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Dieter Bohlen hat mit Fragen an eine Fünfjährige die #vonhier-Debatte ausgelöst.

© Sören Stache/dpa

Debatte unter #vonhier: Die Frage nach der Herkunft nervt

"Woher kommst Du?" ist nicht rassistisch. Doch die Frage wird in den absurdesten Situationen gestellt, weiß unsere Autorin aus Erfahrung. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Hatice Akyün

„Dat is die Hatti vonne Akyüns“, sagte unsere Nachbarin Anni in Duisburg immer. Es war die schönste Willkommenserklärung, die man sich als türkisches Mädchen in den 80ern in Deutschland wünschen konnte. Eigentlich wären alle Fragen nach meiner Herkunft mit Annis Satz beantwortet. Aber seit ich denken kann, wird darüber gestritten, ab wann oder besser gesagt, ob man überhaupt deutsch ist, wenn die Eltern aus einem anderen Land eingewandert sind.

Dieter Bohlen, quasi der Heimatminister der Unterhaltungsbranche, hat diesmal die Diskussion über die Herkunft ausgelöst. In einer Casting-Show fragte er ein fünfjähriges Mädchen, woher sie komme. „Aus Herne“, sagte sie. Bohlen fragte weiter: „Und deine Eltern?“ „Aus Herne“, antwortete sie wieder. Und weil das offenbar immer noch nicht reichte, fragte er das Kind, woher denn die Großeltern kämen?

Es geht nicht darum, Neugier zu verbieten

Das Mädchen, bisher fest im Glauben, sie sei aus Herne, antwortete verunsichert: „Ich weiß nicht.“ Ihr asiatisches Aussehen hat Bohlen wohl irritiert. Deutsch ist für viele immer noch, wer deutsch aussieht. Oder mindestens einen deutschen Namen hat. Unter dem #vonhier tobt seit Bohlens Verhör eine Debatte in den Medien und den sozialen Netzwerken.

Vielleicht denken Sie jetzt, die Akyün soll sich mal nicht so haben, ist doch schön, wenn jemand neugierig ist und fragt. Stimmt, es geht auch nicht darum, Neugier zu verbieten. Und nein, die Frage „Woher kommst du?“ ist auch nicht rassistisch. Sie nervt einfach nur. Diese Frage hören wir, also jene, die nicht gleich auf den ersten Blick deutsch aussehen, in den absurdesten Situationen, die schließlich in noch absurdere Gespräche führen.

Es gibt Tage, da habe ich keine Nerven dafür, fremden Leuten meinen richtigen Namen zu sagen. Das meine ich nicht unhöflich, es ist reiner Selbstschutz. Wenn ich mich zum Beispiel Heike nenne, fragt mich niemand, woher ich oder meine Eltern kommen. Ganz anders aber, wenn ich Hatice sage. Dann landet man nach zwei Sätzen bei Erdogan und nach weiteren zwei Sätzen bei der Integration.

Neulich fragte mich jemand auf einer Veranstaltung, ob ich in die Türkei reisen könne. „Ach, ich lebe eigentlich ganz gern in Deutschland“, habe ich geantwortet. „Und Ihre Eltern, wählen die Erdogan?“, fragte er ungeniert weiter. „Haben Ihre Eltern AfD gewählt?“, fragte ich schnippisch zurück. Damit war unser Gespräch beendet.

Man färbt aufeinander ab

Vielleicht kennen Sie solche Situationen auch aus Ihrem Leben. Wenn Sie zum Beispiel erwähnen, dass Sie Arzt oder Steuerberater sind, können Sie sicher sein, dass Sie sich die Krankengeschichte Ihres Gesprächspartners anhören müssen oder nach Steuertipps gefragt werden. Mein Expertentum kann ich nicht verschweigen, es steht mir ja ins Gesicht geschrieben.

Worauf ich hinaus will ist, dass ich morgens um drei auf einer Party nicht über Erdogan sprechen oder im Zug keine Lösungsansätze für Integrationsprobleme aus dem Ärmel schütteln möchte. Mein Vater sagte einmal zu mir, als ich mit meiner türkischen Identität haderte: „Es liegt in dir selbst, wo du hingehören willst und wohin nicht.“ Was er damit meinte war, dass jeder von uns ein Selbstbestimmungsrecht hat und selbst entscheidet, wem er was über seine Herkunft erzählen möchte.

Menschen können sich ändern, anpassen, in ihrer Umgebung aufgehen und Gepflogenheiten annehmen. So färbt man langsam, aber beständig aufeinander ab. Das was ich bin, hat seinen Ursprung in dem anatolischen Dorf meiner Eltern. Für mich die beste Sozialisation, um mich in Deutschland davon zu emanzipieren.

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