zum Hauptinhalt
Innenminister Matteo Salvini will Neuwahlen.

© Remo Casilli,REUTERS

Die EU und die Italien-Krise: Salvini passt die ganze Richtung nicht

Falls der Lega der Durchmarsch in Italien gelingen sollte, dürfte es zwischen Matteo Salvini und Brüssel neuen Streit geben.

Seit 14 Monaten ist man es in Brüssel gewöhnt, dass das seither bestehende Links-Rechts-Bündnis in Rom Kopfzerbrechen bereitet. Sollte es aber zu Neuwahlen kommen und Innenminister Matteo Salvini zum Premierminister avancieren, dann könnten die gegenwärtigen Spannungen in der Europapolitik noch zunehmen. Das gilt vor allem für den Defizitstreit zwischen Brüssel und Rom sowie die EU-Flüchtlingspolitik.

Innerhalb der Regierungskoalition in Rom gibt Salvini schon jetzt bei den Auseinandersetzungen über die Migrationspolitik mit den europäischen Partnern und der EU-Zentrale in Brüssel den Ton an. Egal ob es um die Zurückweisung von privaten Flüchtlingsrettern vor italienischen Häfen, die Verhängung von Geldstrafen von bis zu einer Million Euro für die Kapitäne von Rettungsschiffen oder die Konfiszierung von Schiffen geht – stets ist Salvini die treibende Kraft.

Weitere Zuspitzung im Streit um Flüchtlinge ist denkbar

Falls der 46-Jährige demnächst in der Flüchtlingspolitik völlig freie Hand haben sollte, wäre das in jedem Fall eine schlechte Nachricht für die EU. Derzeit bereitet sich die designierte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf ihre Amtsübernahme im November vor. Von der Leyen strebt einen neuen „Pakt für Migration und Asyl“ an. Bei einem Besuch in Rom hatte sie vor einer Woche nach einem Gespräch mit Regierungschef Giuseppe Conte erklärt, dass die EU-Partner in der Migrationspolitik mehr Solidarität mit Ankunftsländern wie Italien zeigen müssten. Dies fordert Salvini im Grunde auch. Trotzdem müsste sich von der Leyen darauf einstellen, es im Falle eines Wahlsieges der rechtspopulistischen Lega mit einem denkbar unbequemen Partner in Rom zu tun zu bekommen. Das zeigt sich schon daran, dass die Lega-Abgeordneten ihr bei der Wahl im Europaparlament Mitte Juli die Stimme verweigert hatten.

Salvini passt die ganze Richtung der Europapolitik nicht, die seinem Land wie anderen EU-Mitgliedern auch ständige Kompromissbereitschaft abverlangt. Einige Beobachter sind der Auffassung, dass die Agenda des Innenministers darauf abzielt, die EU von innen zu sprengen. Schon bevor seine Partei bei der Europawahl im vergangenen Mai sämtliche politischen Gegner in Italien deutlich distanzierte, hatte Salvini frohlockt: „Die Lega wird die Geschichte Europas ändern.“

Als Hebel soll dem Lega-Vorsitzenden – egal wie die Regierungskrise in Rom weiter verläuft – demnächst die Besetzung des italienischen Postens in der Kommission dienen. Bis Ende August haben die EU-Mitgliedstaaten noch Zeit, ihre Kandidaten für die neue Kommission zu benennen. Nach italienischen Medienberichten favorisiert Salvini dabei unter anderem die Ministerin für öffentliche Verwaltung, Giulia Bongiorno. Falls es ihm gelingen sollte, die Lega-Politikerin auf den Posten der Innen- oder Justizkommissarin zu hieven, wäre dies ein erheblicher Prestigegewinn für Italiens starken Mann.

Nicht zuletzt könnte ein Durchmarsch der Lega auch dafür sorgen, dass sich der Defizitstreit zwischen Brüssel und Rom wieder zuspitzt. Zuletzt hatte die EU-Kommission im vergangenen Monat darauf verzichtet, ein Defizitverfahren gegen Italien einzuleiten. Im Gegenzug hatte sich Regierungschef Conte dazu verpflichtet, dass das Haushaltsdefizit in diesem Jahr nicht 2,04 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) übersteigen soll. Es wäre keine Überraschung, wenn ein Premierminister Salvini derartige Vorgaben über Bord werfen würde. Im Juni hatte er jedenfalls schon einmal seinen Wählern verkündet, dass Italien eine Steuersenkung mit einem Volumen von mindestens zehn Milliarden Euro benötige.

Anleihe-Zinsen schießen in die Höhe

Die politische Unsicherheit hat am Freitag in jedem Fall schon einmal die Finanzmärkte nervös gemacht. Händler verkauften massenhaft italienische Staatsanleihen. Bei den zehnjährigen Staatsanleihen schossen die Zinsen innerhalb eines Tages in einem Maß in die Höhe, wie dies seit Mai 2018 nicht mehr der Fall gewesen ist. Die Folge: Für den italienischen Staat wird der Schuldendienst nun noch teurer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false