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Hilfe in der Coronakrise: Ein Spendenzaun in Berlin-Kreuzberg

© Imago/Epd/Christian Ditsch

Berlin und das Coronavirus: Die Hauptstadt ist aufs Sofa gezwungen – und bleibt doch frei

Die Berliner meistern die heftigen Einschränkungen größtenteils mit Bravour. Wer hätte das der Stadt der Freiheit zugetraut? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Die Verklärung der eigenen Couch mag ein deutsches Phänomen sein. In Berlin gilt das nicht. Die notorische Draußenstadt, hätte man meinen können, wird sich schwertun mit den Ketten, in die sie die kleine, aber brachiale „Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus“ gelegt hat. Berlin wird auf die Couch gezwungen – das war eigentlich kaum vorstellbar in der Stadt, die stolz darauf ist, nie nach Hause zu gehen.

Elf Tage gilt das sogenannte Kontaktverbot jetzt, einige Tage länger gelten Veranstaltungsverbot und die Schließungen der meisten Betriebe. Jeden Tag patrouilliert die Berliner Polizei mit mehreren Hundertschaften durch die Stadt. Wer hätte das noch Anfang März für möglich gehalten, in dieser Stadt der Unbeugsamen, Alternativen und Antiautoritären.

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Nur den wenigen Unvernünftigen gilt der Bußgeldkatalog

Mehr als 1000 illegal geöffnete Geschäfte mussten die Beamten seither schließen, fast ebenso viele Strafanzeigen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes wurden aufgenommen. Jede ist eine zu viel, jeder mit dem Coronavirus Infizierte kann eine Kettenreaktion auslösen. Und doch: Es sind wenige Hunderte in einer Stadt von 3,7 Millionen. Diesen Unvernünftigen gilt der neue Bußgeldkatalog.

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Die Aufregung darüber war vor allem links der Mitte groß: Wie kann menschliches Miteinander, wie kann das Bedürfnis nach Nähe bestraft werden? Die Antwort fällt leicht: In einer Zeit, in der Nähe tödliche Gefahr bedeuten kann, wird erzwungener Abstand unausweichlich. Übersehen wurde auch, dass das Infektionsschutzgesetz längst straf- und bußgeldbewehrt ist. Die Bußgelder sorgen nur für neue Gewissheiten. Das gilt auch für die Ordnungskräfte, deren Job erleichtert, weniger willkürlich wird. Sie tragen ohnehin eine Hauptlast in dieser Krise.

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Erholungspausen auf Bänken sind erlaubt

Berlin hat das bislang gut gemacht. Das ist der einhellige Tenor. Deshalb hat der Senat beschlossen, die Ausweispflicht wieder abzuschaffen. Deshalb ist nun explizit festgeschrieben, dass Erholungspausen auf Bänken und in Parks wieder erlaubt sind.

Niemand will das im Senat als Lockerung des Kontaktverbotes verstanden wissen. Dennoch: Der Beschluss birgt ein gewisses Risiko. Die Berliner haben es jetzt in der Hand, ihren Platz in der Sonne verantwortungsbewusst zu nutzen.

Jetzt steht Ostern an, das Fest der Auferstehung, schon am kommenden Wochenende soll es 20 Grad warm werden. Weil sich die unsichtbare Gefahr des Coronavirus in Berlin bislang kaum zeigt, murren die ersten, wollen runter von der Couch.

Viele Betriebe ächzen unter den Schließungen, in Familien kracht es. Doch wir stehen erst am Anfang der Pandemie. Unser Stillstand muss uns in diesem Moment als Fortschritt gelten.

[Das große Coronavirus-FAQ: 99 wichtige Fragen und Antworten zur Pandemie – Coronavirus-Symptome, Schutz für sich selbst und andere und vieles mehr. Unser Service mit häufig gestellten Fragen.]

Die Stadt ist besonders findig im Finden von Alternativen

Streng genommen ist es ja – bei allen Einschränkungen – keine Vollbremsung. Das öffentliche Leben verlagert sich ins Digitale. Die Clubs streamen im Netz, die Restaurants verschicken ihre Menüs jetzt nach Hause, Nachbarn kümmern sich umeinander. Es sind diese kleinen Momente des Glücks, die uns durch die Krise helfen. Es ist dieses Finden von Alternativen, das Berlin – geübt im Suchen – besonders schnell geleistet hat.

Und es ist noch immer Platz für eine andere Berliner Besonderheit – den aufklärerischen Gedanken, den freien Geist. Denn beides ist möglich: Man kann alles tun, diese Seuche einzudämmen und gleichzeitig den bestmöglichen Weg zwischen dem Schutz der Schwächsten und individueller Freiheit ertasten. Wie immer in einer Demokratie. Wie immer in Berlin. Führen wir diese Debatte jetzt eben vom Sofa aus.

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