zum Hauptinhalt

Die Morgenlage aus der Hauptstadt: Der Boxer Ünsal Arik wird bedroht, weil er Erdogan kritisiert

HC Strache zieht sich aus der Politik zurück +++ Klimanotstand in Berlin war zu verhindern +++ Union öffnet sich für Lobbyregister

Von Robert Birnbaum

Die wichtigsten Nachrichten aus Politik und Wirtschaft ab 6 Uhr morgens in unserer Tagesspiegel Morgenlage. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen.

Wer verdient heute etwas Aufmerksamkeit? Da wäre zum Beispiel HC Strache. HC kommt ursprünglich von Hans-Christian, wurde aber in den letzten Jahren zu einer Art Markennamen: HC war der Wunderwuzzi von der FPÖ, Parteichef, Vizekanzler, Daueraufsteiger. Seit der legendären Nacht auf Ibiza, in der HC zwecks kommoder Machtübernahme halb Österreich an eine vermeintliche russische Oligarchennichte verscherbeln wollte, ist die Marke verbrannt. Gestern kündigte Strache den Rückzug aus der Politik an – jedenfalls mal, so lange das Strafverfahren gegen ihn läuft. Also ganz sicher so lange, wie Sebastian Kurz, der siegreiche Wunderwuzzi der Neuwahl am Sonntag, dafür braucht, sich für einen Koalitionspartner zu entscheiden. Und schaun’s, liebe Leser: Ohne den HC erscheinen ihm die Freiheitlichen, die er gerade erst mit angewiderter Geste aus der letzten Regierung rausgeworfen hatte, doch bestimmt gleich wieder viel leiwander.

Ünsal Arik wird nur denjenigen etwas sagen, wenn Sie sich fürs Boxen interessieren. Der 38-Jährige ist amtierender Europameister im Superweltergewicht (bis 69,853 Kilo) und der lebende Beweis dafür, wie weit man es mit veganer Ernährung im Leistungssport bringen kann. Arik ist aber auch ein erklärter Gegner des türkischen Präsidenten Recep Tayipp Erdogan, den er öffentlich einen „Diktator“ nennt. Seit sich der gebürtige Oberpfälzer in Berlin auf den Kampf um die Weltmeisterschaft vorbereitet, bekommt er den Hass der Erdogan-Anbeter zu spüren. Ständig wird er auf der Straße angepöbelt und bedroht. Als ihn mein Kollege Sebastian Leber traf, setzte Arik sich im Cafe in eine Ecke mit dem Rücken zur Wand: Man wisse ja nie, wann ein Verrückter mit dem Messer auftauche. Die Geschichte eines Mannes, der den schwersten Kampf nicht im Ring austrägt.

Von Lothar Stock haben Sie höchstwahrscheinlich noch nie etwas gehört. Stock war bis 2017 Leiter des „Sonderreferats Klimaschutz und Energie“ beim Berliner Umweltsenator, der damals Michael Müller hieß und heute unser Hauptstadtländchen regiert. Als die jetzt zuständige Senatorin Regine Günther von den Grünen unlängst den „Klimanotstand“ für Berlin ankündigte, traute der Ex-Spitzenbeamte seinen Ohren nicht. Hatten er und seine Mitarbeiter nicht seinerzeit extra das „Berliner Energie- und Klimaschutzkonzept“ (BEK) entwickelt, um genau solchen Notstand gar nicht erst aufkommen zu lassen? Hatte der Senat das Konzept nicht beschlossen und wollte es umsetzen? Stock ist vom Dienst freigestellt und hat vermutlich Gründe, der grünen Senatorin gram zu sein. Aber die Zwischenbilanz, die er in einem Standpunkt für den Background Energie und Klima zieht, klingt doch in Berliner Ohren nur allzu vertraut: Berichten an das Abgeordnetenhaus über die Umsetzung des BEK sei zu entnehmen, dass „vor allem Studien, Prüfberichte, Beratungsprojekte und Öffentlichkeitsarbeit auf den Weg gebracht wurden“ – vulgo heiße Luft statt Schutz der Stadtluft.

Der letzte, um den es heute gehen soll, ist leider oft unsichtbar. Das trägt zum schlechten Ruf des Lobbyisten erheblich bei, nährt es doch den Verdacht, dass er mit Grund das Licht der Öffentlichkeit scheut. Dabei ist der schlechte Ruf oft gar nicht gerechtfertigt. Sicher, es gibt in der Branche ein paar Grobschlächtige, die ihre Ziele mit unlauteren Mitteln durchzuboxen versuchen. Aber kluge Lobbyisten bringen die Interessen ihres Brötchengebers mit Argumenten zur Geltung und akzeptieren, wenn Regierung und Abgeordnete die für nicht stichhaltig befinden. Kluge Lobbyisten sind auch für mehr Transparenz. Sie haben verstanden, dass das Klandestine ihnen selbst am meisten schadet und nur denen nützt, die aus dem Kampf gegen das vermeintliche Böse ihr Geschäftsmodell machen. Große Wirtschaftsverbände fordern längst selbst ein Lobbyregister beim Bundestag. Wer sich hingegen quer stellt, ist die Politik und vor allen anderen die Union. Aber selbst dort scheint ein Umdenken in Gang zu kommen. Vielleicht wollen sich ja auch CDU und CSU nicht länger dem Verdacht aussetzen, dass sie den unsichtbaren Lobbyisten verteidigen, weil sie mit dem sichtbaren nicht gesehen werden wollen.

Geburtstagsmensch des Tages ist Ralf Stegner, SPD-Vize und Kandidat für den Parteivorsitz, der heute seinen runden 60. feiert. Glückwünsche leitet sicher gerne sein Fraktionssprecher im Kieler Landtag weiter: H.Zwischenberger@spd.ltsh.de. Außerdem finden hoffentlich Zeit zum Feiern: Lisa Badum (36, Grüne, Deutscher Bundestag, Gratulation an lisa.badum@bundestag.de), Alexander Dierks (32, CDU, Sächsischer Landtag, Glückwunsch an alexander.dierks@slt.sachsen.de), Dominik Lorenzen (42, Grüne, Hamburgische Bürgerschaft, Geburtstagpost an seinen Büroleiter fabian.klabunde@gruene-fraktion-hamburg.de), Jan-Marko Luczak (44, CDU, Deutscher Bundestag, Glückwunsch an jan-marco.luczak@bundestag.de), Bernd Rützel (51, SPD, Deutscher Bundestag, Grußmail an bernd.ruetzel.mdb@bundestag.de), Judith Skudelny (44, FDP, Deutscher Bundestag, Gratulation an judith.skudelny@bundestag.de) und Mehmet Yildiz (42, Linke, Hamburgische Bürgerschaft, Glückwunsch an mehmet.yildiz@linksfraktion-hamburg.de).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false