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Papst Franziskus im Vatikan.

© REUTERS/Alessandro Bianchi/File Photo

Plenarsitzung des Synodalen Wegs: Die katholische Kirche könnte als erzkonservative Sekte enden

Sie bewegt sich, aber viel zu langsam. Laien und Bischöfe müssen eiliger vorankommen. Nur so können Sie auch Druck auf Rom machen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Benjamin Lassiwe

Die Reaktionen der Bischöfe waren bemerkenswert: Als sich vor einer Woche 125 Priester, Kirchenmitarbeiter und Ehrenamtliche als queer outeten, gab es nicht wenige Bistümer, die in den einschlägigen Social-Media-Netzwerken Kacheln mit den Statements ihrer Oberhirten posteten.

Oft war da die Rede von Gesprächsangeboten, noch mehr aber von der Zusicherung, dass in der katholischen Kirche niemand wegen seiner sexuellen Orientierung entlassen werden müsste. Vor zwanzig Jahren wäre so etwas in der katholischen Kirche in Deutschland noch völlig undenkbar gewesen. Heute geht das.

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Allerdings: Außerhalb der katholischen Kirche ist es inzwischen undenkbar geworden, dass es überhaupt noch einen Bereich gibt, in dem Menschen fürchten müssen, wegen ihres Privatlebens entlassen zu werden. Doch genau das ist in der römisch-katholischen Kirche vielerorts in Deutschland noch immer der Fall – und es zeigt schlaglichtartig, wie sehr sich diese Kirche reformieren muss, wenn sie weiter als gesellschaftliche Kraft wahr- und ernstgenommen werden will.

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Und es macht deutlich, vor welchen Aufgaben auch der Synodale Weg steht, der am Donnerstag in Frankfurt am Main zu einer Plenartagung zusammenkommt. Denn das Vorhaben von Bischöfen und katholischen Laien, gemeinsam über die notwendigen Reformen in der Kirche zu diskutieren, hat sich eher als ein Labyrinth denn als gerader Weg erwiesen.

Immer wieder zeigten sich neue Sackgassen, immer wieder gab es Fußangeln und Fallgruben, gelegt vor allem aus dem konservativen Spektrum des deutschen Katholizismus. Zwar wird bei jeder Sitzung lebhaft debattiert – aber wirklich viel erreicht hat der Synodale Weg bislang nicht. Nennenswerte Beschlüsse gibt es noch keine, und auch bei dieser Tagung wird wohl wieder die Textarbeit im Zentrum stehen.

Eine staatliche "Wahrheitskommission" zur Aufarbeitung des Missbrauchs ist nötig

Doch die Wünsche und Erwartungen an diese Plattform bleiben groß. Diskutiert wird über das Priesterbild, die Rolle der Frauen in der Kirche, den Umgang mit Sexualität. Und klar ist: Überall muss sich etwas ändern. Der Zölibat beispielsweise ist immer erklärungsbedürftiger: Die bisherigen Missbrauchsstudien weisen jedenfalls oftmals daraufhin, dass er nicht nur zu einer intensiveren Gottesbeziehung der Priester, sondern auch zu einer Begünstigung des sexuellen Missbrauchs führte. Wieso soll so etwas dann beibehalten werden? Und wieso soll die Kirche den Missbrauch allein weiter aufarbeiten dürfen? Die bisherigen Versuche zeigen, dass die von Betroffenen geforderte staatliche "Wahrheitskommission" nötig ist.

"Der synodale Weg": Das sind Gespräche zwischen Laien und Bischöfen über Reformen der Katholischen Kirche

© dpa

Schwierig bleibt es auch, dass die Frauen, die viele Pfarrgemeinden im Alltag am Leben erhalten, in der römisch-katholischen Kirche keine geistlichen Ämter erhalten können. Doch solche Dinge können im römischen System nur auf Ebene der Weltkirche geregelt werden – und dort zeugt allenfalls der ein oder andere Silberstreif am Horizont von vagen Chancen auf Veränderung. Auch wenn zahlreiche andere Kirchen, von den Protestanten über die Anglikaner bis zu den Altkatholiken – und im Fall des Zölibats sogar bis zur Orthodoxie – zeigen, dass es durchaus anders funktionieren könnte.

Umso wichtiger ist es deswegen, dass von dem Gesprächsformat Signale des Aufbruchs und der Geschlossenheit ausgehen. Wirkliche Veränderungen in der Kirche wird man nur erreichen können, wenn Bischöfe und Laien gleichermaßen dahinterstehen. Nur dann stellt die Kirche aus Deutschland eine starke Stimme dar, die auch im Vatikan Gehör findet.

Viel Zeit allerdings haben die Katholiken dafür nicht mehr. Denn es ist es nicht mehr fünf vor zwölf. Es hat schon fünf nach zwölf geschlagen: Immer mehr Gläubige verlassen die Kirche, schon seit Jahren sind die Austrittszahlen auf Rekordniveau. Dazu kommt die demographische Entwicklung.

Will die römisch-katholische Kirche nicht als Sekte enden, will sie vermeiden, dass am Ende nur noch ein konservativer harter Kern mit einem Hang zum ewig Gestrigen übrig ist, der politisch keine Rolle mehr spielt und abgeschlossen in sich selbst am Rande der Gesellschaft lebt, dann muss die Kirche handeln – und ihr Reformtempo erhöhen.

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