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Horst Seehofer (rechts) und Markus Söder nach der Sitzung des CSU-Vorstandes.

© Peter Kneffel/dpa

Horst Seehofer: Der Putsch fällt vorerst aus

Die Debatte über den CSU-Chef ist ausgebrochen. Horst Seehofer relativiert seine Rolle am Ergebnis der Bayernwahl.

Von Robert Birnbaum

Ein Problem mit den üblichen Rebellen in der CSU ist, dass sie den Mund nicht halten können. Den Plan, den Parteivorsitzenden von den Koalitionsverhandlungen in München auszuschließen, konnte Horst Seehofer vor Tagen in den Zeitungen lesen. Am Montag erklärt er ihn kurzerhand zum eigenen. „Es ist mir vom Amt gar nicht möglich, zwei, drei Wochen Koalitionsverhandlungen zu führen“, sagt Seehofer. Unentbehrlich in Berlin – so wird eine Teilentmachtung zum Akt der Verantwortung fürs größere Ganze umgedeutet. In München ist das allen sehr recht. Im Bund findet mancher, es ginge nicht nur für ein paar Wochen sehr gut ohne den Horst. Die CSU müsse über ihre gesamte Führung nachdenken, fordert der schleswig-holsteinische CDU-Regierungschef Daniel Günther. Doch der Putsch findet vorerst nicht statt.

Dabei gäbe es Anlass, am Tag danach über den Vorsitzenden zu richten. „Im Wesentlichen hat uns die Bundespolitik nach unten gezogen“, sagt Vorgänger Erwin Huber, als die CSU-Spitzen zur Vorstandssitzung ins Franz-Josef-Strauß-Haus kommen. Über diese Analyse herrscht in München Einigkeit, auch wenn andere dezenter formulieren. Selbst der Berliner Landesgruppenchef traut sich nicht, offensiv zu widersprechen. „Ich erkenne jetzt die Falle, die da gestellt werden soll“, bügelt Alexander Dobrindt die Frage nach dem Berliner Anteil am Absturz der Partei ab.

„Man will öfters im Leben recht bekommen“, sagt Barbara Stamm; diesmal wäre sie lieber widerlegt worden. Die Landtagspräsidentin ist seit Sonntag eine Ehemalige. Ihr Listenplatz reicht nicht zur Rückkehr ins Maximilianeum, Ilse Aigner soll ihren Ehrenplatz im Landtag einnehmen. „Die Menschen in der Mitte, die Menschen in der Mitte“, klagt Stamm, um die hätte sich die CSU kümmern müssen! Das hat sie, wie die ersten Wählerwanderzahlen zeigen, vor allem in den Städten nicht getan, die die Grünen im Sturm eroberten.

"Die CSU ist keine Revolutionspartei"

Auf dem Land gehen die größten CSU-Verluste aufs Konto der Freien Wähler und der AfD. Der Ehrenvorsitzende Theo Waigel merkt an, dass man mit einer Doppelstrategie schon bei der letzten Europawahl gescheitert sei und gegen die neuen Rechten nur eins helfe: „Man muss sie bekämpfen, man muss sie isolieren, man muss sie mit Argumenten zudecken.“ Drinnen im Vorstandssaal geht er Seehofer direkt an: Der Fall Maaßen, diese ständigen Querschüsse, die kontraproduktive „Anti-Merkel-Stimmung“, jetzt dieses Wahlergebnis – er sei 1998 zurückgetreten, „konsequent und richtig“.

Seehofer denkt nicht daran. „Ich führe auch heute keine Personaldiskussion über mich“, hat er vorher erklärt, allerdings vorsichtshalber angefügt: „Ich steh’ für jede Debatte zur Verfügung.“ Einen Sonderparteitag nach den Koalitionsverhandlungen, den er draußen vor den Kameras für unnötig erklärt, gesteht er drinnen widerstandslos als Möglichkeit zu. Hinterher verspricht er dem Vorstand, dass nach der bayerischen Regierungsbildung eine „vertiefte Analyse“ vorgenommen und über Konsequenzen gesprochen werden soll, „auch personelle“, in einem Kreis, den die Bezirkschefs bestimmen sollen.

Elastisch Angriffsflächen verringern, Zeit gewinnen – seine alte Taktik in Krisen. Mancher ist das Spiel leid. Das ewige Relativieren nerve ihn, schimpft ein Landtagsabgeordneter in der über fünfstündigen Sitzung. Zur kritischen Masse reicht der Unmut nicht. „Die CSU ist keine Revolutionspartei“, sagt Erwin Huber.

Der größte Relativierer ist der Ministerpräsident

Seehofer hilft dabei, dass der größte Relativierer der Ministerpräsident selbst ist. Markus Söder hat am Wahlabend begonnen, die Niederlage in einen gefühlten Sieg umzudeuten. Am Montag geht’s weiter. Dank eines „tollen Schlussspurts“ seien es nicht 33 Prozent geworden für die CSU wie in den schlechtesten Umfragen, sondern 37,2 Prozent. Jetzt laute das oberste Ziel, „dass wir für Stabilität sorgen“ und „Verantwortung für das Land“ zu übernehmen. Wie die konkret aussehen soll, steht schon fest. Die Freien Wähler, die konservative Protestpartei ist Partner der Wahl. FW-Chef Hubert Aiwanger meldet bereits Anspruch an auf „drei Stück Ministerien“ von Gewicht, wahlweise fünf kleinere. Söder will zwar erst mit allen Parteien außer der AfD reden. Aber er behandelt die Sondierung als reine Höflichkeitsgeste: „Stabilität ergibt sich aus dem gemeinsamen Geist heraus.“ Parlamentarische Mehrheit allein, man sehe das ja in Berlin, reiche dafür nicht. Und was die Rolle des Parteivorsitzenden angeht: „Ich hab’ gehört, dass er bei der Sondierung dabei ist.“ Viel deutlicher lässt sich kaum ausdrücken, wie wurscht ihm gerade ist, ob Seehofer mit zu der Schauveranstaltung kommt. Hauptsache, er stört danach nicht. Diesbezüglich hat Söder für den Parteichef eine generelle Ermahnung: Die CSU müsse einen „konstruktiven Stil entwickeln – auch was Berlin betrifft“.

Daran mag glauben, wer will. Der Club der christsozialen Angela-Merkel-Hasser schießt bereits Sperrfeuer. „Wir werden die meisten AfD-Wähler nicht zurückgewinnen, solange Merkel Kanzlerin ist“, bohrt Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich. Seehofer verspricht, die CSU werde „konstruktiv“ in der großen Koalition arbeiten. Aber er rechnet zugleich vor, dass die AfD in Bayern mit ihren 10,2 Prozent „deutlich unter dem Bundesdurchschnitt“ liege. Er nehme das als „Hinweis“, dass er „zumindest nicht falsch mit dem Thema umgegangen“ sei – was verschweigt, dass konservativer Protest hier anders als im Rest der Republik mit den Freien Wählern eine Alternative zur „Alternative“ hatte.

Auch dass Streit schade, fährt der Parteichef fort, sei nicht seine Lebenserfahrung. Viele Wähler scheinen das anders gesehen zu haben. Aber was sind schon Wähler gegen 69 Jahre Seehofer!

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