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Viele Atomkraftgegner sind Wähler der Grünen. Nun muss genau diese Partei Atomkraft als grün einstufen lassen.

© Markus Hibbeler /dpa

„Klima-Siegel“ für Gas-und Atomkraftwerke: Die ökologische Mogelpackung beschädigt den Ruf der EU

Die EU stuft Kernkraft als nachhaltig ein. Das ist ein Rückschlag auf Europas Weg zur Klimaneutralität - und ein bitterer Moment für die Grünen. Ein Kommentar.

Es ist ein absolut bitterer Moment für die deutschen Grünen. Die Anti-Atomkraft-Partei sitzt vier lange Jahrzehnte nach ihrer Gründung endlich in Berlin an den Schalthebeln der Macht und muss nun zerknirscht zusehen, wie in der EU ausgerechnet Kernkraft als „nachhaltige“ Energieform deklariert wird.

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Der Versuch, die sogenannte Taxonomie im Europaparlament noch zu stoppen, ist sehr wahrscheinlich nicht von Erfolg gekrönt. Zu hoch ist die Hürde einer absoluten Mehrheit für diesen Plan und zu klein die Phalanx der Atomkraftgegner in Europa.

Im Herbst unterschrieben neben Deutschland nur Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal ein Positionspapier gegen die Kernenergie in der Taxonomie. Möglich sind noch Klagen gegen das Verfahren.

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Von der Leyen präsentierte sich gerne als Klimavorkämpferin

Das ganze Prozedere ist nicht nur ein Rückschlag auf dem Weg zu einem klimaneutralen Kontinent. Der Europäischen Union gelingt es auch, den eigenen Ruf gleich auf mehreren Ebenen zu beschädigen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte sich gerne mit erhobenem Zeigefinger als Vorkämpferin gegen den Klimawandel. Als Vorbild für die ganze Welt sollten die EU-Staaten gelten. Investoren wäre endlich eine transparente und wissenschaftlich fundierte Richtschnur an die Hand gegeben worden, wie grüne Fonds aufgestellt sein müssen.

Doch aus all den vollmundigen Versprechungen wird nun nichts, denn die EU-Kommission setzt in den kommenden Jahrzehnten mit Atomkraft auf eine höchstumstrittene Energieform, die weder sicher noch wirklich sauber und damit auch nicht nachhaltig ist.

Auch wie die Atomkraft ihren Weg auf die Liste der nachhaltigen Energieformen fand, war nicht gerade ein Beispiel an politischer Transparenz. Höhepunkt dieses fast schon EU-typischen Geschachers war, dass die Kommission die Taxonomie an Silvester, kurz vor Mitternacht veröffentlichte. Der Verdacht liegt nahe, dass unliebsame Kritik erst einmal verpuffen sollte.

Die Anleger selbst können den Taxonomiegedanken noch hochhalten

Da die Taxonomie mit der Aufnahme von Atom und Gas ihren ureigenen Wert verloren hat, liegt es nun in der Umsicht der Anleger, nachhaltige Projekte zu finden. Denn nach der Definition der EU-Kommission wäre es möglich, dass ein Sparer zukunftsträchtig in Solarparks oder Windenergie investieren will, sein Geld stattdessen aber in ein Kernkraftwerk fließt.

Damit das nicht passiert und der ursprüngliche Gedanke der Taxonomie entwertet wird, sind nun Transparenzvorgaben für die Öko-Fonds in Arbeit. So soll ein Finanzanbieter seinen Kunden offenlegen müssen, ob sein Portfolio ausschließlich Aktien und Anleihen von tatsächlich „grünen Unternehmen“ beinhaltet oder auch Papiere von Gas- und Kernkraftfirmen.

Der erhoffte Effekt wird ausbleiben

Doch ist das nur die Reparatur an einem grundsätzlichen Problem. Die Folge wird sein, dass Investoren abspringen, weil die Taxonomie im Grunde eine ökologische Mogelpackung ist. Der erhoffte Effekt, dass schnell wesentlich mehr Geld in Öko-Finanzprodukte fließt, wird weitgehend ausbleiben. Zudem ist zu befürchten, dass einige Firmen die Taxonomie zum sogenannten „Greenwashing“ nutzen werden, sich also umweltfreundlicher verkaufen, als sie in Wirklichkeit sind.

Doch auch die deutschen Grünen sind in Sachen Taxonomie von ihrer reinen Lehre abgerückt, was nicht allen in der Partei gefällt. Denn bei der Einstufung von Gaskraftwerken als „nachhaltig“, drückt die Führungsriege der Ökopartei zum Wohle des Koalitionsfriedens großzügig ein Auge zu. So verurteilen zwar alle Grünen empört die Aufnahme der Atomkraft in die EU-Taxonomie. Dass auch Gas ein grünes Label hat, wird als großer Fehler der Vorgängerregierung gebrandmarkt. Das aber ist der Preis, den die Grünen für den Machterhalt zu zahlen bereit sind

Knut Krohn

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