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Nicht alle Europapläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron stoßen bei Kanzlerin Angela Merkel auf Zustimmung.

© Ludovic/AFP

Update

Widerstand gegen Macrons Europapläne: Die Kanzlerin reagiert elastisch

Vor allem die CSU sieht Emmanuel Macrons Europapläne mit viel Skepsis. Kanzlerin Angela Merkel kommt der Widerstand in vielen Punkten ganz recht.

Von Robert Birnbaum

Wenn die FDP in Berlin in die Regierung kommen würde, soll Emmanuel Macron während der Jamaika-Verhandlungen gesagt haben, dann wäre er europapolitisch erledigt. Da hatte er die CSU nicht auf der Rechnung. Am Dienstag will es der Zufall, dass genau zu der Zeit, in der der Franzose vor dem EU-Parlament seinen Reformappell bekräftigt, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt seinen Pressestammtisch abhält. Im Straßburger Parlament beschwört Macron das vereinte Europa als „Trumpfkarte“ in den Wirren der Welt. In der bayerischen Landesvertretung wird derweil Weißwurst serviert und dazu eine Abfuhr an den Präsidenten. „Ich habe überhaupt keine Veranlassung, Macrons persönliche Glücksgefühle zu meinem politischen Programm zu machen“, ätzt Dobrindt.

Der Bayer kultiviert einen Ruf als Europa-Verächter, insofern überrascht der rotzige Kommentar wenig. Allerdings hat er Folgen. Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag senkt den Daumen über Macrons Reformideen wenige Stunden vor einer Sitzung der gesamten Unionsfraktion, die darüber mit der Kanzlerin Angela Merkel diskutieren soll.

Zwar ist von vornherein klar, dass dort über nichts abgestimmt wird. Die zwei Papiere der Europa- und der Finanzexperten der Fraktion – eine Macron-skeptisch, das andere sehr skeptisch – stuft der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer als „Diskussionsvorlagen“ ein, im Gegensatz zu „Beschlussvorlagen“. Aber Grosse-Brömers Abwiegelversuch, es handele sich also um eine „Orientierungsdebatte“, enthält unfreiwillig die Wahrheit: Merkel ist danach darüber orientiert, wo die Grenzen ihres Handlungsspielraums liegen, wenn sie beim Juni- Gipfel der EU in Brüssel die deutsche Antwort auf Macron gibt.

Geht es nach Dobrindt, bleibt vom Spielraum wenig. Europäischer Finanzminister? „Lehnen wir ab.“ Eigene Steuerquellen für Brüssel? „Lehnen wir ab.“ Die Umwandlung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen Währungsfonds? „Nur unter Einbeziehung der nationalen Parlamente.“ Investitionshaushalt für die Euro-Zone? „Sehen wir kritisch.“ Nur für „Investitionen in Zukunftstechnologien“ und bei „hoher Co-Finanzierung“, damit nicht ein „Rutschbahneffekt für Gelder aus dem Norden in den Süden“ daraus werde.

Und überhaupt: später. Erst müsse der reguläre EU-Haushalt für die nächsten Jahre vereinbart sein. Im EU-Etat klafft ab 2019 eine Lücke von etwa 14 Milliarden Euro, vor allem durch den Brexit, mit dem die Gemeinschaft eines ihrer wenigen Nettozahler-Mitglieder verliert.

"Ziele" ist freilich ein dehnbarer Begriff

Dass Deutschland dafür und für den massiven Ausbau der EU-Grenzpolizei Frontex – Dobrindt schätzt die Mehrkosten auf mindestens zehn Milliarden Euro jährlich – zusätzliches Geld überweisen muss, stellt auch die CSU nicht infrage. Das steht im Koalitionsvertrag und nützt bei der Flüchtlingsabwehr. Aber mehr Geld für Brüssel rausrücken wollen die Bayern erst, wenn vorher „Einsparpotenziale“ ausgeschöpft seien. Dobrindt denkt da naturgemäß nicht an den Großposten Agrarsubventionen, sondern eher zum Beispiel an Strukturmittel für Grenzregionen. Aber das solle im Detail mal schön der EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger vorlegen.

Das braucht Zeit. Ohnehin ist das Auf-die-lange-Bank-Schieben erkennbar Teil einer Strategie, den Reformschwung Macrons und die Vorschläge der Kommission unter Jean-Claude Juncker auszubremsen. Während der Franzose mit Blick auf die Europawahl 2019 auf Tempo dringt, haben es in CDU und CSU viele betont nicht eilig. Dobrindt findet, der Juni-Gipfel solle sich auf den EU-Haushalt, die Zukunft des ESM und Investitionen in Zukunftstechnik im regulären EU-Budget beschränken; bei allem anderen drohten „Schwierigkeiten“.

Die lassen sich, wenn es hart auf hart kommt, in einer Zahl zusammenfassen: 44. So viele Stimmen hat die große Koalition im Bundestag nur an Vorsprung. 65 Abweichler wie beim letzten Griechenland-Paket kann sich Merkel nicht mehr leisten. Die CSU hat mit 46 Sitzen heute allein schon eine Veto-Position.

Merkel bleibt wenig mehr, als sich – wie es schon ihre Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer einforderte – Verhandlungsspielraum auszubedingen. Zugleich kommt ihr der Widerstand in vielen Punkten aber recht, kann sie doch in Brüssel so manche Idee abblocken: Ihr wisst ja, die Mehrheiten daheim...

Was etwa die Prioritäten in den Haushaltsfragen angeht oder die Konstruktion einer Bankenunion, geht Merkel nämlich mit der CSU konform. SPD- Fraktionschefin Andrea Nahles rügt denn auch die ganze Union für „rote Linien“, die die SPD „nicht akzeptieren“ könne. Sie bestehe darauf, die Ziele des Koalitionsvertrags einzuhalten.

„Ziele“ ist freilich ein dehnbarer Begriff. Merkel reagiert ähnlich elastisch. Ihrer Fraktion versichert sie, dass beim Umbau des ESM zum Währungsfonds der Bundestag das letzte Wort haben und der Fonds nicht von der Kommission gesteuert werden soll. Ansonsten kündigt sie vage eine deutsch-französische Vorlage an. Deutschland – Bremserland? Aber nein, versichert die Kanzlerin. Am Donnerstag besucht Macron sie in Berlin. Man werde bis zum Juni gemeinsam „ein starkes Paket auf die Beine stellen“. Und darauf freue sie sich.

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