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Die Leichen wurden in dem Lkw nahe London gefunden.

© Hannah McKay/Reuters

Leichen-Fund in Essex: Die meisten der 39 Toten im Lkw könnten aus Vietnam stammen

Nach dem Fund von 39 Leichen nahe London hieß es zunächst, die Opfer seien Chinesen. Nun verdichten sich Hinweise, dass die Mehrheit aus Vietnam kam.

Die meisten der vergangene Woche in Essex nahe London in einem Lastwagen gefundenen 39 Todesopfer stammten wahrscheinlich aus Vietnam. Ein katholischer Priester aus der abgelegenen Ortschaft Yen Thanh in der verarmten Provinz Nghe An sagte, er stehe in Verbindung mit den Angehörigen der Toten, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Sie hätten ihm berichtet, dass Verwandte zu dieser Zeit nach Großbritannien gelangen wollten und dass sie nun vergeblich versuchten, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.

Angehörige berichten von vergeblichen Kontaktversuchen

Die britische Polizei hatte die Leichen der 38 Erwachsenen und eines Teenagers in einem Lkw in einem Industriegebiet östlich von London entdeckt. Zunächst hatte die Polizei vermutet, es handele sich bei den Toten um Chinesen. Das wurde von chinesischen Behörden nicht bestätigt.

Die Nachrichtenagentur AFP berichtete am Samstag auch von Kontakt zu Angehörigen. Er habe einen Anruf von einem Vietnamesen erhalten, der ihn über den Tod seines Sohnes auf dem Weg nach Großbritannien informiert habe, sagte Nguyen Dinh Gia am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Am Freitag hatte bereits eine andere vietnamesische Familie Befürchtungen geäußert, dass eine Angehörige unter den Toten ist. Die Ermittler waren zunächst davon ausgegangen, dass alle Opfer aus China stammten.

Nguyen sagte AFP, sein 20-jähriger Sohn habe sich seit 2018 illegal in Frankreich aufgehalten und wollte für rund 12.600 Euro nach Großbritannien weiterreisen, um dort in einem Nagelstudio zu arbeiten. Vor einigen Tagen habe der Vater dann einen Anruf von einem Vietnamesen erhalten, der ihn um "Verständnis" bat und sagte, dass etwas "Unerwartetes passiert" sei.

Nguyen bat die vietnamesischen Behörden um Hilfe bei der Identifizierung seines Sohns. Von Kontaktpersonen in Großbritannien erfuhr er, dass der 20-Jährige Paris am Nachmittag des 21. Oktobers verlassen habe - zwei Tage vor dem grausigen Fund der Leichen nahe London.

Die Opfer könnten chinesische Pässe bei sich gehabt haben

Am Freitag hatte bereits der Vietnamese Pham Manh Cuong davon berichtet, dass seine Schwester unter den Toten sein könnte. Nach seinen Angaben war die 26-Jährige Anfang Oktober aus Vietnam nach Großbritannien aufgebrochen. Am Dienstagabend habe sie dann ihrer Mutter eine verzweifelte SMS geschickt. "Es tut mir Leid, Mama. Mein Weg ins Ausland hat keinen Erfolg. Mama, ich liebe Dich so sehr! Ich sterbe, weil ich nicht atmen kann."

Pham sagte AFP, die SMS sei echt und wenige Stunden vor dem Leichenfund am Mittwochmorgen abgeschickt worden. Auch aus vietnamesischen Sicherheitskreisen hieß es, unter den 39 Toten könnten vietnamesische Staatsangehörige sein. Ein Sprecher der vietnamesischen Botschaft in London sagte zudem, die diplomatische Vertretung sei von einer vietnamesischen Familie kontaktiert worden, die ihre Tochter seit der Entdeckung des Lastwagens vermisse.

Weitere Festnahmen im Zuge der Mordermittlungen

Die beiden mutmaßlichen Opfer könnten bei der Reise nach Großbritannien gefälschte chinesische Pässe bei sich getragen haben. Sie stammen aus der verarmten Provinz Ha Tinh im Zentrum des Landes, aus der viele illegale Migranten kommen. Viele zahlten für ihre Reise mit gefälschten Dokumenten zehntausende Euro - in der Hoffnung, vor allem in Großbritannien in Nagelstudios oder auf Cannabisfarmen arbeiten zu können.

Grays liegt wenige Kilometer östlich von London.

© von Google Maps

Im Zuge der Mordermittlungen hatte die britische Polizei am Freitag weitere Verdächtige festgenommen. Zunächst setzte die Polizei einen 38 Jahre alten Mann und eine Frau gleichen Alters aus dem nordenglischen Warrington fest. Ihnen würden Menschenhandel in 39 Fällen sowie Totschlag in 39 Fällen vorgeworfen, teilte die Polizei am Freitag mit. Später gab die Polizei noch die Festnahme eines 48-Jährigen aus Nordirland am Londoner Flughafen Stansted bekannt. Er stehe im Verdacht, an den Taten beteiligt gewesen zu sein.

Der bereits zuvor festgenommene, in Nordirland wohnhafte Fahrer des Lastwagens, in dem die Leichen gefunden worden waren, stehe weiter unter Mordverdacht und bleibe hinter Gittern, teilte die Polizei weiter mit. Der Inhaftierungsbeschluss gegen ihn sei am Donnerstag verlängert worden. Im Internet kursierten derweil Online-Petitionen, in denen seine Freilassung gefordert wird.

Unklar blieb zunächst, ob er oder jemand anderes die Polizei informiert hat und was er über den Inhalt des Sattelaufliegers wusste. Die Zugmaschine war aus Irland gekommen, der Auflieger kam über den belgischen Hafen Zeebrugge nach England - per Schiff wurde er von Belgien in den Hafen Purfleet gebracht. Die Zugmaschine transportierte ihn dann in ein Industriegebiet in Grays östlich von London. Wann und wo die Menschen in den Lkw gelangten, ist derzeit völlig unklar. (Reuters, AFP, dpa)

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