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Die drei früheren Chefs des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, Frank-Jürgen Weise und Jutta Cordt, während einer Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses zur Bremen-Affäre im Juni 2018.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Bremer Asylaffäre von 2018: Der Skandal, der keiner war

Vor drei Jahren schien Bremens Asylentscheidungsbehörde ein Hort von Kriminellen. Davon blieb wenig. Der Bundestagsinnenausschuss blickte zurück nach vorn.

Es schien im Frühjahr 2018 der größte Behördenskandal der Geschichte der Bundesrepublik. Die Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte angeblich jahrelang missbräuchlich Asyl gewährt, ihre Leiterin Ulrike B. wurde suspendiert und angeklagt und ihre zwischenzeitlich aus Bayern nach Bremen entsandte Nachfolgerin sprach von "mindestens 3332" Asylakten, die in Bremen falsch bearbeitet wurden. Die Staatsanwaltschaft ging schließlich von 1200 Fällen zwischen 2013 und 2016 aus und setzte zeitweise ein mehr als 40 Köpfe starkes Ermittlungsteam ein, um die Vorwürfe aufzuklären. Nach immerhin 15 Monaten Arbeit kam es auf nur noch 121 Fälle. Von denen nahm schließlich das Landgericht Bremen im November 22 zur Verhandlung an; für die übrigen sah es "keinen Straftatbestand" gegeben. Im vergangenen Dezember strich die Anklagebehörde die Segel und verzichtete auf Widerspruch gegen diese Entscheidung des Gerichts. Am Mittwoch ließ nun der Innenausschuss im Bundestag die Ereignisse von seinerzeit noch einmal Revue passieren.

Grüne: Das Bundesamt wurde beschädigt

So rasch der Skandal schrumpfte - den auch der Tagesspiegel zu Beginn als solchen behandelte -, so handfest waren seine unmittelbaren Folgen. Über die angeblich schlimmen Zustände in Bremen verlor die damalige Bamf-Präsidentin Jutta Cordt nach gerade anderthalb Jahren ihr Amt, die Bremer Behördenleiterin Ulrike B. stand als Schwerkriminelle da. Auch gegen sieben ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde ermittelt, - Innenstaatssekretär Stephan Mayer sprach seinerzeit von "hochkriminellem und bandenmäßigen" Tun, bis ihm das gerichtlich untersagt wurde. Auch davon blieb wenig: Die Ermittlungen gegen die sieben sind eingestellt, von den Vorwürfen gegen Ulrike B ist eine Hotelrechnung über 65 Euro übriggeblieben, der Verdacht der Datenfälschung und der Verrat von Dienstgeheimnissen. All dies wird demnächst in Bremen verhandelt.

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Politisch dramatisch aber, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg, sei die öffentliche Beschädigung der Behörde" gewesen. "Das Bamf braucht das Vertrauen der Bevölkerung, dass es im Wesentlichen richtig entscheidet. Dass das Bundesinnenministerium zugelassen hat, dass dieses Vertrauen beschädigt wird, dass der AfD damit Munition geliefert wurde, war unsäglich, sowohl im Hinblick auf diese Akzeptanz wie auch im Sinne der Unschuldsvermutung." Es habe zwar "krasse Missstände beim Bundesamt gegeben", aber die hätten politische Ursachen gehabt, sagt Amtsberg: Schon Seehofers Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) und Thomas de Maizière (CDU) hätten den Asylantragsstau unterschätzt, es habe Personal gefehlt, die Behördenbediensteten hätten jenseits der Belastungsgrenze gearbeitet. Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, sagte dem Tagesspiegel, das habe freilich in der Sitzung des Innenausschusses keine Rolle gespielt:

Union: Es war nicht nichts

"Über Jahre hat die Union steigende Asylantragszahlen ignoriert. Das hat zu einer fortwährenden Verschlechterung der Zustände im Bamf geführt." Ihr Fazit: „Asylsuchende, die Behörde, betroffene Beamtinnen und Beamte sind schwer beschädigt worden. Das darf nicht mehr passieren.“

Alexander Throm, Unions-Obmann im Innenausschuss, sieht die jüngeren Erkenntnisse der Bremer Justiz dagegen als Zeichen, "dass nicht nichts war. Es gab schon erhebliche Fehler". Immerhin bleibe ein Gerichtsverfahren gegen Ulrike B. und das Disziplinarverfahren, das sich dem anschließen werde. Andererseits sei "zum Glück weniger herausgekommen, als man ursprünglich befürchten musste, das ist durchaus positiv". Die "wilde Aufgeregtheit allenthalben" habe "seinerzeit aber auch dazu geführt, dass das Bamf sein Kontrollmanagement verbessert und sich neu organisiert habe - über den neuen Präsidenten hinaus". Throm sieht Möglichkeiten, aus Bremen Lehren zu ziehen: In Zukunft hofft er auf Beteiligte, "die sich rechtzeitig daran erinnern, dass nichts so heiß gegessen wie gekocht wird."

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