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Martin Sonneborn ist Vorsitzender der „Partei“ und war im früheren Leben Chefredakteur eines traditionsreichen Satiremagazins.

© Wolfgang Kumm/dpa

Der Witz von „Die Partei“ hat sein Publikum verloren: Der Sonneborn von heute ist der Helmut Kohl von gestern

Früher war rechts spießig und links die Revolution, nun dreht sich das allmählich um. Der Dünne muss weg, die Partei muss laufen lernen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Der Erfolg der Satirepartei „Die Partei“ ist beachtlich, viele Stimmen, viele Mitglieder, viel Diskussion. Für Chef und Mitgründer Martin Sonneborn ist jetzt der Helmut-Kohl-Moment gekommen. Wie einst Angela Merkel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, so meuchelt ein Nachrückender den alternden Vorsitzenden, der vielen mit seinen Witzen auf die Nerven geht.

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Der junge Held, Nico Semsrott, nutzt Twitter statt Zeitung. „Die Partei muss laufen lernen“, schrieb Merkel damals ein paar Wochen nachdem bekannt wurde, dass es in der CDU schwarze Kassen gab. Bei Sonneborn war es das Unding dieser Tage: ein T-Shirt-Scherz mit fernöstlichen Sprachklischees, verbunden mit dem politischen Leichtsinn, sich auf Twitter auch noch über Kritik daran lustig zu machen.

Nun ist Semsrott zwar ausgetreten und Sonneborn blieb drin. Dennoch: Der Dünne muss weg, die Partei muss laufen lernen. Keine Partei kommt dauerhaft an der vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe vorbei, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Sonneborn hat hier versagt. Er blieb bei der Satire, wo er hätte Ernst machen müssen.

Ein Mann von gestern: elitär, eingebildet, in keiner Weise zum Kompromiss bereit. Seine nachgeschobene Entschuldigung, in der er seine Pointe erläutert, dürfte geheuchelt sein. Der Alte klammert sich ans Amt.

Meinungskämpfe von Gesinnungsgladiatoren

Dem Politiker Sonneborn fehlt zweifellos das Gespür für das Medium, in dem er seine Witze macht. Twitter ist kein Ort für Satire. Es ist eine gigantische Arena für Meinungskämpfe von Gesinnungsgladiatoren. Mal hebt das Publikum den Daumen, mal senkt es ihn, aber verlässlich gibt es Gemetzel.

Semsrott bewegt sich geschickter in dieser Arena, indem er, ganz wichtig, signalisiert, wie viel ihm „Feedback“ bedeutet. Er nimmt auf, was Wählerinnen und Wähler wünschen und wie und wofür sie ihre Daumen recken. Sonneborn war das alles egal. Schon jetzt hat Semsrott mehr Follower als Sonneborn. Es wird weitere Überläuferinnen und Überläufer geben.

Satire darf immer noch alles, nur nicht überall

Was wird aus Satire? Sie durfte alles und insbesondere durfte sie die verhöhnen, die Anstoß an ihr nahmen. Kohl war Birne, Genscher Genschman, Scharping Ziege; ein Papst nässte ein, Bischöfe klagten; rechts war spießig und links Revolution. Heute darf Satire immer noch alles und muss, wie immer, damit klarkommen, aus dem Zusammenhang gerissen und zum Skandal erklärt zu werden.

Im Prinzip hat sich also wenig geändert, nur dass tendenziell rechts die Revolution ist und die Linke verspießt. Einen Satiriker wie Sonneborn, einst Chefredakteur eines eher links verorteten Magazins, in dem gleichwohl eine gezeichnete Kunstfigur namens Sondermann sich im „Negerschrubben“ üben durfte, bringt das in eine delikate Lage. Die Frage ist für ihn nicht, was Satire noch darf, sondern wo ihr Publikum ist. Der verdiente Künstler erfährt nun, bei Twitter ist es nicht. Er hat lange durchgehalten. Die meisten Gladiatoren waren eher tot.

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