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Manuela Schwesig muss für ihre Haltung zu Nord Stream 2 viel Kritik einstecken.

© Frank Hormann/dpa

Unterlassungsklage von Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin: Die Deutung von Politikerworten aus Talkshows ist kein Fall für die Justiz

Manuela Schwesig scheitert vorerst damit, die Kritik eines CDU-Politikers im Streit um Nord Stream 2 abzuwehren. Ein Spiel in der falschen Arena. Ein Kommentar

Dem Krieg in der Ukraine war ein Kampf um Worte auf einer Talkshowbühne vorausgegangen, der nicht nur im Studio ausgetragen wurde. In hitziger Runde bei „Markus Lanz“ warf Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vor, sie habe zur Gas-Pipeline Nord Stream 2 „klar“ oder zumindest „ziemlich deutlich“ gesagt, dass Völkerrechtsverletzungen sie nicht interessierten. „Hauptsache, die Pipeline kommt in Betrieb“, so Ploß.

Schwesig hat nie gesagt, dass Menschenrechtsverletzungen sie nicht interessierten

Schwesig saß nicht bei „Lanz“. Dafür SPD-Chef Lars Klingbeil, der pflichtgemäß parierte. Der mit Nord-Stream-Geschäften verwobenen Schweriner Landesregierung genügte das nicht. Schwesig zog vor die Pressekammer des Hamburger Landgerichts, um Ploß seine Worte verbieten zu lassen. Sie habe schließlich nie wörtlich gesagt, dass Völkerrechtsverletzungen sie nicht interessierten.

Juristisch ist zu unterscheiden: Geht es um Meinungen oder Tatsachen

Natürlich nicht. Hätte sie dies so gesagt, wäre sie nicht mehr Chefin einer bundesdeutschen Landesregierung. Ploß hat Schwesigs Position zu Nord Stream 2 verkürzt, zugespitzt, mit den nicht nur Politikern eigenen rhetorischen Mitteln gegen sie gewendet und zum Skandal erklärt. Kein Wort davon sollte verboten werden, denn es nennt sich Meinungsstreit. Juristisch ist er grundlegend zu unterscheiden von der Verbreitung falscher Tatsachen. Dies tat das Gericht, weshalb Schwesig zunächst scheiterte (Az.: 324 O 53/22); eine Beschwerde ist möglich.

Schwesig hatte auf Steuerzahlerkosten übrigens dasselbe Presse-Anwaltsbüro beauftragt, das Altkanzler Gerhard Schröder in seiner aktiven Zeit zu mandatieren pflegte. Der sagte jetzt: „Der Krieg und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine muss schnellstmöglich beendet werden. Das ist die Verantwortung der russischen Regierung.“

Gerhard Schröder bleibt eigentümlich vage zu Russlands Einmarsch

Sollen sich die Truppen also zurückziehen? Oder Kiew möglichst unblutig unter Kontrolle bringen? Wendet sich jetzt sogar Schröder von Putin ab, der ihn einst als lupenreinen Demokraten feierte? Oder bereit er diplomatischen Boden, um dessen Landnahme zu rechtfertigen? Schröder sprach zwar noch davon, auch Sicherheitsinteressen Russlands könnten „den Einsatz militärischer Mittel nicht rechtfertigen“. Dennoch blieb sein Statement gemessen an dem, was da vor sich geht, eigentümlich vage.

Wir sind das Fernsehvolk, wir müssen entscheiden

Das macht aber nichts. Wir sind das Publikum; bei „Lanz“, bei Schwesigs fehlendem Interesse für Menschenrechtsverletzungen, bei den Gedankenschleifen eines von Russland finanzierten Altpolitikers, für den sich seine Partei heute schämt. Wir sind das Fernsehvolk, der Souverän. Wir müssen selbst beurteilen, was wir von allem zu halten haben. Insbesondere auch von dem, was, wie im Fall Schröder, gerade nicht gesagt wird. Wofür kämpft Manuela Schwesig vor Gericht? Es gibt Streitigkeiten, die besser in der politischen Arena verhandelt werden sollten. Die um die Deutung von Politikerworten gehören dazu.

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