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Die Erfassung von Hasskriminalität gegen Juden, Muslime, Christen, Schwule, Behinderte und weitere Bevölkerungsgruppen soll künftig ausgeweitet werden. Foto: C. Hartmann/dpa

© C. Hartmann/picture-alliance/dpa

Hasskriminalität: Detaillierte Statistik zu Straftaten geplant

Hassdelikten gegen Juden, Muslime, Christen, Schwule, Behinderte und weitere Bevölkerungsgruppen wird der Kampf angesagt. Doch die Kategorisierung ist umstritten.

Von Frank Jansen

Bund und Länder verschärfen den Kampf gegen Hasskriminalität. Diese Woche setzen Innen- und Justizminister gleich zwei Signale: Am Dienstag sind Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin und 13 weiteren Ländern mit einer Razzia gegen rechte und linke Internethetzer vorgegangen. Mittwoch und Donnerstag wird die Justizministerkonferenz nach Informationen des Tagesspiegels beim Treffen in Deidersheim (Rheinland-Pfalz) die justizielle Erfassung von Verfahren zu Hasskriminalität gegen Juden, Muslime, Christen, Schwule, Behinderte und weitere Bevölkerungsgruppen einleiten. Dieser Schritt soll die Dimension des Problems – nicht nur im Internet – nachhaltig verdeutlichen. Auch wenn Hasskriminalität im Strafrecht als Begriff bisher nicht auftaucht.

Geführt von Berlin hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz seit Anfang 2016 Kriterien für eine „zeitgemäße und aussagekräftige Erfassung von Hasskriminalität in justiziellen Statistiken“ erarbeitet. Der Abschlussbericht zählt acht Kategorien von Tatmotiven auf: antisemitisch, gegen Behinderte, christenfeindlich, fremdenfeindlich, islamfeindlich, Hass auf eine bestimmte sexuelle Orientierung, Hass auf „gesellschaftliches und/oder politisches Engagement“ – gemeint ist unter anderem Hetze gegen ehrenamtliche Flüchtlingshelfer – sowie „institutionalisierte Hasskriminalität“, also menschenverachtende Delikte von Mitarbeitern staatlicher Behörden.

Die letzten beiden „Untergruppen“ sind in der Justizministerkonferenz allerdings umstritten. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sehen vor allem die Erfassung von Hassdelikten kritisch, für die Polizisten oder andere Staatsdiener verantwortlich gemacht werden. Minister Heiko Maas ist jedoch dafür. Eine Mehrheit für den Kriterienkatalog dürfte allerdings beim Treffen der Justizministerkonferenz sicher sein. Der Strafrechtsausschuss der Konferenz hat sich mit den Stimmen von 13 Ländern für den Katalog ausgesprochen. Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt enthielten sich. Die Länder verständigten sich zudem darauf, Katalogpunkte zu streichen, sollten sie in der Praxis untauglich erscheinen.

Auf die Landesjustizverwaltungen kommt nun einige Arbeit zu. Sie sollen dem Bundesamt für Justiz detailliert ausgefüllte „Erhebungsbögen“ zu Verfahren wegen Delikten zuleiten, die der Hasskriminalität zugerechnet werden. Bislang gab es eine statistische Erhebung nur zu rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten. Sie wird jetzt ergänzt.

Lehren aus dem NSU-Desaster gezogen

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bewertet die Reform als große Chance. „Mit der Neufassung der Kategorien sagen wir dem Rassismus den Kampf an.“ Behrendt sieht Lehren aus dem NSU-Desaster und den Erfahrungen mit der Flut von Hasspostings im Internet umgesetzt. Ein Fortschritt ist für ihn auch, beim Thema Hasskriminalität nicht länger auf ein politisches Tatmotiv fixiert zu sein – und damit indirekt auch auf die Polizei. Sie registriert Delikte aus dem Bereich Hasskriminalität nur in der Statistik „Politisch motivierte Kriminalität“.

Die Justizminister setzen bei der Bewertung einschlägiger Taten auf den Begriff „menschenverachtender Charakter“. Das entspricht Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs. Danach sind bei der Strafzumessung für einen Täter „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ Motive zu berücksichtigen.

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