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Will Smith mit seinem Oscar für den besten Hauptdarsteller.

© IMAGO/Future Image

Will Smith ohrfeigt Moderator Chris Rock: Die Oscar-Verleihung zeigte die Macht von Gewalt

Es war nicht die Show, die weitergehen muss, sondern die Herrschaft der Tat. Warum der Schlag des Schauspielers unverzeihlich ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Preisverleihungen sind öde. Beim Filmpreis Oscar kann es anders sein, dem Glanz der Geehrten sei Dank und der Komik der Moderierenden. Am Gag über den rasierten Kopf von Jada Pinkett Smith ist der sympathische Leichtsinn von Komiker Chris Rock hervorzuheben, ihn gemacht zu haben.

Witze über Krankheiten sind ungehörig, zuweilen aber komisch. Es gibt Unterschiede. Wäre der Haarverlust Ergebnis einer Chemotherapie, hätte Rock den Scherz wohl unterlassen. Gegen Sitten darf nur verstoßen, wer den Anstand wahrt.

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Eigentlich bedürfte es dieser Vorrede nicht, denn der Gewaltausbruch, der darauf folgte, ist durch nichts zu rechtfertigen. „Ohrfeige“ verniedlicht die Tat, es handelt sich um eine Körperverletzung. Wer in seinem Leben einmal unerwartet ins Gesicht geschlagen wurde, wird dies nie wieder vergessen.

Ein offenbar desorientiertes Publikum applaudierte ergriffen

Will Smith, der Gatte der Gekränkten, wird sich darüber weniger Gedanken gemacht haben als Chris Rock über seinen Joke. Zurück auf seinem Platz, zündete der Schauspieler die nächste Stufe. Er schrie Rock an, den Namen seiner Frau aus seinem „fucking“ Mund zu nehmen.

Es war ein Moment der absoluten Herrschaft im Saal. Smith brach alle Regeln und unterwarf sie seiner Handgreiflichkeit. Vollendet wurde der Triumph seiner Macht, indem über den Vorfall hinweggegangen wurde. Smith hätte sich vielleicht noch retten können, indem er den Tatort unmittelbar nach der Entgleisung aus eigenem Entschluss verlassen hätte.

Doch fehlte ihm der Anstand dafür. Seine weinerliche Rede, in der er anschließend davon sprach, seine Frau beschützen zu wollen, muss nicht nur seinem Opfer wie Hohn erschienen sein. Ein offenbar desorientiertes Publikum applaudierte dennoch ergriffen.

Gewalt setzt anderen Grenzen, ohne selbst welche zu kennen

Der Vorgang dokumentierte keine amerikanische Stärke nach dem Muster der Show, die weitergehen muss, sondern westliche Schwäche. Gewalt setzt anderen Grenzen, ohne selbst welche zu kennen. Sie zwingt alle zur Unterordnung, die nicht selbst kämpfen wollen oder können.

Das gilt auch für die sprachliche Gewalt, mit der Smith den Saal erobern konnte und dem Moderator den Mund verbot. Die beeindruckende Selbstgewissheit, mit der Smith sie ausübte, erzeugte noch größeren Grusel als seine körperliche Attacke. Chris Rocks pointenfreies Versprechen, er werde sich daran halten, zeigte, wie eingeschüchtert der Moderator durch diese Ansage war.

Ob noch etwas kommt, was in Medien Nachspiel genannt wird – einem Ausschluss aus der Academy ist Smith inzwischen durch einen Austritt zuvorgekommen –, ist unerheblich. An jenem Abend versagten fast alle; Smith und die, die ihn beklatschten, ebenso wie Jada Pinkett Smith, die ihren Mann hätte zurückhalten oder ihm ins Wort fallen können; die Organisatoren des Events sowieso.

Von Chris Rock heißt es, seine Shows verkauften sich gut jetzt. Es ist ihm zu gönnen.

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