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Boris Johnson (l.) und Donald Trump können beide Stimmungen erzeugen - und damit glaubwürdiger werden?

© imago images / Xinhua

Die neue Leichtgläubigkeit: Wer glaubt den Parolen der Populisten?

Je besser sich Menschen fühlen, desto eher sind sie bereit, zu glauben, was ihnen erzählt wird. Trump, Johnson & Co. profitieren davon. Ein Gastbeitrag.

Raj Persaud ist Buchautor und Psychiater in London.

Der amerikanische Präsident hat bereits verkündet, der neue britische Premierminister Boris Johnson sei beliebt, weil er als „Britains Trump“ gelte. Beide Politiker gelten als „Populisten“ – was für Zyniker bedeutet, frech zu lügen, wenn es Wählerstimmen einbringt.

Aber wichtiger scheint zu sein, dass der Erfolg von Trump, der Brexit und andere populistische Unterfangen, darauf hinweisen könnten, dass die Wähler immer leichtgläubiger werden. Obwohl es verlockend ist, Fake News und die sozialen Medien verantwortlich zu machen, weist die jüngste psychologische Forschung in eine andere und vielleicht noch überraschendere Richtung.

Die wütenden Parteien und der Wohlstand

Gemeinhin wird angenommen, Menschen stimmten für disruptive Populisten hauptsächlich aus Wut und Ressentiments. Aber Populismus und Unterstützung für Parteien, die dem Status quo feindlich gesinnt sind, nehmen in einer Zeit zu, in der Meinungsumfragen darauf hindeuten, dass die Wähler im Allgemeinen nie glücklicher waren. Neue Forschungen von Joseph Forgas, einem Psychologieprofessor an der University of New South Wales in Australien, geben dafür eine überzeugende Erklärung: Glückliche Menschen sind leichtgläubiger.

In einer Reihe von Experimenten fand Forgas heraus, dass negative emotionale Zustände die Leichtgläubigkeit bei Menschen verringern, während eine positive Stimmung die Leichtgläubigkeit erhöht. Darüber hinaus argumentiert Forgas, dass sich die Offenheit der Wähler für einfache, populistische Botschaften als überraschend wichtig erwiesen hat, um die jüngsten politischen Ereignisse wie Brexit, die Vorherrschaft von Trump und die Wahl populistischer Autokraten in Ländern wie Ungarn und der Türkei zu beeinflussen.

Wer mies drauf ist, ist auch kritischer

Forgas’ Studie wurde teilweise durch frühere klinische Forschungen zum Konzept des „depressiven Realismus“ inspiriert, das davon ausgeht, einer der Vorteile der Negativität bestehe darin, dass sie eine genauere Einschätzung darüber liefern kann, wie unangenehm das Leben, die Welt und andere Menschen sind. In ähnlicher Weise hatten andere frühere Forschungen ergeben, dass Menschen mit schlechter Laune die sprachliche Mehrdeutigkeit, die ein Markenzeichen von Populisten und windigen Politikern ist, leichter erkennen können.

Im Rahmen seiner Studie untersuchte Forgas die menschliche Tendenz, in leeren Aussagen Bedeutung zu finden, indem er die Teilnehmer aufforderte, die Aussagekraft von sinnlosen Texten zu bewerten. Dazu gehörten „New Age“-Worthülsen – zum Beispiel „Gute Gesundheit verleiht subtiler Kreativität Realität“ – und sinnlose pseudowissenschaftliche psychologische Fachbegriffe wie „subjektive instrumentale Sublimierungen“. Teilnehmer in positiver Stimmung lasen in dieses Kauderwelsch mehr Bedeutung hinein.

Studien haben den Zusammenhang gezeigt

In einem weiteren Experiment von Forgas erlebten Studenten in einem Hörsaal zunächst einen inszenierten aggressiven Streit mit einem Dozenten und einer plötzlich eintretenden Frau. Eine Woche später erhielten die Augenzeugen dazu irreführende Informationen. Forgas fand heraus, dass eine positive Stimmung die Bereitschaft, diese irreführenden Informationen zu glauben, erhöhte, während eine negative Einstellung das verhinderte.

Andere Versuchsteilnehmer wurden gebeten, die Echtheit einer Reihe von Gesichtsausdrücken zu bewerten, die von Schauspielern gezeigt wurden, Glück, Wut, Traurigkeit, Ekel, Angst. Teilnehmer in einer positiveren Stimmung glaubten, die Ausdrücke seien echter als die in einem negativen emotionalen Zustand.

Forgas’ wichtigste Schlussfolgerung ist, dass eine gewisse Depression uns weniger leichtgläubig machen kann, insbesondere wenn es um die Außenwelt geht. Dies könnte sogar ein Überlebensmechanismus sein, der durch die Evolution unserer Spezies in unser Gehirn eingekoppelt wird. Wenn Menschen mit Raubtieren konfrontiert wurden, schürte die Gefahr Angst oder negative emotionale Zustände, was uns wachsamer gegenüber Umweltbedrohungen macht.

Johnson erzeugt positive Stimmungen. Liegt da die wahre Gefahr?

Zufriedenheit hingegen bedeutete, dass wir uns entspannen und aufhören konnten, die Büsche nach Löwen abzusuchen. Negative Emotionen funktionieren also wie ein mildes evolutionäres Warnsignal. Sie fördern Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, was unsere Sensibilität für falsche oder irreführende Informationen erhöht – auch in politischen Debatten.

Es heißt, es sei unmöglich, Johnson nicht zu mögen, wenn man ihn einmal getroffen habe. Doch seine sympathische Ausstrahlung und sein Talent, eine positive Stimmung zu erzeugen, lenken die Aufmerksamkeit von der Frage nach seiner Regierungsfähigkeit ab. Die Freundlichkeit populistischer Politiker wie Johnson mag das eigentliche Geheimnis ihres Erfolgs sein, aber nach dieser neuen Forschung könnte sie auch die Quelle der Gefahr sein, die sie darstellen.

Aus dem Englischen von Eva Göllner. Copyright: Project Syndicate, 2019. www.project-syndicate.org

Raj Persaud

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