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Olaf Scholz will bisher nicht alle militärischen Wünsche der Ukraine erfüllen.

© Imago/UPI Photo

Die Haltung des Kanzlers zu militärischer Hilfe für die Ukraine: Olaf Scholz - besonnen oder stur?

Kanzler Olaf Scholz wird sich noch mehr Kritik gefallen lassen müssen - wenn das Kriegsgeschehen in der Ukraine sich weiter wendet. Ein Kommentar.

Der Bundeskanzler muss sich schon eine ganze Menge gefallen lassen in diesen Tagen, Wochen, Monaten. Je länger das so weitergeht, desto schwieriger wird es werden, das grundsätzlich Besonnene an der Haltung von Olaf Scholz verständlich zu machen. Andernfalls kann es schnell passieren, dass sie für Sturheit, Starrheit, ja Hybris gehalten wird, nach dem Motto: Ihr versteht es nur alle nicht, aber ich.

Der Druck wächst mit diesem wogenden Kriegsgeschehen, diesen schrecklichen Bilder aus umkämpften Städten, Dörfern und noch kleineren Ortschaften, die plötzlich zum Schauplatz größerer Auseinandersetzungen werden. Atavistisch, möchte man sagen, barbarisch. Wie früher, als bloße Anhöhen in der Landschaft zum Olymp der Kriegführung erklärt wurden, weshalb sie unbedingt zu nehmen waren, und sei es unter entsetzlichen Verlusten.

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Die russische Armee hat diese Verluste, die Angaben schwanken zwischen 33000 und mehr als 50000 toten Soldaten – bisher. Kein Krieg der jüngeren Geschichte war so. Ein grausamer Blutzoll schon jetzt für die imperialistische Vorstellung des Kremlherrschers Wladimir Putin, er könne ein Großrussland schaffen, seine Art Sowjetunion, die verloren zu haben bei ihm größte Wut und Trauer zugleich hervorgerufen hat. Und je älter er wird, mit bald 70 Jahren, desto heftiger wird er.

Der Bundeskanzler wird sich noch mehr gefallen lassen müssen

Aber eben weil Putin und seine Schergen keinerlei Scham haben – kein bisschen mehr –, Menschen, Waffen und militärisches Gerät in unvorstellbarem Ausmaß zu verlieren; und weil sie ihre Taktik umgestellt haben, jetzt mit mörderischem Artilleriefeuer alles unter Dauerbeschuss nehmen – ebendeshalb bleibt das nicht ohne Auswirkungen. Kann es doch logischerweise nicht bleiben. Auf allen Seiten.

Die psychologische Kriegführung ist das eine. Putin will erkennbar die Moral der Ukrainer zersetzen, daran zeigt sich der frühere Agent. Und er gewinnt in der Hinsicht, sagen wir, Terrain. Denn zum anderen hat die ukrainische Armee seit Beginn des russischen Angriffskriegs ja auch hohe materielle Verluste erlitten. Und bei Weitem nicht nur die: In den Abwehrkämpfen sterben jeden Tag ukrainische Soldaten, manche sagen 50, manche 100, keiner weiß es genau zu sagen, oder will es.

Was Brigadegeneral Wolodymyr Karpenko aber sagen will, ist: „Bis heute haben wir infolge aktiver Gefechte schätzungsweise 30 bis 40, manchmal bis zu 50 Prozent Verluste bei der Ausrüstung.“ 1300 Infanterie-Kampffahrzeuge, 400 Panzer und 700 Artilleriesysteme sollen verloren sein. Mindestens. Da muss dringend Ersatz her.

Das bedeutet, dass der Bundeskanzler sich noch mehr wird gefallen lassen müssen. Bei aller Besonnenheit: Was, wenn das Kriegsgeschehen sich wendet? Russland darf nicht gewinnen, die Ukraine nicht verlieren – danach sieht es gerade nicht aus.

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