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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist gefordert.

© Mario Heller/Tagesspiegel

Der Krieg um die Ukraine und der Ampel-Etat: Lindners Last

Erst war es das Virus, nun diktiert Putin deutsche Etatpolitik. Allein mit immer mehr Schulden lassen sich die Krisen wohl nicht meistern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Hundert Tage hat die Ampel-Koalition nun schon hinter sich. Üblicherweise ein Zeitpunkt, zu dem die Arbeit einer Regierung eigentlich erst beginnt. Doch SPD, Grüne und FDP haben in diesen ersten drei Monaten eine Herausforderung zu bestehen gehabt wie wohl keine Koalition zuvor. Sie wussten, was auf sie zukommt. Dass es Krieg geben könnte in der Ukraine, hat sich früh abgezeichnet, schon während der Koalitionsverhandlungen. Ob die tatsächliche Dimension dieses Krieges von Beginn an klar war, ist eine andere Frage.

Die Ampel ist dafür kritisiert worden, sie habe zu wenig priorisiert in ihrem Koalitionsvertrag. Der Vorwurf ist mittlerweile Schall und Rauch. Die Priorisierung, das Gewichten von Vorrangigem und Nachrangigem, ist von der Realität übernommen worden. Vorläufig zumindest, aber zweifellos mit erheblichen Folgewirkungen.

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Putin diktiert deutsche Politik, und damit auch die Haushaltspolitik dieser Regierung. Christian Lindner ist wie kein Finanzminister vor ihm in eine Situation geraten, in der das Aufstellen von Etats und das Planen der Staatsfinanzen schwierig bis unwägbar geworden ist. Vorige Woche hat das Kabinett den Etatentwurf für 2002, die Eckwerte für 2023 und die Finanzplanung bis 2026 beschlossen. In dieser Wiche berät der Bundestag in erster Lesung.

Vorläufige Haushaltsführung

Selten war der Begriff vorläufige Haushaltsführung so treffend. Üblicherweise ist damit die Phase gemeint, in der ein Jahresetat noch nicht verabschiedet ist, weshalb sich die Ministerien am vorherigen orientieren und auf dieser Basis vorläufig wirtschaften.

Was Lindner vorgelegt hat und worüber das Parlament nun debattiert, sind Entwürfe für eine Zukunft, die man noch weniger einschätzen kann als sonst. Aber man kennt die Vergangenheit und man weiß um die Pläne. Dazu gehört die gigantische Summe an neuen Schulden und Kreditermächtigungen, die sich wegen der Pandemie, wegen der Klimakrise und nun auch wegen des Kriegs ansammelt.

Es sind um die 580 Milliarden Euro, die schon jetzt feststehen. Zum Großteil sind es Corona-Schulden, sie addieren sich auf 385 Milliarden. 60 Milliarden hat sich die Koalition für Klimaschutzausgaben vorgenommen.  Und weitere 100 Milliarden gehen in das geplante Bundeswehr-Sondervermögen. Der von Lindner angekündigte Ergänzungshaushalt wird wohl mindesten noch einmal 25 Milliarden Euro Volumen haben - ebenfalls kreditfinanziert. Binnen zwei Jahren steigt damit die Bundesschuld um knapp 50 Prozent auf bald 1,8 Billionen Euro.

Immense Schulden - auf einen Schlag

Das ist zwar machbar. Es entsteht dadurch keine akute Überlastungssituation. Aber es ist eben sehr viel Geld, und das noch fast auf einen Schlag. Niemand weiß, wie teuer die weiteren Folgen von Putins Krieg sein werden. Im Kalkül des russischen Machthabers könnte eine Schuldenspirale in der demokratischen Welt durchaus eine Rolle gespielt haben. Mit dem Aufwuchs bei den Schulden wird eine nicht zu unterschätzende Belastung künftiger Haushalte und damit künftiger Generationen aufgebaut, die bei höheren Zinsen als heute einen erklecklichen Teil eines Etats belegt.

Lindner möchte ab 2023 wieder zurück zur Normalität. Das ist eine Priorisierung, die er mit sich und seiner Partei verbunden hat. Die Schuldenbremse soll dann wieder gelten. Es soll keine Ausnahmen mehr geben, keine Sondervermögen, keine außerordentlichen neuen Kredite mehr. Steuererhöhungen schließt er aus. Ob er das halten kann? Immerhin muss er den Spielraum, den die Schuldenbremse für neue Kredite gibt, in den kommenden Jahren komplett ausnutzen - was nochmals 40 Milliarden an neuen Schulden bedeutet.

Vernünftige Erbschaftsteuer

Zweifellos gibt es Potenzial im Bundeshaushalt für Einsparungen, für Umfinanzierungen, für ein Jäten im Großen und Kleinen. Ein, zwei Dutzend Milliarden kann das bringen, auch einen Schluck mehr, wenn man härter an Subventionen und andere Besitzstände herangeht. Der Finanzminister hat das Vorhaben einer Haushaltskonsolidierung im Koalitionsvertrag verankert. Da sollte er also zügig liefern. Aber das dürfte nicht reichen, wenn es schlimmer wird.

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Was auf Lindner daher bald zukommen könnte, ist die Herausforderung, über den eigenen Schatten zu springen. Eine Kernregel der Haushaltspolitik und auch der Schuldenbremse lautet, dass Ausgaben durch laufende Einnahmen zu decken sind. Wenn die Ausgaben wachsen und wachsen, muss man die Einnahmen erhöhen, wenn’s noch mehr Schulden nicht sein sollen. Verteidigung ist im Interesse aller.

Aber wer mehr zu verlieren hat, dürfte ein höheres Interesse haben. Es muss nicht gleich eine Vermögensteuer sein. Endlich eine vernünftige Erbschaftsteuer einzuführen, die auch dem Bund und nicht nur den Ländern zufließt, wäre keineswegs eine Zumutung. Denn Freiheit kostet. 

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