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Gedenkort im Olympiapark in München.

© INA FASSBENDER / AFP

Einigung vor Gedenken an das Olympia-Attentat 1972: Der Fokus auf die Opferentschädigung war geradezu infam

50 Jahre brauchte es, damit Deutschland einsieht, was es den Opfern des Olympiaattentats schuldet und die Vertuschung beendet. Beschämend lang. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Wenn der Bundespräsident am Montag in Fürstenfeldbruck an der Gedenkfeier für die Opfer des Münchner Olympia-Attentats von 1972 teilnimmt, wird damit durch das Staatsoberhaupt eine für das internationale Ansehen Deutschlands beschämende Phase der Vertuschung beendet. 50 Jahre, ein halbes Jahrhundert, hat es gedauert, bis von offizieller Stelle das Versagen staatlicher Instanzen bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingestanden und eine Entschuldigung dafür ausgesprochen wird.

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Frank-Walter Steinmeier will die Hinterbliebenen der Opfer des Anschlags auf die israelische Olympiamannschaft in München am 5. und 6. September 1972 um Verzeihung bitten. Verzeihung dafür, dass deutsche Behörden auf den Anschlag palästinensischer Terroristen nicht vorbereitet waren, obwohl es entsprechende Warnungen gegeben hatte.

Weil die Polizei mit völlig unzulänglichen Mitteln auf die Geiselnahme reagierte, mussten elf Sportler und ein deutscher Polizist sterben. Auch fünf arabische Terroristen kamen ums Leben.

Deutsche Behörden verhinderten Akteneinsicht

An den Fakten hatte es nie einen Zweifel gegeben. Dennoch bestritten deutsche Behörden jedes Versagen und verweigerten den Hinterbliebenen der israelischen Opfer lange die Akteneinsicht. Geradezu infam mutet an, dass die deutsche Diskussion über die bevorstehende Gedenkfeier immer mehr von der Verschleierung der Fakten weg und auf die Frage der Opferentschädigung hingelenkt wurde. Dadurch entstand der Eindruck, den Hinterbliebenen ginge es nur um höhere Zahlungen.

Erst am 12. August gestand Regierungssprecher Steffen Hebestreit vor der Bundespressekonferenz ein, die Bundesregierung sei zu einer Neubewertung der Ereignisse gelangt. Sie halte eine Aufarbeitung der Vorgänge durch israelische und deutsche Historiker deshalb für notwendig.

Ohne offenen Umgang mit dem Geschehenen werden Beziehungen dauerhaft belastet

Die Einsetzung einer solchen Kommission wird der Bundespräsident am Montag in Fürstenfeldbruck wohl verkünden. Dass er dies nicht nur in Anwesenheit der Opferfamilien, sondern auch des israelischen Staatsoberhauptes Isaac Herzog tun wird, ist ein Indikator dafür, dass nur der offene Umgang mit dem Geschehen, dauerhafte Belastungen des Verhältnisses zwischen Staaten und Gesellschaften verhindern oder abbauen kann.

Wem die jahrzehntelangen deutschen Vertuschungs- und Verschleppungsversuche letztlich dienen sollten, bleibt ein Rätsel. Dass es im September 1972 in der sorglosen Münchner Olympiastimmung weniger um persönliches Versagen einzelner Politiker oder Polizeibeamter gegangen war, als um eine geradezu sträfliche Sorglosigkeit im Umgang mit der Gesamtsituation, stand eigentlich nie außer Frage.

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