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Alles verschwommen. Horst Seehofer bleibt CSU-Chef - zumindest bis Donnerstag.

© AFP/Odd Andersen

Die CSU nach dem Ende der Sondierungen: Horst Seehofers Zukunft ist offener denn je

Der CSU-Vorsitzende kehrt mit leeren Händen aus Berlin nach München zurück. Am Donnerstag entscheidet der Parteivorstand darüber, ob er an Horst Seehofer festhält.

Es war am Ende nicht die CSU, die das Ganze platzen ließ – trotz der markigen Sprüche, Stänkereien und Dauerskepsis gegenüber einer Jamaika-Koalition, mit denen sich Landesgruppenchef Alexander Dobrindt permanent in Szene gesetzt hatte. Im Gegenteil: Die Querulanten aus Bayern schienen vom Abgang der FDP kalt erwischt worden zu sein.

Als Angela Merkel eine Stunde nach Mitternacht das Scheitern der Sondierungen bedauerte, stand die Truppe von Parteichef Horst Seehofer wie bedröppelt um sie herum. Und plötzlich fanden sich die Christsozialen in einer ganz anderen Rolle als in den Wochen zuvor. Es sei „schade“, dass die Liberalen die Gespräche abgebrochen hätten, sagte Seehofer mit zerknirschter Miene. Das bedeute eine Belastung für die gesamte Republik. Und es sei auch bedauerlich, weil es in allen wichtigen Themenbereichen schon Verständigungen gegeben habe. Eine Einigung, sei „zum Greifen nahe gewesen“.

Das Scheitern sei eine „traurige Nachricht“

Seehofer bezog dies ausdrücklich auch auf den Hauptstreitpunkt zwischen CSU und Grünen, an dem ein Bündnis vor allem zu scheitern gedroht hatte. In der „ganz schwierigen Frage eines Regelwerks für die Zuwanderung“ wäre ein Konsens möglich gewesen, versicherte der CSU-Vorsitzende. Seine Mitverhandler bestätigten dies. Generalsekretär Andreas Scheuer zufolge liefen die Gespräche zu diesem Thema noch, als die FDP den Tisch verließ. Und nach Darstellung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann waren viele aus CDU und CSU bereits überzeugt, „dass man in der vergangenen Nacht das hätte positiv abschließen können“. Obergrenze für Flüchtlingsaufnahme und Familiennachzug inklusive.

Das Scheitern sei eine „traurige Nachricht“ für die Bürger, bekräftigte Scheuer am Morgen in ungewohnt staatstragendem Ton. Die nächsten Wochen würden wohl „sehr schwierig“. Womöglich bezog der General das aber nicht nur aufs Land, sondern auch auf die eigene Partei. Jedenfalls kann deren wankender Vorsitzende mit dem Gang der Dinge alles andere als glücklich sein. Hatte Seehofer nicht beständig, um sich seiner innerparteilichen Gegner zu erwehren, von „historischen Verhandlungen“ gesprochen, bei denen möglichst viele CSU-Positionen durchgesetzt werden müssten und die nur er zum Erfolg bringen könne? Hatte er dies nicht als einzige Möglichkeit beschrieben, um einer Polarisierung der Gesellschaft Herr zu werden und die AfD zurückzudrängen? Wie macht es sich da nun, mit leeren Händen aus Berlin zurückzukehren?

Für die Grünen hat Seehofer lobende Worte übrig

Hinzu kommt besonderer Ärger über Christian Lindner. Aus Verhandlungskreisen war zu hören, dass der FDP-Chef zuletzt gleich mehrfach versucht hatte, die CSU rechts zu überholen – beim umstrittenen Freihandelsabkommen Ceta ebenso wie beim Familiennachzug. Bei der Bundestagswahl hatte die FDP den Platzhirschen in Bayern schon schmerzhaft viele Stimmen abgetrotzt. Aus Nationalliberalen könnte ihnen neue Gefahr erwachsen. In der AfD nennen sie es jedenfalls schon mal bezeichnend, dass es die FDP und nicht die CSU gewesen sei, die das Sondieren beendet habe. Ihre „Kompromissbereitschaft gegenüber den Grünen“ werde den Christsozialen bei der Landtagswahl in Bayern auf die Füße fallen, verkündete AfD-Fraktionschefin Alice Weidel.

In einer Telefonschalte des CSU-Präsidiums am Montagvormittag gab Seehofer bekannt, dass das Verhältnis zur FDP durch den Sondierungsabbruch „sehr gelitten“ habe. Die Grünen dagegen, denen sein Landesgruppenchef so beharrlich gegen das Schienbein getreten hatte, lobte der CSU-Chef. Und die Parteischwester CDU mit ihrer Vorsitzenden sogar über den grünen Klee. Den unter Druck stehenden wurmt ja nicht nur, dass ihm Lindner die flüchtlingspolitische Profilierung vermasselt hat. Auch sein sozialpolitisches Lieblingsprojekt schien trotz immens hoher Kosten auf bestem Wege. Zumindest für Eltern mit mehr als drei vor 1992 geborenen Kindern sei eine Ausweitung der Mütterrente bereits beschlossene Sache gewesen, hieß es in Verhandlerkreisen.

Am Donnerstag tagt der CSU-Vorstand

War’s das jetzt also für Seehofer als Parteichef und Ministerpräsident? Wie es weitergeht im unentschiedenen Führungsstreit, will der CSU-Vorstand am Donnerstag Abend in München beraten. Die Partei bangt für die 2018 anstehende Landtagswahl bekanntlich um ihre absolute Mehrheit. Und Seehofer hatte versprochen, nach den Sondierungen wenigstens einen Zeitplan für seine Nachfolge vorzulegen.

Tatsächlich scheint alles offener denn je. Während die einen auf flotten Wechsel drängen, finden andere, dass es nun erst recht nicht ohne den 68-Jährigen gehe. Fraktionschef Thomas Kreuzer erinnert an den „hervorragenden“ Markus Söder, der für jedes der Seehofer-Ämter geeignet sei. Gleichzeitig bringt er Dobrindt als Parteichef ins Spiel, der in den Sondierungen durch Weitsicht und Durchhaltevermögen geglänzt habe. CSU-Vize Barbara Stamm dagegen setzt in der Krise aufs Bewährte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Partei jetzt auf Horst Seehofer verzichten kann.“

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