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Dem ungarischen Ministerpräsident Viktor Orbán werden EU-Gelder gestrichen.

© Bernadett Szabo/Reuters

Die EU, Ungarn und die Rechtsstaatlichkeit: Orbán spielt immer noch auf Zeit

Ungarn mangelt es an Reformen zur Stärkung des Rechtsstaats und der Demokratie. Jetzt friert die EU-Kommission Milliarden ein. Viktor Orbán wird das kaum interessieren.

Ein Kommentar von Márton Gergely

Zum ersten Mal nutzt die EU das Druckmittel des Finanzentzugs mit voller Schärfe. 7,5 Milliarden Euro Hilfe für Ungarn aus dem regulären Budget werden eingefroren, bis Premier Viktor Orbán die verlangten 17 Reformen zur Stärkung von Rechtsstaat und Demokratie einleitet.

Diese Strafe versüßt die EU mit einem Angebot: Ungarns Plan, wie es weitere 5,8 Milliarden Euro aus dem EU-Aufbauprogramm ausgeben möchte, wird gebilligt. Aber auch diese Gelder fließen erst, wenn Orbán die Bedingungen erfüllt.

Die Frage ist nun: Wird Orbán sich beugen, oder sind ihm die Absicherung seiner Macht durch Geldzuweisungen an befreundete Oligarchen und die Kontrolle der Justiz wichtiger als die EU-Milliarden?

65
Prozent der Fördergelder für Ungarn werden eingefroren.

Die Kommission hat in zwölf Jahren ihre Erfahrungen mit fadenscheinigen Korrekturen und nicht ernst gemeinten Versprechen aus Budapest gemacht und ist es leid, ausgetrickst zu werden. Die Reformen, die sie fordert, sind jedoch schmerzhaft für Orbán.

Er wird weiter versuchen, um die Bedingungen für eine Freigabe der Gelder zu feilschen. Und Druck auf die EU ausüben, indem er Entscheidungen, die einstimmig fallen müssen, blockiert: aktuell ein Hilfspaket für die Ukraine und eine Vereinbarung über Mindeststeuern für internationale Konzerne.

Wirtschaft in Ungarn schwächelt

Neu sind solche Erpressungsversuche nicht. Nun macht die Kommission aber erstmals ernst mit dem Finanzentzug als Gegenhebel.

Orbán meint abwarten zu können, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht.

Márton Gergely, Journalist und Politikredakteur

Orbán spielt auf Zeit. Die ungarische Wirtschaft schwächelt, der Staat ist knapp bei Kasse. Nun werden 65 Prozent der Fördergelder des Sieben-Jahre-Budgets eingefroren. Der nicht eingefrorene Teil reicht erst mal bis 2024.

Orbáns Regierungspartei hat zudem eine verfassungsändernde Mehrheit. Die Opposition ist ein Haufen Elend. Die nächsten Wahlen stehen erst in anderthalb Jahren an. Und es sind auch nur eine Kommunal- und eine Europa-Wahl. Noch sieht Ungarns starker Mann keinen Grund zur Eile.

„Wer Zeit gewinnt, gewinnt Leben”, heißt es in Ungarn. Orbán meint abwarten zu können, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht. Ob die US-Wähler 2024 einen Rechtspopulisten zum Präsidenten wählen. Und ob die von ihm ersehnte populistische Welle Europa erfasst.

Vielleicht kann er die EU-Milliarden nach solchen Zeitenwenden auch ohne Auflagen bekommen. Sollten die Träume jedoch nicht Wirklichkeit werden, kann er immer noch einlenken und der EU Zugeständnisse machen.

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