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Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen.

© imago images/Metodi Popow

Die Bilanz von Olaf Scholz: Stabilität - mal so, mal so

Als Bundesfinanzminister hat der SPD-Kanzlerkandidat ordentliche Umfragewerte gesammelt. Aber hilft ihm das im Wahlkampf?

Es war wohl sein letzter größerer Auftritt als Bundesfinanzminister. Olaf Scholz hat am Mittwoch dem Bundeskabinett seinen Etatentwurf für 2022 vorgelegt. Von kommender Woche an dürfte er dann endgültig in die Rolle des Kanzlerkandidaten schlüpfen und versuchen, mit seinen nicht ganz schlechten Umfragewerten auch seine Partei etwas höher zu hieven. Mit 14 bis 17 Prozent abzuschneiden, ist nicht sein Ziel. Mit dem Namen Scholz wäre dann das schwächste Abschneiden der SPD bei einer nationalen Wahl verbunden – und zwar seit 1890.

Das Finanzministerium zu besetzen, war eine sehr bewusste Entscheidung von Scholz und seiner Partei im Frühjahr 2018, als die „Groko“ verhandelt wurde. Der damalige Hamburger Bürgermeister wollte dieses Amt, das nach der Kanzlerin das einflussreichste im Kabinett ist, weil es bei allen Vorhaben irgendwie dabei ist, im Zweifelsfall sogar mit Vetomacht. Als Vizekanzleramt galt es so als bestens geeignet. Der Vorgänger Wolfgang Schäuble hatte als Garant der schwarzen Null ordentlich gepunktet. Politiker, die Stabilität ausstrahlen, kommen meist gut an. Scholz wollte das auch – seine Haushaltspolitik stand immer ein bisschen unter dem Motto, mit dem Gerhard Schröder 1998 den Mitte-Wählern die Furcht vor der SPD zu nehmen versuchte: Nicht alles anders, aber vieles besser.

Das Scholz-Dilemma

Da beginnt nun das Dilemma des Finanzministers und Kanzlerkandidaten. Scholz ist ein Mann der Mitte mit viel Erfahrung. Auch deshalb ist sein Standing in der Bevölkerung recht gut. In der aktuellen Forsa-Umfrage steht er auf Platz drei der Spitzenpolitiker, hinter Angela Merkel und Markus Söder, aber vor Armin Laschet und Annalena Baerbock. Er kommt dort ganz gut an, wo er Stimmen holen möchte – in der Mitte, vielleicht sogar bei Wählern, die sich eher rechts der Mitte einstufen. Hier liegt das grüne Spitzenduo weit hinter Scholz, dort also kann er punkten, wenn Laschet es nicht tut.

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Doch nun muss Scholz einen Etat für das kommende Jahr vorlegen, in dem eine höhere Neuverschuldung geplant ist als er selbst in seinen Eckwerten im März zunächst vorgesehen hatte. Knapp 100 Milliarden Euro an neuen Krediten sind eingestellt, vor drei Monaten wollte Scholz noch mit 81,5 Milliarden auskommen. Nicht alle Mehrausgaben sind tatsächlich streng pandemiebedingt. Zumindest ist das umstritten – Scholz selbst betont nur, dass die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse auch im kommenden Jahr noch einmal möglich sei.

Da die Kredite für 2022 nach der Schuldenregel im Grundgesetz praktisch vollständig mit einem Tilgungsplan versehen werden müssen, wächst die Hypothek, welche die „Groko“ künftigen Regierungen hinterlässt. Scholz geht davon aus, dass ab 2026 und auf Dauer von 20 Jahren jährlich mehr als 20 Milliarden Euro in die Schuldenrückzahlung fließen müssen. Nach der Kabinettssitzung wies er vorsichtshalber darauf hin, der Etat sei einstimmig gebilligt worden.

2022 mehr neue Kredite

Anders als mit einer nochmals höheren Neuverschuldung ließ sich angesichts von Mehrforderungen einzelner Ressorts und neuer Regierungsbeschlüsse wie dem Klimaschutzsofortprogramm der Etat nicht ausgleichen. Dass die Einnahmen konjunkturbedingt möglicherweise deutlich besser sein werden als bisher eingestellt, ließ Scholz zwar anklingen. Aber nach den Regeln der Etataufstellung muss er sich an die bisherige Regierungsprognose halten, die ein geringeres Wachstum annimmt als aktuellere Voraussagen von Wirtschaftsforschern.

So muss der Finanzminister damit leben, dass im Wahlkampf die Rede vom „Schulden-Scholz“ sein wird. Aber der SPD-Kanzlerkandidat setzt darauf, dass die Konkurrenz auch ihre Zahlungsschwierigkeiten bekommen wird. Zum Unions-Programm sagt er, es sei nicht seriös, Entlastungen zu versprechen, die man nur hinbekomme, wenn man beim Sozialen und den Investitionen kürze. Einnahmen erhöhe oder eben Schulden mache. Da Union und FDP an der Schuldenbremse hingen, werde sich auch die künftige Haushaltspolitik in deren Rahmen bewegen, so Scholz. Womit geringere Ausgaben als Ausweg bleiben.

Alle reden vom Wumms

Scholz kommt zudem entgegen, dass sich auch in der Union in der Pandemie haushaltspolitisch eine Wende eingestellt hat. Merkels schwäbische Hausfrau ist nicht mehr das alleinige Rollenmodell. Wie in allen Parteien geht es jetzt auch um Wumms. Scholz mag seine Floskel aus dem vorigen Jahr noch immer, man wird sie wohl im Wahlkampf häufiger hören. Da alle vom Modernisierungsjahrzehnt reden, werden Investitionen der zentrale Streitpunkt sein. Wie finanziert, wofür ausgegeben, mit welcher langfristigen Wirkung – das sind die Fragen.

Und da will Scholz sich offenbar als Stabilitätspolitiker neuer Art profilieren. Nicht so ökovisionär wie die Grünen, sondern mit Blick für das Machbare. Und solider als die Union mit ihrem aus seiner Sicht unhaltbaren Wahlprogramm. Die SPD wird allerdings diesen Wahlkampf nicht dominieren. Und bei aller Wertschätzung in der Bevölkerung, nimmt man die Umfragewerte: Scholz hat seit der Ausrufung zum Kanzlerkandidaten im vorigen Herbst wenig bis nichts zur Stärkung der Umfragewerte seiner Partei beigetragen. Er kann nur hoffen, dass Union und Grüne ins Straucheln geraten. Und dass dann plötzlich zur Wahl hin dieser dritte Kandidat wieder gefragter sein könnte.

Die Amtszeit ist nicht makellos

Dass seine Bilanz im Finanzministerium nicht ganz so makellos und von Stabilität geprägt ist, wie er es gern sähe, dürfte dem nicht im Weg stehen. Sein gescheiterter Alleingang bei der Reform der Grundsteuer im Herbst 2018 etwa ist schlicht zu lange her. Dass seine Vorstöße in der internationalen Finanzpolitik zu Transaktionssteuer oder Mindestbesteuerung nicht unbedingt viel Bewegung in die Vorhaben brachten, lag auch an den Widerständen der Trump-Regierung in Washington und zu wenig Partnern in Europa. Und im Wirecard-Skandal war die Rolle des Finanzministeriums fragwürdig, auch wenn es der Opposition und der eigenen Koalitionspartnerin nicht gelang, im Untersuchungsausschuss des Bundestags so viel Belastendes in den Akten zu entdecken, dass es für mehr als erhebliche Nervosität und Blockadeverhalten im Scholz-Ressort sowie einige Entlassungen bei nachgeordneten Behörden gereicht hätte.

Und ob die Komplexität der Cum-ex-Affäre, in der es um Dividendenbetrug von Banken geht und die gerade einen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft beschäftigt, von den Gegnern der SPD als wahlkampfwirksam genug eingeschätzt wird, muss man sehen. Denn eines geht mit der Regierungserfahrung, die Scholz als sein Markenzeichen gegen Laschet und Baerbock ins Feld führt, auch einher: die Fähigkeit zum ausgebufften Aussitzen von Vorwürfen.

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