eine der Kriegsparteien. Teheran steht fest an der Seite von Machthaber Assad, Ankara und Riad dagegen setzen alles daran, den Präsidenten in Damaskus zu stürzen. Die Regionalmächte könnten also Druck auf ihre Verbündeten auf dem Schlachtfeld in Syrien ausüben, die Kampfhandlungen zumindest vorübergehend einzustellen. Doch die Vorbehalte sind gerade bei Türken und Saudis sehr groß – auch wenn die Verhandlungsergebnisse begrüßt werden.

Sie fordern kategorisch ein sofortiges Ende der russischen Luftangriffe. Nicht zuletzt, weil Moskaus Intervention die Machtverhältnisse in Syrien grundlegend verändern könnte – vor allem zu Lasten des Einflusses der Türkei und Saudi-Arabiens. Was wiederum ganz im Interesse des Iran ist. Die Mullahs in Teheran haben Assad bisher das politische und militärische Überleben gesichert. Weil seine eigenen Soldaten immer häufiger den Dienst verweigern, ist der syrische Präsident auf schiitische Milizen, Afghanen und die libanesische Hisbollah angewiesen. Sie sind der Garant für den erfolgreichen Vormarsch gegen die Aufständischen. Der Pakt mit Assad gründet auf einem Kalkül. Der Irak braucht das syrische Regime als Bindeglied zur schiitischen Hisbollah im Libanon – unter anderem als Drohkulisse gegenüber dem sunnitischen Widersacher Saudi-Arabien und dem verhassten Israel.

Was bedeutet die Vereinbarung für den Kampf gegen den „Islamischen Staat“?

Sowohl die USA als auch Russland haben bereits angekündigt, ihre Angriffe auf Stellungen der Dschihadisten fortzusetzen. Doch auch wenn der IS in den vergangenen Wochen offenbar einige Gebiete aufgeben musste und viele seiner Kämpfer ums Leben gekommen sind: Bisher konnten die Luftschläge die „Gotteskrieger“ nicht ernsthaft in Bedrängnis bringen. Nach wie vor kontrollieren sie große Teile Syriens. Sollte die westliche Anti-IS-Koalition ihre Attacken mit denen der Russen koordinieren, könnte es allerdings für die Extremisten enger werden. Doch daran ist noch nicht zu denken. Vielmehr hat der „Islamische Staat“ bisher davon profitiert, dass ihn Assads Milizen und Putins Kampfjets gerade im Norden Syriens zumeist verschonen.

Einen Großteil ihrer militärischen Schlagkraft setzen die engen Verbündeten nämlich ein, um die bewaffnete Opposition zu schwächen. Die allerdings ist ein erklärter Gegner des IS. Für die bärtigen Fanatiker eine komfortable Situation. Ohnehin stimmen Militärexperten darin überein, dass die Islamisten nur mit Bodentruppen zu bezwingen sind. Dafür braucht es eine schlagkräftige Armee. Doch die ist nicht in Sicht. Deutsche Soldaten auf syrischem Boden soll es jedenfalls nach gegenwärtiger Einschätzung aus Regierungskreisen nicht geben. Es bestehe Einigkeit mit den arabischen Staaten, dass es nicht gut wäre, wenn westliche Truppen dort eingriffen.

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