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Nadelöhr Flughafentor: Manche Ortskräfte der Deutschen schaffen es bis dort - und werden zurückgewiesen. Im Bild eine Kontrollstelle der U.S. Marines. 

© imago images/UPI Photo

Die Helfer der Afghanen klagen an: "Überwältigt und verbittert"

Der Bundesregierung werfen die Unterstützer afghanischer Ortskräfte "unterlassene Hilfeleistung" vor. Sie täusche zudem die Deutschen über die Effizienz ihrer Hilfe. 

Von Hans Monath

Bei deutschen Helfern, die sich privat für die Rettung afghanischer Ortskräfte einsetzen, sorgt das Vorgehen der Bundesregierung für Enttäuschung und Wut. „Wir sind überwältigt und verbittert in einem Maße, das wir nicht in Worte fassen können“, sagte der Vorsitzende des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte, Marcus Grotian, am Dienstag bei einem Auftritt vor der Hauptstadtpresse.

Grotian warf der Bundesregierung „unterlassene Hilfeleistung“ vor. Sie verhindere durch teils absurde bürokratische Hürden noch immer die Rettung von möglichst vielen Mitarbeitern aus Afghanistan und täusche die deutsche Öffentlichkeit über die Effizienz ihrer Rettungsmaßnahmen, indem sie diese schönrede. Die Verbitterung gelte der Regierung, überwältigt sei seine Organisation dagegen von der großen Hilfsbereitschaft der deutschen Gesellschaft, sagte der Bundeswehroffizier, der selbst mehrmals in Afghanistan im Einsatz war.

Am Flughafentor wurde die afghanische Mitarbeiterin abgewiesen

Der Leiter der Hilfsorganisation steht in ständigem Kontakt mit in Afghanistan festsitzenden ehemaligen Helfern der Deutschen, die verzweifelt auf eine Ausreise hoffen. In Kabul hatte der Verein nach dem Fall von Kundus drei „Safe Houses“ (sichere Rückzugsorte) für ehemalige Mitarbeiter eingerichtet, finanziert wurde dies durch Spenden. Trotz der Hilfszusagen aus Berlin scheitert der Versuch vieler Ortskräfte, sich in Sicherheit zu bringen – manchmal nach gefährlicher Passage zum Flughafen erst beim Kontakt mit Bundeswehrsoldaten.

Eine Afghanin, die bis 2017 für die deutsche Entwicklungsorganisation Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet hatte, sei dort zurückgewiesen worden, weil sie nicht auf der Ausreiseliste gestanden habe, sagte Grotian.

Wie sehr ihn die Lage seiner Schützlinge mitnimmt, machte Marcus Grotian deutlich: Der Vorsitzende des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte vor der Bundespressekonferenz.
Wie sehr ihn die Lage seiner Schützlinge mitnimmt, machte Marcus Grotian deutlich: Der Vorsitzende des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte vor der Bundespressekonferenz.

© imago images/Metodi Popow

Seinen Bundeswehrkameraden mache er deshalb keine Vorwürfe. Schuld seien die politischen Vorgaben und die teils unzulänglichen oder nicht praktikablen Pläne zur Unterstützung der Bedrohten.

Für die Fehlentwicklungen machte der Offizier vor allem das Kanzleramt verantwortlich. Dies habe auch nicht auf mehrere seiner Warnungen reagiert. Die Regierung habe Hinweise auf die drohende Machtübernahme der Taliban zu lange ignoriert.

Zudem gebe sie die Zahl der Bedrohten viel zu niedrig an. Die von ihr genannten Zahlen von 2500 ausreiseberechtigten Afghanen, von denen 1900 schon in Deutschland seien, seien „mitnichten richtig“. Sein Verein gehe von 8000 Ausreiseberechtigten aus – ehemalige Ortskräfte mitsamt Kernfamilien.

"Das finden wir verwerflich"

Zu den bürokratischen Hürden, die Grotian besonders kritisierte, zählt die Zwei-Jahres-Frist für Ortskräfte. Die Ausreiseberechtigung war zunächst nur Ortskräften erteilt worden, die in den vorangegangenen zwei Jahren für deutsche Stellen gearbeitet haben. Im Juni wurde die Regelung gelockert – für Ortskräfte, die für die Bundeswehr oder andere deutsche Sicherheitsbehörden gearbeitet hatten. „Wir sind das einzige Land, das eine zeitliche Begrenzung für Ortskräfte hat“, rügte Grotian: „Alle anderen Länder evakuieren jetzt alle Ortskräfte, wir evakuieren die, die man ausgewählt hat. Das finden wir verwerflich.“

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Deshalb sei es nun wichtig, von sofort an „alle, die für uns beschäftigt waren, nicht zurückzuweisen, sondern mitzunehmen“.

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