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Eine ist schon raus. Frauke Petry (links) wird der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören.

© dpa

Wahlforscher Joachim Behnke: "Die Entzauberung der AfD wird schnell folgen"

Der Wahlerfolg der AfD wird überwertet, sagt der Politikwissenschaftler Joachim Behnke. Weil es viele Protestwähler gibt. Und weil die Partei sich selbst zerlegen wird.

Herr Behnke, stimmt der Befund: Je mehr andere Parteien über die AfD sprechen und Medien über sie berichten, desto stärker wird sie?

Das ist offensichtlich. Dadurch, dass man permanent die fatalen Folgen eines AfD-Erfolgs beschworen hat, hat man ihr dieses Terrain geboten. Und desto mehr haben sich die Protestwähler bestätigt gefühlt.

Was wäre der richtige Weg gewesen?

Man hätte die AfD nicht ignorieren können, aber sie doch etwas weniger beachten müssen. Geradezu paradigmatisch waren die Fragen im TV-Duell nach den Themen Zuwanderung und innere Sicherheit.

Sie sind also nicht alarmiert vom Abschneiden der AfD?

Es sind nur 13 Prozent. Dass wir ein Potenzial für eine rechte Partei in Deutschland haben, ist ein alter Hut. Diese Strömung gab es immer.  Es wäre jetzt auch ein strategischer Fehler zum Beispiel für die CSU, noch stärker rechte Positionen zu übernehmen. Man darf sich von der AfD nicht treiben lassen und ihre Position nicht überbewerten.

Die AfD wird also überbewertet?

Die 13 Prozent sind keine inhaltlich überzeugten Wähler. Die Hälfte sind Protestwähler, keine in der Wolle gefärbten AfD-Anhänger. So bald die CDU eine andere Kanzlerin oder einen anderen Kanzler aufstellt, wird sie viele Wähler zurückgewinnen.

Wie groß ist das Potenzial für die AfD?

Ich sehe für eine rechtspopulistische Partei in Deutschland ein Potenzial zwischen 10 und 15 Prozent. Das heißt, es haben noch nicht mal alle potenziellen AfD-Wähler abgestimmt.

Wie wird sich die AfD nun weiter entwickeln?

Die AfD wird starke innere Probleme bekommen.  Alexander Gauland ist nach rechts außen gewandert und in der Fraktion haben einige etwas Paranoides an sich. Die sind alles andere als rational. Und es gibt Nazis in der Fraktion. Wenn man die nicht Nazis nennen kann, dann weiß ich auch nicht, wen man heute Nazi nennen soll?

Sehen wir gerade angesichts der AfD eine vertiefte Spaltung zwischen Ost und West?

Die Anhänger der AfD sind zu großen Teilen Enttäuschte und Frustrierte. Die strukturellen Daten für Ostdeutschland sind nun einmal schlechter. Überraschend ist gleichwohl das Ausmaß des AfD-Zulaufs, Ich glaube aber, die Entzauberung der AfD wird schnell folgen.

Was macht Sie da so sicher?

Die AfD ist eine extrem unprofessionelle Partei. Am Anfang hat das alles noch den Charme des Nicht-Etablierten. So wie bei den Grünen, als die mit Blumentöpfen und Latzhosen in den Bundestag gekommen sind. Nur haben die Grünen dann angefangen, sehr professionell zu arbeiten. Bei der AfD weiß man aus den Landtagen, dass da nichts kommt, da werden keine wichtigen Anträge und keine wichtigen Informationen eingebracht. Die Faszination geht schnell wieder verloren.

Die AfD war noch etwas stärker als die Umfragen vorher erwarten ließen.

Es ist eben zum einen ungleich schwerer, das Abschneiden einer neuen Partei vorauszusagen. Da fehlen Erfahrungswerte. Zum anderen gibt es eine soziale Erwünschtheit bei der Antwort. Bei Wählerwanderungen bin ich immer vorsichtig, aber das historische schlechte Ergebnis der Union liegt sich daran, dass einige direkt zur AfD gegangen und andere nicht ganz so weit und wieder bei der FDP gelandet sind.

Was bedeutet das für das Wahlergebnis der FDP?

Diese zehn Prozent sollte man nicht überschätzen, weil viele Stimmen von der Union gekommen sind. Die FDP hat mit Populismus geliebäugelt, wie man an der Formulierung Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse sehen konnte, das klang nicht viel anders als bei der AfD.

Haben Sie das Abschneiden der Union so erwartet?

Das habe ich ehrlich gesagt fast schon kommen sehen. Ich glaube, dass manche Umfrageinstitute und auch die Partei selbst noch den Fehler gemacht haben, von einem Amtsbonus der Kanzlerin überzubewerten. Der war schlichtweg nicht da. Das hätte man ahnen können, als die Kanzlerin im Frühjahr bei den Umfragewerten eingebrochen ist. Sie war keineswegs stabil.

Was hat die SPD falsch gemacht?

Es war inhaltliche Substanz da, die hat sie SPD aber nicht mit genügend Druck vorgebracht. Erschwerend kam hinzu, dass die SPD schlecht gegen die eigene Koalition argumentieren konnte. Das hat sie in gewisser Weise unbeweglich gemacht. Als die SPD mit dem Thema soziale Gerechtigkeit in den Wahlkampf ging, gab es in den Medien die Reaktion, dass soziale Gerechtigkeit doch nicht so wichtig sei, weil es dem Land doch gut gehe. Aber es gibt eben viele Menschen, denen es nicht gut geht. Die SPD hat sich da zu sehr von Medien verunsichern lassen. Sie hat gewisse Wählerpotenziale vernachlässigt.

Und Martin Schulz als Spitzenkandidat?

Er hat sich zu stark auf die Außenpolitik gestützt. Als vormaliger Präsident des Europäischen Parlaments ist das auch verständlich. Aber die Amtsinhaberin kommt in der Außenpolitik nun einmal stark vor, das konnte sie zum Beispiel auch beim TV-Duell zeige. Insofern war diese Gewichtung von Schulz ein verhängnisvoller Fehler. Aber seine Einstellung hat gestimmt.

Was meinen Sie damit?

Bei Peer Steinbrück hatte man am Ende seines Wahlkampfs den Eindruck, dass er gar nicht mehr gewinnen wollte. Aber für Schulz war es ein guter Wahlkampf, er hat bis zum Schluss gekämpft. Das Ergebnis ist auch deshalb bitter für die SPD, weil sie die treibende Kraft in der Koalition war. Das Rentenpaket von Andrea Nahles war eines der größten Reformpakete in der Legislatur. Der Mindestlohn war eine Zäsur. Und im Justizministerium hat Heiko Maas einiges ein Angriff genommen, denken Sie an Maßnahmen gegen Hassbotschaften im Internet. Die SPD hat also viele Dinge angestoßen, aber nicht davon profitiert.

Hätte die SPD die soziale Gerechtigkeit auch mehr inhaltlich füllen müssen?

Ja, bestimmt. Es gab ein Rentenkonzept, aber es wurde nicht deutlich genug, was es wirklich bringt. Es war auch ein Fehler, dass man das Thema Steuern so ganz rausgenommen hat. Diesen Fehler haben die Grünen auch gemacht. Wenn wir über Jahre einen Reallohnverlust der unteren Lohngruppen haben, dann haben wir ein Problem. Damit hätte die SPD punkten können.

Hat Sie das Abschneiden der Grünen gewundert?

Nein, denn die Grünen haben viele echte Stammwähler, die die Partei wegen ihres Programms wählen – im Gegensatz zur FDP. Da liegt die Stammwählerschaft eher bei drei bis vier Prozent, die anderen sind zwischengeparkte CDU-Wähler. Die Grünen haben eine stabile Wählerschaft von sieben bis acht Prozent.

Joachim Behnke, ist Professor für Politikwissenschaft an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und forscht dort unter anderem zu den Themen Wahlsysteme und Wahlverhalten.

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