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Konfuzius (hier dargestellt von Schauspieler Chow Yun-Fat) war der wirkmächtigste Philosoph Chinas. Die Kulturinstitute mit seinem Namen baut das Land massiv aus.

© KSM

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik: Der Kampf der Ideen wird härter

Autoritäre Staaten rüsten auf im Ringen um Weltbilder und Ordnungsmuster, investieren in Medien und Kultur. Das Auswärtige Amt will dagegenhalten.

Von Hans Monath

Es war eine Art Kriegserklärung an schwer greifbare Feinde, die die Außenminister der größten Industriestaaten Ende April in Toronto verabschiedeten – unter ihnen auch der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD). In einem gemeinsamen Communiqué unter dem Titel "Defending democracy – addressing foreign threats" ("Die Demokratie verteidigen – gegen äußere Bedrohung vorgehen") listeten die Vertreter der wichtigsten westlichen Länder (G7) in drastischer Sprache die Bedrohungen auf, denen offene, freie Gesellschaften im 21. Jahrhundert ausgesetzt sind – vom Diebstahl von Daten von Parteidaten und Hackerangriffen auf Wahlsysteme bis hin zu Desinformationskampagnen im Cyberraum und der Bedrohung von Medienvertretern.

Das Ziel, "das Vertrauen in und die Legitimität von demokratischen Institutionen und Prozessen zu unterminieren", vor denen der Text warnt, verfolgen Staaten wie Russland oder China allerdings nicht nur mit böswilligen Mitteln wie Troll-Fabriken oder der Gängelung und Abschaltung von Medien. Denn "der Westen", den man trotz aller Angriffe von US-Präsident Donald Trump auf gemeinsame westliche Werte und Regeln noch als Einheit verteidigen kann, wird längst auch herausgefordert durch kulturelle Offerten autoritärer Systeme.

Zu lange hatte auch die deutsche Außenpolitik unterschätzt, wie gezielt andere, mächtige Akteure in einer zunehmend globalisierten Medien- und Kulturlandschaft ihren Vorteil suchen. Doch 2014 wurde die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) des Außenministeriums strategisch neu ausgerichtet, ein eigener Bereich "Strategische Kommunikation" geschaffen. Belastbare Erkenntnisse über die neuen Herausforderungen durch aufstrebende Konkurrenten lieferte dann eine Studie der Berliner Hertie School of Governance. Bei ihr hatte das Auswärtige Amt (AA) eine Art internationale Wettbewerbsanalyse für den Bereich der Kultur- und Bildungspolitik bestellt.

Im vergangenen Sommer lag das Ergebnis vor: China und Russland, aber auch andere Länder investieren massiv in Kommunikation, Kultur und Bildung mit dem Ziel, ihre Sicht der Welt zu verbreiten. China hat seit der Eröffnung des ersten Konfuzius-Instituts im Jahr 2006 ein Netzwerk aus weltweit rund 500 Instituten aufgebaut. Zum Vergleich: Die Zahl der Goethe-Institute in diesem Zeitraum stieg kaum und liegt bei rund 160.

Jaafar Abdul Karim, Moderator der Sendung „Shababtalk“ („Jugend diskutiert“) der Deutschen Welle TV, ist mit seiner Sendung - hier aus Marokko – sehr populär in der arabischen Welt, da er auch oft unbequeme Themen anspricht.
Jaafar Abdul Karim, Moderator der Sendung „Shababtalk“ („Jugend diskutiert“) der Deutschen Welle TV, ist mit seiner Sendung - hier aus Marokko – sehr populär in der arabischen Welt, da er auch oft unbequeme Themen anspricht.

© Deutsche Welle

Besonders unter den Auslandsmedien verschiedener Staaten hat sich ein harter Wettbewerb entwickelt, wie die Studie zeigt. Während es zu Beginn der 2000er Jahre nur drei Auslandsfernsehsender in englischer Sprach gab, warben zehn Jahre später schon mehr als 30 Sender aus verschiedenen Ländern um ein internationales Publikum. Insbesondere die russische und chinesische Regierung investierten seit Mitte der 2000er Jahre massiv in den Ausbau der Auslandsmedien, auch um die Dominanz anglo-amerikanischer Medien weltweit zu brechen. Russland wirbt mittlerweile mit der Behauptung, es sei internationaler Spitzenreiter bei der Online-Reichweite seiner Angebote.

Die Wissenschaftler der Hertie School kamen zu dem Ergebnis, mit seinen Goethe-Instituten, den Organisationen für Austausch in Bildung und Wissenschaft sowie der Deutschen Welle sei Deutschland zwar im Wettbewerb "gut positioniert". Doch dürfe man die AKBP nicht länger als "weiches" Politikfeld ansehen, sondern müsse sie als "wichtigen Bestandteil des außenpolitischen Instrumentariums" betrachten. Sofern Deutschland im Wettbewerb bestehen wolle, müsse es "die Mittel aufstocken und gerade in den geopolitisch ,umkämpften' Regionen seine Aktivitäten ausbauen". Auch könnten neue Wege ausgelotet werden – etwa eine Zusammenarbeit von EU-Staaten in der AKBP.

Der Auftraggeber der Studie nimmt die Anregungen ernst. "Im Wettbewerb der Narrative setzen wir auf die Kraft des Fortschritts und der Demokratie", sagt Michelle Müntefering, die neue Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt. Die SPD-Politikerin verweist auf den Koalitionsvertrag. Der sieht vor, den Zugang zu Kultur und Bildung weltweit auszubauen, für die Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Meinung einzutreten und das gemeinsame Arbeiten an Kunst und Kultur zu ermöglichen. "Wir wollen mehr Austausch anstatt nationaler Enge, wir wollen gemeinsam Bessermachen, statt Besserwissen", sagt Müntefering: "Mit dieser Haltung gehen wir in die Welt."

Dabei scheint die Ausgangslage dramatisch: Die globale Nachkriegsordnung ist in Auflösung, alte Modelle verlieren an Überzeugungskraft. In vielen Ländern sind Nationalisten auf dem Vormarsch, der Druck auf Nichtregierungsorganisationen, unabhängige Künstler und Journalisten steigt seit Jahren, in China und Russland genauso wie in Ägypten oder der Türkei. "Abschottung und Nationalismus nehmen zu und die Freiräume für Kunst und Kultur werden weltweit kleiner – auch bei uns in Europa", sagt Müntefering. Sie sieht es als Herausforderung.

Die Hertie-School-Empfehlungen umsetzen soll Andreas Görgen. Der Leiter der AA-Kulturabteilung beschreibt unterschiedliche Ansätze: Autoritär regierte Länder propagierten "Fortschritt durch Wohlstand, aber ohne Widerspruch". Der Kulturdiplomat dagegen meint, freie Gesellschaften müssten "Widersprüche und Kritik nicht nur aushalten", sie seien vielmehr "unerlässliche Bedingungen" für die Entwicklung dieser Gesellschaften. Sein Leitspruch heißt deshalb: "Fortschritt durch Widerspruch". Denn wer zukunftsfähig bleiben wolle, dürfe neue Gedanken, Kreativität und Auseinandersetzungen nicht unterdrücken. Nicht zuletzt sei die Freiheit des Einzelnen "Teil unseres humanistischen Weltbildes".

Der Bücherbus des Deutsch-Französischen Kulturzentrums besucht palästinensische Schulen, die deutschen oder französischen Sprachunterricht anbieten. Das Zentrum ist ein Projekt des Goethe Instituts und des Institut Francais. Nach diesem Modell sollen weitere zehn Zentren entstehen.
Der Bücherbus des Deutsch-Französischen Kulturzentrums besucht palästinensische Schulen, die deutschen oder französischen Sprachunterricht anbieten. Das Zentrum ist ein Projekt des Goethe Instituts und des Institut Francais. Nach diesem Modell sollen weitere zehn Zentren entstehen.

© Julia Wunderlich

Görgen will die Zusammenarbeit mit den engsten europäischen Partnern Deutschlands stärken, um eine "kritische Größe" für das europäische Modell zu erreichen – eine Größe, die dann auch wahrgenommen wird im weltweiten Wettstreit der Ideen. Tatsächlich liegt es nahe, innerhalb der EU nicht nur in der Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu kooperieren. Allerdings könnte es schwierig werden, sich angesichts autokratischer Tendenzen in Ländern wie Ungarn oder Polen auf gemeinsame EU-Botschaften nach außen zu verständigen.

Vor allem mit Frankreich will das AA die Zusammenarbeit in Drittstaaten ausbauen. In Ramallah im Westjordanland betreiben Institut Français und Goethe-Institut ein Deutsch-Französisches Kulturinstitut. Nach seinem Vorbild sollen in den kommenden fünf Jahren zehn gemeinsame Institute aufgebaut werden, wie der deutsch-französische Ministerrat im vergangenen Jahr beschloss.

Im digitalen Raum tobt eine Schlacht

In Zeiten von Desinformation und Propaganda will die deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik mit eigenen Angeboten, Inhalten und Strukturen stärker Präsenz zeigen. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten. Dort leben russisch-sprachige Minderheiten, die vor allem Medienangebote aus dem Land Wladimir Putins nutzen. Die aber propagieren bekanntlich oft das Bild einer starken russischen Nation, die einer schwachen, unfähigen Europäischen Union weit überlegen sei.

Vor drei Jahren startete der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit den Balten eine "Resilienzinitiative", um die Länder weniger anfällig gegenüber Desinformation zu machen. Dazu gehören Workshops für Journalisten, die Unterstützung baltischer Medien mit Angeboten öffentlich-rechtlicher der Deutschen Welle, von ARD und ZDF oder der Ausbau des russisch-sprachigen Social-Media-Angebots durch die deutschen Botschaften in den drei Ländern.

Ein anderes Beispiel dafür, wie das AA fremde "Narrative" angreift, ist die Website "Rumours about Germany" ("Gerüchte über Deutschland"). Schlepper verbreiten in sozialen Netzwerken gern, jeder Flüchtling bekomme in Deutschland 2000 Euro Begrüßungsgeld, einen Arbeitsplatz und eine Wohnung. Solche Behauptungen entkräftet die Website, indem sie etwa knapp und deutlich die "Seven big lies of traffickers" ("Die sieben großen Lügen von Schleusern") entlarvt.

Mehrere Hunderttausend "User" haben das im vergangenen Herbst gestartete Angebot schon genutzt, das es in fünf Sprachen gibt: Englisch, Französisch, Arabisch, Tigrinya (für Äthiopier und Eritreer) und Urdu (für Pakistani und Inder). Versionen in Farsi (für Iraner) und Dari (für Afghanen) sollen folgen. Aufgerufen wird die deutsche "Rumours"-Website vor allem in Herkunfts- und Transitstaaten tatsächlicher oder potenzieller Migranten, wie die Datenanalyse zeigt.

Im Auswärtigen Amt ist ohnehin das Bewusstsein dafür gewachsen, dass im digitalen Raum eine Schlacht darum tobt, welche Erzählungen und Bilder sich durchsetzen. Andere Regierungen nutzen längst das Potenzial der sozialen Medien für ihre politischen Ziele, sagen die Diplomaten. Dies würden etwa Videos aus russischen Troll-Fabriken zeigen, die den Westen als schwach und dekadent darstellen. Ein "emotionales und packendes Storytelling", das an Musikvideoclips erinnere, attestierte die FAZ ihnen. Die russischen Propaganda-Erzeugnisse seien "spannend und leicht verdaulich".

Deutschen Diplomaten steht das Mittel emotionaler Überwältigung nicht zur Verfügung, auch wenn sie seit Kurzem mit Grafik- und Webdesignern, Kampagnen- und Social Media-Experten zusammenarbeiten. Ihr Ziel ist nicht Manipulation, sondern Aufklärung, wie sie immer wieder betonen. Womöglich begrenzt das die Wirkung der eigenen Angebote. Doch wer Individualität, künstlerische und wissenschaftliche Freiheit als universelle Werte preist, muss wohl jedem seiner Ansprechpartner in der Welt unterstellen, dass der vor allem vernunftgeleitet und selbstständig entscheiden will.

Der Text erschien zuerst in der Tagesspiegel-Beilage "Menschen bewegen 2018" zur "Langen Nacht der Ideen". Weitere Texte zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik lesen Sie auf unserer Themenseite.

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