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Geht für viele alte Windräder allmählich die Sonne unter? Unsere Gastautoren fürchten, dass viele Altanlage die Coronakrise nicht überdauern werden.

© Jens Büttner/dpa

Die Pandemie erreicht die Energiewirtschaft: Wer rettet die alten Windräder?

Corona verhagelt jenen Windradbesitzern die Rechnung, die alte Anlagen „repowern“ wollten. Die Regierung muss Überbrückungshilfe anbieten. Ein Gastbeitrag.

Oliver Krischer ist Vizevorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion, Julia Verlinden ist deren energiepolitische Sprecherin

Vor gut 20 Jahren startete mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der Ausbau von Wind- und Solarenergie in Deutschland durch. Die Idee des Gesetzes: Investoren bauen Wind- und Solaranlagen und erhalten im Gegenzug über 20 Jahre eine feste Vergütung für jede Kilowattstunde Strom, die sie mit den Anlagen ins Stromnetz einspeisen. So entstand ein kalkulierbares Geschäftsmodell und nach und nach wurden immer mehr klimaschonende Kraftwerke gebaut.

2021 läuft nun das Finanzierungsmodell des EEG für die ersten Anlagen aus. Das betrifft allein 5000 Windräder im ersten Jahr. Bis 2025 kommen noch einmal einige tausend hinzu. Die Leistung dieser Windenergieanlagen macht insgesamt etwa ein Drittel der bisher in Deutschland aufgebauten Wind-Kapazität an Land aus. Viele dieser Anlagen können wegen Planungsbeschränkungen nicht durch neue, leistungsfähigere ersetzt werden – das sogenannte Repowering.

Um solche Altanlagen dennoch in Betrieb zu halten und weiterhin sauberen Strom damit zu produzieren, müssen die Windräder einen Mindestertrag erwirtschaften. Denn auch wenn der Wind nichts kostet und die Anlage abgeschrieben ist fallen weiterhin Kosten für Betrieb, Wartung, Versicherung und Abrechnung an.

Doch Corona hat auch hier einen Strich durch viele Kalkulationen gemacht. Wegen der abnehmenden Wirtschaftsleistung und der nach wie vor bestehenden Überkapazitäten bei Kohle- und Atomkraftwerken ist der Strompreis am Markt immer weiter gesunken. So bekommen Windparkbetreiber inzwischen immer seltener einen auskömmlichen Preis, wenn sie ihren Strom direkt über den Stromhandel vermarkten wollen. Für den Windstrom gab es an der Strombörse im ersten Halbjahr 2020 meistens nur rund zwei Cent pro Kilowattstunde, zum Teil sogar deutlich weniger. Dafür lohnt der Betrieb nicht. Spätestens wenn Reparaturen anstehen, ist es dann vorbei mit dem Windrad.

(Lesen Sie hier bei T-Plus: 90 Prozent der Windräder drehen sich falsch herum)

Notwendig ist jetzt eine Überbrückung für die betroffenen Windenergie-Anlagen, bis sich der Markt nach Corona wieder stabilisiert. Andernfalls droht in den kommenden Jahren der Abbau vieler Windräder und schlimmstenfalls – trotz Aufbau neuer Anlagen – unterm Strich sogar ein erheblicher Rückgang bei der Windenergie. Denn zuletzt wurden wegen falscher Weichenstellungen der Bundesregierung immer weniger neue Windprojekte in Deutschland realisiert.

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Unser Vorschlag ist, den Betreibern von 20 Jahre alten Windrädern für einen Übergangszeitraum von bis zu zwei Jahren einen Mindestpreis für den Windstrom am Markt in der Größenordnung von 3,5 Cent pro Kilowattstunde zu garantieren. Damit können die laufenden Kosten der Anlage gedeckt und ein Betriebsanreiz aufrechterhalten werden, solange der Strompreis coronabedingt im Keller ist. Dieser Betrag liegt deutlich unter der Vergütung für neue Anlagen und schlägt so kaum in der Umlage auf die Stromkundinnen und -kunden zu Buche.

Über den Garantiepreis würde zudem nur die Differenz zum tatsächlich an der Börse erzielten Marktpreis ausgeglichen. Je näher der Marktpreis an der 3,5 Cent-Marke, desto niedriger fällt also der aufzubringende Zuschlag aus. Die Abrechnung kann wie bisher über das EEG-Konto und damit ohne bürokratischen Mehraufwand erfolgen. Sobald der Börsenstrompreis wieder steigt, können die Erlöse direkt am Markt erzielt werden und es sind keine zusätzlichen Zahlungen erforderlich.

Investitionen in Erneuerbare Energien bringen doppelten Nutzen

Gleichzeitig brauchen wir einen echten Schub für den Bau neuer Windenergie-Anlagen. Denn hier steht die Regierungskoalition weiter auf der Bremse. Die Bundesregierung muss endlich verstehen, dass Investitionen in Erneuerbare Energien doppelten Nutzen bringen. Sie schaffen nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze im Land und helfen gleichzeitig, die Klimakrise und deren hohe Folgekosten abzumildern. Die Regierung hat es jetzt in der Hand, mit den richtigen Rahmenbedingungen den Ausbau von Wind- und Solarenergie zu beschleunigen und bestehende Anlagen zu erhalten. Angesichts einer dramatischen Beschleunigung der Klimakrise können wir es uns nicht leisten, wertvolle Windenergie in Deutschland stillzulegen und den notwendigen Kohleausstieg zu verzögern. Die Zeit drängt, denn ab dem 1.1.2021 stehen die ersten Windenergieanlagen zur Disposition. Die Regierung muss handeln, und zwar sofort, für die alten Anlagen und für den Bau vieler neuer Windräder.

Oliver Krischer, Julia Verlinden

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