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Ein Mann baut einen Joint.

© dpa/Hannes P. Albert

Die Ampel und die Cannabis-Freigabe: „Die Prioritäten liegen wirklich woanders“

Mit einem Gesetzentwurf für den kontrollierten Hanfanbau arbeiten SPD, Grüne und FDP den Koalitionsvertrag ab. Aber nicht alle Ampel-Politiker sind glücklich mit dem Projekt.

Wenn an diesem Samstag Befürworter der Legalisierung von Cannabis bei der sogenannten Hanfparade durch das Berliner Regierungsviertel ziehen, dann liegt ihr politisches Ziel in greifbarer Nähe.

Denn in der kommenden Woche will sich das Kabinett mit dem Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Freigabe von Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken befassen. Allerdings wird das Projekt nicht überall in der Ampelkoalition als vorrangig gesehen.

Vor der Bundestagswahl hatte die damalige Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erklärt: „Ja, wir wollen Cannabis freigeben, natürlich kontrolliert, so wie man das beim Alkohol auch tut.“

Nach der Wahl zeigte sich dann in den Koalitionsgesprächen, dass es vor allem bei den Grünen und der FDP große Übereinstimmungen bei der Legalisierung gab, die SPD war eher zögerlich.

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Am Ende stand dann der Satz im Koalitionsvertrag: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ 

Die Argumente der Ampel-Partner für die Legalisierung des Kiffens: die Eindämmung des Schwarzmarktes und der organisierten Kriminalität, weniger verunreinigte Substanzen in den Joints, weniger gravierende gesundheitliche Folgen.

Bedenken der EU-Kommission setzen Grenzen

Zu einer Abgabe von Cannabis in lizenzierten Geschäften kommt es allerdings erst einmal nicht. Denn SPD, Grüne und FDP mussten von ihrem Vorhaben große Abstriche machen, seit der Koalitionsvertrag geschrieben wurde.

Ich gehe davon aus, dass das Gesetz in diesem Jahr verabschiedet wird.

Dirk Heidenblut, SPD-Berichterstatter für Drogen- und Suchtpolitik im Bundestag

Weil die EU-Kommission Bedenken gegen einen flächendeckenden Cannabis-Handel anmeldete, wird am kommenden Mittwoch zunächst einmal nur ein Gesetzentwurf ins Kabinett eingebracht, der in begrenztem Umfang den Anbau von Hanf in den eigenen vier Wänden und in „Cannabis-Clubs“ ermöglicht.

Anschließend wird im Bundestag über die Entkriminalisierung des Kiffens beraten. „Ich gehe davon aus, dass das Gesetz in diesem Jahr verabschiedet wird“, sagte der SPD-Berichterstatter für Drogen- und Suchtpolitik im Bundestag, Dirk Heidenblut, dem Tagesspiegel. Ein Inkrafttreten sei dann zu Beginn 2024 denkbar, sagte er weiter.

Heidenblut wies die Kritik des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek (CSU) zurück, der moniert hatte, dass Mitgliedschaften in mehreren „Cannabis-Clubs“ nicht auszuschließen seien. Auf diesem Wege könnten sich Kiffer mehr Cannabis besorgen, als ihnen gesetzlich für den Privatkonsum zustehen würde, befürchtete Holetschek.

„Das ist an den Haaren herbeigezogen“, sagte Heidenblut und wies darauf hin, dass sich ein solches Vorgehen in der Praxis für Kiffer finanziell nicht lohne, schon wegen der in jedem Verein zu entrichtenden Pauschalen und der persönlichen Mitwirkungserfordernisse. Gleichwohl erwartet Heidenblut auch innerhalb der Ampelkoalition bis zur Verabschiedung des Gesetzes noch Diskussionen, unter anderem über die strafrechtlichen Regelungen, die bei Verstößen gegen das Gesetz geplant sind. 

Allerdings dürften die weiteren Beratungen in den kommenden Monaten in erster Linie nur die Fachpolitiker in Anspruch nehmen. Denn es gibt in der breiten Öffentlichkeit derzeit drängendere Probleme als die Frage, unter welchen Auflagen man den Hanf freigeben soll: die Wirtschaftsflaute in Deutschland, die Inflation, den Ukraine-Krieg, die Belastung von Kommunen angesichts der Migration.

Dennoch sieht Heidenblut grundsätzlich keinen Grund, die im Koalitionsvertrag vorgesehene kontrollierte Abgabe von Cannabis auf die lange Bank zu schieben. Die Legalisierung von Cannabis entspreche dem Gerechtigkeitsgefühl vieler Menschen, wenn man den generellen Umgang etwa mit dem Alkoholkonsum betrachte, sagte er zur Begründung.

Das ändert aber nicht daran, dass es in der Ampelkoalition auch Skepsis gegenüber der Entkriminalisierung des Haschischkonsums gibt. „Die Prioritäten liegen wirklich woanders, aber auch diese Vereinbarung des Koalitionsvertrages will umgesetzt werden“, sagt ein Verteidigungspolitiker. Es gebe nach seiner Ansicht noch einigen Diskussionsbedarf: „Bekiffte Rettungssanitäter, Kranführer oder auch Soldatinnen und Soldaten kann ich mir nicht vorstellen.“

Die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, hält derartige Sorgen für unbegründet. So blieben etwa bestehende disziplinarrechtliche Vorschriften im Soldatengesetz oder berufsgenossenschaftliche Arbeitsschutzvorschriften von der geplanten Cannabis-Freigabe unberührt, stellte sie klar. 

Ohnehin steht bei der Diskussion über die Freigabe weniger das Konsumverhalten der Erwachsenen als der Schutz von Kindern und Jugendlichen im Fokus. Lauterbach kündigte an, dass es parallel zum Gesetzgebungsprozess eine Kampagne geben werde, mit der auf die Risiken des Cannabiskonsums hingewiesen werden solle.

„Cannabis schadet besonders dem noch wachsenden Gehirn. Bis zum 25. Lebensjahr wird das Gehirn noch umgebaut. Wer in dieser Altersphase konsumiert, der schadet sich besonders“, hatte Lauterbach der „Rheinischen Post“ gesagt. Sein Ziel sei, „dass wir den Cannabiskonsum bei Jugendlichen zurückdrängen und ihn für die, die konsumieren wollen, sicherer machen“.

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