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Protest gegen Myanmars Militärjunta in Yangon (Archivbild vom 14. Juli 2021)

© AFP/Stringer

Vor einem Jahr putschte das Militär in Myanmar: Der Widerstand gegen die Generäle geht weiter

Vor einem Jahr hat Myanmars Militär die Macht übernommen. Bis heute ist der Widerstand in der Bevölkerung ungebrochen – und es gibt eine Hoffnung.

Mit so viel Widerstand hatten die Generäle in Myanmar wohl nicht gerechnet, als sie sich am 1. Februar 2021 vor der konstituierenden Parlamentssitzung wieder an die ganze Macht putschten. Trotz ihres brutalen Vorgehens gegen unbewaffnete Demonstranten wehren sich die Menschen auch ein Jahr danach weiterhin. 200.000 Menschen sind geflüchtet, mehr als 11.000 gefangengenommen. Doch ziviler Widerstand verhindert, dass die Junta überhaupt eine funktionierende Verwaltung aufbieten kann.

Viele Menschen hatten erwartet, dass es nach ein paar Wochen still würde auf den Straßen – schließlich schossen die so genannten Sicherheitskräfte nicht nur auf Demonstranten, lauerten den engagierten Bürger:innen auch in zivil auf und holten Mütter, Schwestern, Väter und Brüder tags wie nachts aus ihren Häusern und verschleppten sie. Ohne Vorwarnung, ohne Begründung.

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Viele ältere Myanmarer kannten dieses Vorgehen, hatten doch die Generäle bis zur langsamen Öffnung ab 2010 rund 26 Jahre die Bevölkerung drangsaliert und das Land abgeschottet. Viele junge Menschen, die in den Großstädten relativ entspannt lebten, waren eher unpolitisch, träumten von einer schönen Zukunft, gingen abends tanzen oder in eine Bar.

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Doch inzwischen sind „Hunderttausende“ aus den Großstädten in den Dschungel gezogen und haben sich dort militärisch schulen lassen, wie die Aktivistin Nyein Chan May dem Tagesspiegel am Sonntag berichtete. Auf dem Land sei fast jeder junge Mensch im Widerstand, der People’s Defence Force (PDF). „Sie haben keine andere Wahl, weil sie sich wehren müssen.“

Viele ihrer Freunde sind dorthin gegangen. In ein hartes Leben für verwöhnte Großstadtkids, die vorher Computerspiele spielten. Die jungen Kämpferinnen hätten nicht einmal genug Utensilien für ihre Monatshygiene gehabt, erzählt Chan ein nur auf den ersten Blick profanes Beispiel. Junge Männer seien im Kugelhagel der Kämpfe losgezogen, um für sie Binden zu organisieren.

Film auf der Berlinale

„Die Kämpfe sind überall“, weiß Chan nicht nur aus sozialen Netzwerken. Hoffnung macht ihr, dass immer mehr Soldaten und Polizisten den Dienst verweigerten. „Die jungen Leute fordern sie dazu auf und sagen ihnen, bei ihnen sei die richtige Seite“, berichtet Chan. „Positive Reinforcement“ nennen sie das. Wie man sich das vorstellen darf, zeigt der Film „Myanmar Diaries“ eindringlich, der auf der Berlinale laufen wird.

Chan selbst lebt in Deutschland und engagiert sich mit der Gruppe German Solidarity with Myanmar sowohl für die Menschen in der Heimat, die dort für ihre Rechte kämpfen, als auch für Diplomaten der Vorgängerregierung, die noch in Deutschland sind. Was Chan und ihre Mitstreiter nicht verstehen, ist, dass der myanmarische Militärattaché noch immer „mit seinen Soldaten“ in Berlin in der Clayallee residiert. „Er ist ein Kriegsverbrecher“, er habe im Shan State Menschen umgebracht, sagt Chan.

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Sie und ihre Gruppe haben „an die Frau Außenministerin“ Annalena Baerbock eine „freundliche Erinnerung“ geschrieben, sagt Chan. Denn die Grünen-Politikerin habe selbst gefordert, diesen Diplomaten auszuweisen.

Im Auswärtigen Amt hieß es zwischenzeitlich immer, man werde den Attaché nicht ausweisen, da man so immerhin einen Gesprächskanal zur Junta habe. „Welche Erfolge hat diese Diplomatie gebracht?“ fragt Chan. Am Dienstag wollen Aktivisten aus ganz Deutschland ihrer Forderung mit einem Protestzug vom Haus des Attachés zur Botschaft in Berlin Nachdruck verleihen.

Die Junta muss derweil feststellen, dass einige Großkonzerne wie Total, Chevron und das australische Woodside Petroleum Myanmar den Rücken kehren, andere „prüfen“ ihre Zusammenarbeit.

Der Widerstand im Land hat sich im vergangenen Jahr gegenüber früher sehr gewandelt. Die einstige Demokratieikone Aung San Suu Kuyi ist nicht mehr das Maß der Dinge, sagt auch die Aktivistin Jan Jan vom Global Movement for Myanmar Democracy. Jetzt gehe es um viele politische Anführer:innen. Suu Kuyi wurde unter fadenscheinigen Vorwürfen – etwa Verletzung von Coronaregeln – zu sechs Jahren Haft verurteilt. Allerdings wisse niemand, ob sie in Hausarrest oder in einem Spezialgewahrsam sei, so Chan.

Sie geht davon aus, dass die Generäle versuchen werden, die für 2023 angekündigten Wahlen durchzuziehen, um sich mit Hilfe von miliitärnahen und kleineren ethnischen Parteien eine Legitimation zu verschaffen. Richard Horsey, Experte der International Crisis Group, geht allerdings davon aus, dass die Junta nicht einmal in der Lage sein werde, die Logistik zu stemmen. Sollten die Generäle es dennoch versuchen, so den Wahlsieg der Opposition von 2020 auszuradieren, werde das ein Zündfunken für Gewalt sein.

Sie alle sehen aber eine Sache als Hoffnungsschimmer: Im Land der vielen Ethnien gebe es jetzt so viel Austausch unter- und Verständnis füreinander wie nie zuvor. Der Putsch habe die Myanmarer insofern geeint.

[Am Samstag, 5. Februar,  können alle Interessierten ab 16 Uhr an einem poltisch-kulturellen Streaming der Gruppe German Solidarity with Myanmar Democracy e.V. teilnehmen. Das Programm finden Sie hier. Hier geht es zur Anmeldung.]

Richard Licht

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