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Irlands Europaminister: „Die Krise zeigt, wie nötig eine starke EU ist“

Irlands Europaminister Dick Roche im Interview mit dem Tagesspiegel zur Schieflage der Banken und zum Nein seines Landes zum Reformvertrag,

Seit die Iren den Lissabon-Vertrag im Juni in einem Referendum abgelehnt haben, sucht die EU nach einem Ausweg aus der diplomatischen Krise. Jetzt ist auch noch eine Finanzkrise hinzugekommen. Was bedeutet die Schieflage des Bankensystems, von der auch Irland stark betroffen ist, für das Schicksal des Lissabon-Vertrages?

Die Finanzkrise zeigt doch wieder einmal, wie wichtig ein starkes Europa ist, wenn es um globale Herausforderungen geht. Die EU ist wie geschaffen, um der weltweiten Verwerfungen auf den Finanzmärkten Herr zu werden. Die Finanzkrise sollte gerade der Geschäftswelt deutlich machen, dass Irlands Platz mitten in Europa ist.

Es ist Ihr persönlicher Wunsch, dass das irische Referendum über den Lissabon-Vertrag wiederholt wird. Ist eine solche Wiederholung mitten in der Finanzkrise überhaupt denkbar?

Wenn ein echter Sturm in der Weltwirtschaft heraufzieht, dann konzentrieren sich die Menschen natürlich darauf. Sie wollen wissen, was mit ihren Spareinlagen geschieht, mit ihrer Existenz, mit der Zukunft ihrer Kinder. Aber ich muss auch sagen: Die Finanzkrise könnte den Leuten auch die Augen dafür öffnen, dass ein kleines Land wie Irland, das sich den Märkten geöffnet hat, in Europa nicht abseitsstehen kann.

Beim EU-Gipfel am kommenden Mittwoch und Donnerstag werden die übrigen Staats- und Regierungschefs vom irischen Premierminister Brian Cowen hören wollen, wo Irland vier Monate nach dem Nein zum Reformvertrag steht. Welche Antwort wird Cowen beim Gipfel geben?

Er wird einen Bericht darüber abgeben, was wir bis jetzt unternommen haben. Die Regierung hat sehr detailliert untersucht, von welchen Motiven sich die irische Bevölkerung leiten ließ, als sie am 12. Juni abstimmte. Zum anderen wird er darauf hinweisen, dass wir immer noch alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, die uns zur Verfügung stehen. Wir schließen bisher keine Möglichkeit aus, wir haben aber auch noch keine Festlegungen getroffen. Die Diskussion ist in vollem Gange – beispielsweise in der Frage, ob man Bestandteile des Lissabon-Vertrages auf dem Gesetzgebungsweg und andere Teile per Referendum ratifizieren könnte. In meinen Augen lässt sich das Referendum nur wiederholen, wenn wir den Bedenken des irischen Volkes Rechnung getragen haben. Ich glaube, dass wir das schaffen können. Aber es ist noch sehr viel Arbeit nötig, bevor wir diesen Punkt erreichen.

Wann ist eine Wiederholung des Referendums denkbar?

Es ist zu früh, um über ein Datum für ein zweites Referendum zu reden. Wir müssen erst das Analyse-Verfahren nach der Ablehnung im Juni abschließen. Mir ist ganz klar, dass das frustrierend ist. Wir verstehen völlig, dass der Krieg im Südkaukasus und die Finanzkrise verdeutlichen, wie notwendig ein starkes Europa ist. Uns ist daher klar, dass die übrigen 26 EU-Staaten zunehmend unruhig werden, was das Thema des Reformvertrages anbelangt. Aber eine tragfähige Lösung ist besser als eine schnelle Lösung.

Im Europaparlament ist der Vorwurf erhoben worden, dass die Kampagne des irischen Geschäftsmannes Declan Ganley gegen den Lissabon-Vertrag vom Pentagon mitfinanziert worden sei. Ist der Vorwurf haltbar?

Es gibt keine Anzeichen, dass die amerikanische Regierung die „Nein“-Kampagne finanziert hat. Es besteht allerdings kein Zweifel, dass die Sicht, die Herr Ganley auf die EU hat, sehr an die Europhobie der Neokonservativen in den USA erinnert. Man muss ihm auch vorwerfen, dass er nicht offen mit der Frage umgeht, wie viel Geld in seine „Nein“-Kampagne geflossen ist und woher das Geld stammte. Das wird von der zuständigen Behörde untersucht werden müssen.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

Dick Roche (61)

ist Irlands

Europaminister. Er gehört der bürgerlichen irischen Regierungspartei

Fianna Fail

von Premierminister Brian Cowen an.

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