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Zukünftig sollen Erwachsene 25 Gramm Cannabis mit sich führen dürfen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Entkriminalisierung und der Schwarzmarkt: Verschwindet der Cannabis-Handel aus den Parks?

Konsum und Besitz von Cannabis sollen für Erwachsene entkriminalisiert werden. Was bedeutet das für den Schwarzmarkt?

Der Gesundheitsausschuss des Bundestages berät am Mittwoch über das geplante Gesetz zur Freigabe von Cannabis, Ende der Woche soll der Bundestag abstimmen. Durch die Entkriminalisierung soll der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden. Völlig eindämmen lässt sich der illegale Handel allerdings nicht, sagen Experten.

„Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass der Konsum von Cannabis trotz der bestehenden Verbotsregelungen insbesondere unter jungen Menschen ansteigt“, steht in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Um immerhin den Gesundheitsschutz unter Kiffenden zu verbessern, ist eine Entkriminalisierung geplant. Denn auf dem Schwarzmarkt kaufen Konsumierende häufig gestreckte Ware: Um mehr Profit zu machen, mischen Händler Cannabis mit Haarspray, Sand oder Blei.

Anbauvereine für Cannabis: Nicht für alle Konsumierenden attraktiv

Die Einigung der Ampel-Parteien über den Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, dass Cannabis von der Liste der verbotenen Substanzen im Betäubungsmittelgesetz gestrichen wird. Wer mindestens 18 Jahre alt ist, kann Mitglied in einem Anbauverein werden und dort qualitativ hochwertiges Cannabis beziehen. Erwachsenen Personen ist außerdem erlaubt, 25 Gramm mit sich zu führen und drei eigene Pflanzen zu besitzen.

Welche Auswirkungen wird das auf den Schwarzmarkt haben? „Mit jedem Gramm Hanfblüten aus einem Anbauverein oder eigener Herstellung wird ein Gramm weniger über den Schwarzmarkt abgesetzt“, ist sich Georg Wurth sicher. Er ist Aktivist und Geschäftsführer des Unternehmens „Deutscher Hanfverband“. Bis die notwendige Infrastruktur für ehrenamtlich organisierte Anbauvereine geschaffen sei, könne es jedoch lange dauern, gibt er zu bedenken.

60,2
Prozent der Rauschgifthandelsdelikte beziehen sich auf Cannabis.

Zudem seien Anbauvereine nicht für alle Konsumierenden attraktiv. „Gelegenheitskonsumenten werden wegen ein paar Gramm im Jahr nicht gleich Mitglied in einem Verein werden“, sagt Wurth. Ein Austrocknen des Schwarzmarktes sei deshalb nur möglich, wenn Cannabis auch in Fachgeschäften zum Verkauf angeboten wird.

Aktuell ist Cannabis die meistgehandelte Droge Deutschlands. 2022 machte es 60,2 Prozent der Fälle von Rauschgifthandel aus, wie das Bundeskriminalamt (BKA) auf Anfrage des Tagesspiegels mitteilte. Insgesamt seien in dem Jahr 16,9 Tonnen Marihuana und 2,8 Tonnen Haschisch sichergestellt worden. Häufig wird der illegale Handel über Strukturen der Organisierten Kriminalität (OK) betrieben.

„Insbesondere der professionelle Cannabisanbau durch OK-Gruppierungen in Spanien hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, sagte ein Sprecher des Bundeskriminalamts dem Tagesspiegel. In Lkw und Kleintransportern kämen Großtransporte über Frankreich nach Deutschland.

Für die Organisierte Kriminalität sind Cannabisprodukte eine wichtige Einnahmequelle. Langfristig könnten Anbauvereine die Schwarzmarktpreise unterbieten, weil sie anders als illegale Händler keinen Risikoaufschlag einberechnen. Dass der illegale Handel verschwindet, gilt jedoch als unwahrscheinlich. „Es ist polizeiliches Alltagswissen, dass Kriminelle insbesondere bei neuen Gesetzeslagen sehr schnell Lücken und Zugänge suchen, um ihr lukratives Geschäft fortzuführen“, sagt Alexander Poitz von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). So könnten beispielsweise stärkere Wirkstoffgehalte nachgefragt werden. „Da der Konsum steigen wird, besteht außerdem ernsthafte Skepsis, ob die Nachfrage durch legales Cannabis gedeckt werden kann“, sagt Poitz.

Laut Gesetzesentwurf sollen Polizei und Justiz durch die Entkriminalisierung entlastet werden. „Es ist eine stark verringerte Anzahl der gerichtlichen Strafverfahren wegen cannabisbezogener Delikte zu erwarten“, erklärte eine Sprecherin des zuständigen Bundesgesundheitsministeriums.

Wir sehen da noch viele Fragezeichen hinsichtlich der Zuständigkeiten

Alexander Poitz, stellvertretender GdP-Bundesvorsitzender

Aber es entstehen auch neue Aufgaben: Zukünftig müssen die Mengen des mitgeführten Cannabis, Anbauvereine, Cannabispflanzen in Privatwohnungen und die Konsumverbote in der Nähe von Schulen und Kitas kontrolliert werden. „Wir sehen da noch viele Fragezeichen hinsichtlich der Zuständigkeiten“, sagt der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzender Poitz.

Für Jugendliche ist das legale Angebot nicht zugänglich. Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat aber jeder zehnte Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren schon einmal Cannabis konsumiert. Die Entkriminalisierung soll deshalb mit einer Präventionskampagne einhergehen, die vor den Risiken des Konsums warnt. „Dieses Gesetz kommt direkt mit Warnhinweisen“, kritisiert der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Günter Krings. „Das ist eines Rechtsstaats unwürdig. Aus einer defizitären Rechtslage wird eine katastrophale Rechtslage gemacht.“

Laut Bundesgesundheitsministerium sollen Jugendschutz und Auswirkungen auf die Organisierte Kriminalität „zeitnah evaluiert werden“. Die CDU/CSU-Fraktion fordert eine namentliche Abstimmung im Bundestag. So ließe sich nachvollziehen, ob die Ampel auch ohne die erwarteten Stimmen aus der Linkspartei eine Mehrheit erreicht. „Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen, die das Gesetz kritisiert haben, sollten ihrem Gewissen folgen und sich positionieren“, sagt Krings.

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