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In staatlicher Obhut oder Prämie? Das Betreuungsgeld spaltet die deutsche Gesellschaft.

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Betreuungsgeld: Die Daheimkinder

In Skandinavien gibt es das Betreuungsgeld schon – besonders Frauen mit wenig Bildung und mit Migrationshintergrund nutzen es.

Berlin - Die skandinavischen Länder sind bekannt für ihre Familienpolitik, die davon ausgeht, dass Mutter und Vater arbeiten und sich beide um die Kinderbetreuung kümmern. Dafür gibt es bezahlten Erziehungsurlaub mit obligatorischen Vätermonaten sowie breiten Zugang zu qualitativ guten Kindergartenplätzen. Doch parallel dazu haben Finnland, Norwegen und Schweden auch schon seit Jahren das Instrument des Betreuungsgeldes, das bezahlt wird, wenn Eltern ihre Kinder unter drei Jahren nicht in staatlich finanzierten Krippen oder Kindergärten betreuen lassen. In einer Vergleichsstudie kommt die Soziologie-Professorin Anne Lise Ellingsaeter von der Universität Oslo zu dem Schluss, dass das Betreuungsgeld vor allem von Frauen und überproportional von Frauen mit niedrigem Bildungsniveau und mit Migrationshintergrund in Anspruch genommen wird.

In der von der Friedrich-Ebert-Stiftung publizierten Studie zeigt Ellingsaeter auf, dass in Norwegen der Anteil der Mütter nicht-europäischer Herkunft am Arbeitsmarkt seit Einführung des Betreuungsgeldes 1998 um zwölf Prozent zurückgegangen ist. Bei Müttern norwegischer Herkunft waren es vier Prozent. Entsprechend waren 2009 nur 54 Prozent der Kinder unter sechs Jahren mit Migrationshintergrund in staatlichen Einrichtungen angemeldet, während es bei allen Kindern dieser Altersgruppe 74 Prozent waren. „Das Betreuungsgeld scheint die Nachfrage nach staatlicher Kinderbetreuung bei Familien mit Migrationshintergrund zu vermindern“, schließt die Soziologin daraus.

Andere allgemeine Schlussfolgerungen sind nach Ansicht Ellingsaeters schwierig, weil Ausgangssituation und Ausgestaltung in den drei Ländern sehr unterschiedlich sind. In Finnland wurde das Betreuungsgeld schon 1985 eingeführt – als Ausgleich für fehlende Kindertagesstätten auf dem Land und aus wirtschaftlichen Gründen. Die Sozialleistung in Höhe von etwa 327 Euro, die für Kinder unter drei Jahren ausgezahlt wird, ist günstiger für den Staat als die Kosten für einen Krippenplatz. Das ist auch der Hintergrund dafür, dass viele Kommunen noch Zusatzleistungen zwischen 70 und 250 Euro an Eltern zahlen, damit sie ihre Kinder zu Hause lassen. Da diese Zuzahlungen nach Einkommen gestaffelt sind, ist der Anreiz für Familien mit geringem Einkommen besonders groß. Die Autorin der Studie sieht dies als „nachteilig für die gleiche Entwicklung der Kinder an“. In Finnland war die heimische Betreuung von Kindern schon immer weit verbreitet und wenig umstritten. So werden für ältere nicht-schulpflichtige Geschwisterkinder bis zu 98 Euro dazubezahlt, wenn sie ebenfalls zu Hause bleiben.

In Norwegen werden seit 1998 etwa 400 Euro gezahlt für Kinder zwischen ein und zwei Jahren. Die Zahl der Eltern, die das Geld in Anspruch nehmen, ist indes stark zurückgegangen; 1999 waren es noch 75 Prozent aller Eltern von ein- bis zweijährigen Kindern, 2011 waren es nur noch 25 Prozent. Das führt Ellingsaeter darauf zurück, dass mehr Krippenplätze geschaffen und die Gebühren für einen Platz gesenkt wurden.

In Schweden, wo die Einführung 2008 heftigst umstritten war, zahlen die Kommunen 340 Euro pro Kind zwischen einem und drei Jahren. Das Betreuungsgeld wird nicht an Eltern ausgezahlt, die Arbeitslosen-, Kranken- oder bereits Elterngeld oder Asylbewerberbeihilfe bekommen. Nur 4,7 Prozent der bezugsberechtigten Eltern nahmen 2011 das Betreuungsgeld in Anspruch. 92 Prozent der Antragsteller waren Frauen, Einwanderer waren überrepräsentiert.

Nach Ansicht Ellingsaeters ist die Nutzung des Betreuungsgeldes in hohem Maße geschlechtsspezifisch – die große Mehrheit der Bezieher sind Mütter. Die Studien aus allen drei Ländern zeigten, dass sich das Geld „negativ auf die Gleichberechtigung der Geschlechter auswirkt“ – sowohl in der Familie als auch am Arbeitsplatz. Das Betreuungsgeld habe kurzfristig einen positiven Umverteilungseffekt, weil es das Einkommen von Familien mit sehr geringem Einkommen erhöht. Langfristig gelte dies jedoch nicht wegen derAuswirkungen auf die Berufstätigkeit der Frauen. Eingeführt wurde das Elterngeld in allen drei skandinavischen Ländern von konservativen Regierungen.

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