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Schottlands Regionalpräsidentin Nicola Sturgeon bei der Auszählung der Stimmzettel in Glasgow.

© Jeff J. Mitchell/REUTERS

Schottische Nationalpartei verpasst absolute Mehrheit: Der „Scexit“ muss warten

Der Erdrutschsieg der SNP bei den Wahlen in Schottland blieb aus – ein Dämpfer für die Unabhängigkeitsbestrebungen von Regionalchefin Sturgeon. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Eigentlich war die Rechnung ganz einfach, welche die schottische Regionalpräsidentin Nicola Sturgeon aufgestellt hat: Die Schotten stehen der EU, anders als die Engländer, aufgeschlossen gegenüber. Daher müsste es doch möglich sein, nach dem Brexit neuen Wind unter die Flügel der schottischen Unabhängigkeitsbefürworter zu bekommen, dachte sich die Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP).

Nach einem Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands – vielleicht im Jahr 2023 – wäre dann wieder ein EU-Beitritt möglich, so das Kalkül der SNP. Aber die Abstimmung über das schottische Regionalparlament hat gezeigt, dass es ganz so einfach dann doch nicht ist.

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Der Erdrutschsieg, von dem Sturgeon geträumt hat, ist ausgeblieben. Die SNP verpasst knapp die absolute Mehrheit. Die Regionalpräsidentin wird nun zwar dank einer Zusammenarbeit mit den schottischen Grünen weiterhin versuchen, den Weg für eine Wiederholung des Unabhängigkeitsreferendums  von 2014 zu bereiten. Denn auch die Grünen wollen die Loslösung von London. Allerdings dürfte sich der britische Premier Boris Johnson angesichts des Wahlausgangs darin bestätigt sehen, dass die Unabhängigkeit nicht auf die Tagesordnung gehört. Und ohne eine Zustimmung des Premierministers zu einem neuerlichen Unabhängigkeitsreferendum wäre eine solche Abstimmung nicht möglich.

Dabei hatte Sturgeon schon versucht, klug mit dem Thema einer schottischen Unabhängigkeit umzugehen. Sie weiß, dass den meisten Menschen nördlich des Hadrianswalls derzeit der Kampf gegen die Corona-Pandemie immer noch wichtiger ist als die Frage, ob die seit 1707 bestehende Union mit England aufgelöst werden soll. Deshalb hatte sie vorsorglich erklärt, dass ein mögliches Unabhängigkeitsreferendum erst nach dem Ende der Pandemie auf die Tagesordnung gesetzt werden solle.

Knappe Umfrage-Mehrheit gegen Loslösung von London

Allzu viel genutzt hat es ihr aber nicht. Bei der Abstimmung über das Regionalparlament in Edinburgh ist die Schottische Nationalpartei erneut mit Abstand zur stärksten Partei geworden. Aber ein Mandat für eine Trennung von London lässt sich aus dem Votum  nicht ohne Weiteres ableiten. Eher ist es so, dass die meisten Schotten kühl abwägen, was die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile eines „Scexit“ wären. Und da kommt bei den ständig schwankenden Meinungsumfragen gegenwärtig eine knappe Mehrheit zu dem Schluss, dass der Verbund innerhalb des Vereinigten Königreich gar keine so schlechte Sache ist: In den Umfragen haben derzeit die Gegner einer Unabhängigkeit Schottlands die Nase vorn.

Die Trennung von Nordirland droht

Aus dem Schneider ist Johnson damit aber noch nicht. Viel gefährlicher für den Bestand des Vereinigten Königreichs als die Bestrebungen der schottischen Unabhängigkeitsfreunde ist nämlich die Lage in Nordirland. Dort ist nach dem Abschluss des Post-Brexit-Abkommens der alte Gegensatz zwischen pro-britischen Unionisten und Befürwortern einer Anbindung an die  Republik Irland wieder aufgeflammt.  Den Schlamassel  hat sich Johnson selbst zuzuschreiben. Denn er stimmte bei den Verhandlungen mit der EU einer Lösung zu, mit der eine neue Zollgrenze geschaffen wurde. Und die trennt nun ausgerechnet  Nordirland vom Rest des Landes. Es könnte der Beginn einer dauerhaften Spaltung  des Vereinigten Königreichs sein.

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